25 Jahre später: ABHINANDA - Senseless (LP/CD, Desperate Fight/Genet, 1994)

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Tiefe Provinz: Umeå in Nordschweden. Ohne REFUSED: unbekannt. Doch über die Landesgrenzen hinaus trug zuerst ABHINANDA den „Northcore“, ein damals tatsächlich zu hörender Kategorisierungsversuch. Die ordentlichen Verkäufe ihres Debütalbums, vor allem in Europa, ermöglichten Desperate Fight Records, sich zu einem einflussreichen Label der 1990er zu entwickeln, und waren der erste Schritt zur Etablierung der Marke Umeå-Hardcore, so musikalisch heterogen dieser auch immer blieb. Doch was heute als etabliert und eigenständig wahrgenommen wird, erschien damals vielen als reiner Abklatsch des aus den USA hereinbrechenden New School-Hypes. Der „Firestorm“ von EARTH CRISIS war gerade über die Szene gezogen und auch skandinavische Kiddies standen unter einem ähnlichen Verdacht. Zumal bei jeder Gelegenheit sich als vegan sxe labelnde Bands versuchten, mit Krishna-Anleihen bei der Namenswahl, eine ähnlichen Dogmatik und hysterische Militanz anzuhängen, so wenig auch ABHINANDA in ihren Texten dem ermüdenden Topoi rund um den vegan sxe Lebensstil frönten. Dem Zeitgeist zollten ABHINANDA aber mit einem deutlichen metallischen Einschlag Tribut, auch wenn man sich auf der Metalskala am anderen Ende einordnete als EARTH CRISIS, nämlich bei INSIDE OUT. So sehr man „Senseless“ noch anhört, wie der Sound rund um das rasant aufsteigende Label Victory Records (eher cleverem Marketing geschuldet als kontinuierlich musikalischer Qualität der Releases) die Band beeinflusste, so klar sind auch Merkmale erkennbar, die ABHINANDA von der Schwemme metallischer Hardcorebands unterscheidbar machten. Man war nicht exklusiv dem Midtempo verpflichtet, zog das Tempo immer wieder an, ausufernde Songs sind nicht vorhanden und neben all der Brachialität finden sich auch immer Verzweiflung und Niedergeschlagenheit (Anspieltipps; „Needle“, „Fallen“). Und was auf dem nachfolgenden Album dann viel klarer auffällt, findet sich auch hier bereits in seinen Grundzügen: eine stärkere Fokussierung auf vertracktere Rhythmen und das Bemühen, einen unterschwelligen Groove einem weiteren simplen Moshpart vorzuziehen. Im sich ausdifferenzierenden New-School-HC ein wichtiger Schritt, den man natürlich nicht alleine ging und erst später wirklich vollendet sein sollte. Dann aber standen REFUSED schon deutlich im Fokus, die Freunde, in deren Proberaum die Entscheidung fiel, selber eine Band zu gründen, statt nur den anderen beim Proben zuzuschauen. Und was dann auch ganz klar wurde: diese Bands hatten die Verbindungen zum Punk nie gekappt, man stand in dessen Tradition, statt Hardcore nur als das neue Label für geistig stark beschränkten Machometal zu begreifen.