40 Jahre später: COCKNEY REJECTS - The Greatest Hits Vol. 1 (LP, EMI, 1980)

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Am 7. März 1980 wurde gewissermaßen der nachhaltige Urknall der Oi!-Bewegung auf den Markt geworfen. Die Londoner West Ham United-Anhänger Jeff „Stinky“ Turner (Gesang) und sein Bruder Micky Geggus (Gitarre) brachten zusammen mit Produzent Jimmy Pursey (SHAM 69) diese LP unter das Volk der Andersartigen. Es war auch genau die Zeit, als hierzulande in Berlin und Hamburg die ersten Vertreter dieser neuen Bewegung die Stadien bevölkerten. Ich erinnere mich, dass ich in Berlin auf kahlköpfige Jungs in Jeans und Stiefeln aufmerksam wurde. Oh, französische Soldaten ... Ergänzt durch Vince Riordan am Bass und wechselnde Drummer hatten die gewaltbereiten Kids zwar schon zuvor musiziert (so die Geggus-Brüder bei der Punkband THE TICKETS), doch erst mit den Rejects kamen sie ins richtige Fahrwasser. Die erste Single „Flares ’n Slippers“ erschien bereits 1979 aus Small Wonder Records (wo auch ANGELIC UPSTARTS 1979 ihre erste Single re-releasten), ehe der Major EMI sich die Dienste der Vier sicherte. „Im Not A Fool“ und „Bad Man!“ waren die nächsten Singles.

Beim Einspielen der LP im großen Studio von Polydor kam ein musikalisches Resultat zunächst nicht zustande, dafür aber fiel eine happige Rechnung von 2.000 Pfund wegen Vandalismus an. Kein Wunder, die Jungs wollten sich austoben und hielten diese LP eh schon für einen Meilenstein, aber auch das Ende der Fahnenstange in Sachen eigener Laufbahn. Stühle wurden zweckentfremdet, Urin verteilt und mit dem Bier auch unsanft hantiert. In den Rock City Studios wurden die 14 Songs dann dennoch fertig gestellt. Und dies mit dem gerade einmal 14-jährigen „Stinky“ am Gesang. Offenbar ohne pubertären Stimmbruch zum Mann gereift, schrie er die Songs – ganz wie im Stadion die Fangesänge – ins Mikrofon, so dass diese Scheibe zu einem echten Ereignis wurde. THE CLASH? SEX PISTOLS? Nein, das war hier wirklich die Straße, die Arbeiterklasse, die Gosse, der „New Punk“. Bei „East End“ wurde sogar exakt so geklatscht, wie man es aus den Stadien Europas kannte und bei einem Song wie „Are you ready to ruck“ krochen Adrenalin und Testosteron beinahe aus den Boxen der heimischen Anlage. Was für Wahnsinnige!

Noch im selben Jahr erschien Vol. 2 mit dem Hit „Oi, Oi, Oi“, womit dann auch der erste Oi!-Sampler „Oi! The Album“ von Sounds Redakteur Gary Bushell bestückt wurde. Geggus zur ersten LP: „ Wir unterschrieben bei EMI und bekamen in der Woche 25 Pfund. Was für ein Segen! [...] Wir bekamen jeder bei Vertragsabschluss einen Bonus von 500 Pfund – Jeff ging zurück zur Schule, die er sonst schwänzte, und kaufte am Kiosk alle Chips auf!“ Klar, der Hooligan, der schon im Amateurboxverein reüssierte, war ja noch ein Kind ...

Markus Franz