40 Jahre später: THE CRAMPS - Songs The Lord Taught Us (LP, IRS, 1980)

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Die CRAMPS waren eine über dreißig Jahre andauernde und brennende Rock’n‘Roll-Romanze zwischen Lux Interior und Poison Ivy Rorschach. Wer THE CRAMPS sagt, denkt auch an Sex, B-Movie-Horror, SciFi-Verrücktheiten, surreale und bissige Absurditäten, S&M, Lack und Leder, Bondage, Comicstrip-Übertreibungen und abseitig-dunklen Humor voller Selbstironie. Auf ihrem Debüt steigt die Band in eine archaische Gruft hinab, um aus den Zutaten von Rockabilly, Psychobilly, Garage-Rock, Blues, Trash und Surfrock einen wilden Sud zu brauen, der sie unsterblich machen sollte. Die hemmungslos animalische Kraft des Albums liegt in der – im positiven Sinne – primitiven Authentizität und Simplizität, die oft in atonale Verzerrungen und hypereffektive Fuzz-Break-Gitarrensounds umkippt. Der Song „Garbage man“ kommt fast mit einem verzerrten Einzelakkord und dem Ankratzen der Gitarrensaiten aus. Der Gitarrensound wird zum Wolfsknurren. Der sinistre und LSD-affine Bryan Gregory und Poison Ivy, eine gelehrige Schülerin von Link Wray, malträtieren stoisch ihre übersteuerten Gitarren mit dreckigen Riffs, das Schlagzeug poltert stur vor sich hin. Die CRAMPS zeigen ein ausgeprägtes Selbstbewusstsein und fordern ihre Helden in Coverversionen heraus, wenn sie auf dem Album „Strychnine“ von THE SONICS, „Tear it up“ von Billy Burnette und „Fever“ von Elvis Presley durch den Teenage-Werewolf Häcksler drehen. Die instinktive Umarmung des Chaos und die einfachen Soundstrukturen machen das Album so attraktiv. Jeder Song wurde im Hinterhof einer heruntergekommenen Bar neben der Mülltonne mit Klappmessern und Motorradketten nachbearbeitet, jedwede musikalische Konvention mit subversiver Kraft stilgerecht mit Füßen getreten. Lux Interior jault, knurrt, heult und bellt den Mond an. Es erinnert eher an die Lautsprache eines Hundes als an einen gängigen Gesangsstil. Es war eben „Bad music for bad people“. Und sie gaben es nicht nur den Gesunden, nein, auch die Ungesunden wurden bedacht: es gibt ein Video von einem Konzert aus dem Jahr 1978, als THE CRAMPS im Napa State Mental Institute, einer Psychiatrie in Kalifornien, vor den Insassen auftraten. Ihre Bühnenpräsenz war optisch dem Wahnsinn angemessen: das „Outfit“ von Lux Interior bestand oft nur aus Stöckelschuhen, einem Handschuh und einem Stringtanga, dessen Dehnbarkeit und Materialfestigkeit er im Laufe eines Konzerts austestete. Genau das hatte Iggy Pop, erklärtes Vorbild von Lux Interior, mit „I wanna be your dog“ gemeint. THE CRAMPS sind essentieller Teil der US-amerikanischen Subkultur in einem geistigen Zirkel mit William S. Burroughs, Robert Crumb, Charles Bukowski und GG Allin.