24 HOUR PARTY PEOPLE

In Zeiten, wo wirklich jeder Mist auf DVD rauskommt, ist es fast schon beschämend, dass dieser hervorragende Film in Deutschland bisher keinen Verleiher fand, und das, obwohl der fürchterlich überbewertete Michael Winterbottom doch eigentlich der Liebling des Arthouse-Publikums ist.

Vielleicht lag es ja daran, dass 24 HOUR PARTY PEOPLE zur Abwechslung mal ein richtig guter Film des Engländers ist, der hier erstaunlich kompetent die noch etwas anarchischer funktionierende Musikszene der 80er aufarbeitet, genauer gesagt die Geschichte von Tony Wilson, der mit seinem in Manchester ansässigen Label Factory, dem dazugehörigen Club Hacienda und Bands wie JOY DIVISION, NEW ORDER und HAPPY MONDAYS damals die englische Musikszene maßgeblich prägte.

Initialzündung war für Wilson der legendäre Auftritt der SEX PISTOLS in Manchester Mitte 1976, vor ca. 50 Leuten, bei dem diese zusammen mit den BUZZCOCKS spielten und der in Anton Corbijns CONTROL in ähnlicher Form thematisiert wird.

Zugegen war dort die komplette spätere JOY DIVISION-Besetzung, Morrisey und andere Szene-Persönlichkeiten. Dass 24 HOUR PARTY PEOPLE ausgerechnet jetzt erscheint, kann eigentlich nur an CONTROL liegen und dem plötzlich wiedererwachten Interesse an JOY DIVISION, oder es müsste sich hier schon um einen ganz blöden Zufall handeln.

Lieber spät als gar nicht, heißt es ja bekanntlich, und so kann man 24 HOUR PARTY PEOPLE sechs Jahre nach seiner Entstehung nach wie vor jedem ans Herz legen, der an dieser speziellen Musikszene interessiert ist und ihn nicht doch schon mal zufällig als Import-DVD ergattert hatte.

Im Gegensatz zu CONTROL, der sich schnell als banales wie ödes Beziehungsdrama entpuppt, besticht Winterbottoms Film durch ein schwer unterhaltsames spitzbübisches Spiel mit Fakten und Mythen, in dessen Mittelpunkt der egomanische Tony Wilson steht, der aber nicht als unbefleckte Lichtgestalt oder Märtyrer gezeigt wird, sondern als reichlich angekratztes Idol.

Dabei geht es Winterbottom vor allem um die Frage "Wie viel Legende verträgt letztendlich die Wahrheit?", in Anlehnung an das Zitat "When the legend becomes fact, print the legend." aus John Fords Western THE MAN WHO SHOT LIBERTY VALANCE, das der von Steve Coogan gespielte Tony Wilson an einer Stelle des Films aufgreift.

Wo sich andere Biopics viel zu ernst nehmen, gerät 24 HOUR PARTY PEOPLE trotz seiner von Tiefschlägen und menschlichen Tragödien bestimmten Geschichte - wie der tragische Selbstmord von Ian Curtis, der Niedergang der Manchester-Szene durch Techno, Drogen und organisierte Kriminalität, ebenso wie Wilsons finanzielle Eskapaden und die Pleite des Factory Labels - erstaunlich selbstironisch.

Man nehme nur einen absurden Höhepunkt wie die Beerdigung von Produzent Martin Hannett, der vollkommen überfettet stirbt und in einem Sarg Größe XXL beerdigt werden muss, der dann nicht in das ausgehobene Loch passen will.

Man darf nicht alles glauben, was Winterbottom beziehungsweise seine Hauptfigur Wilson, der das Publikum häufig direkt anspricht, einem hier weismachen wollen, aber das macht halt auch die Cleverness des Films aus, der den ganzen verklärten Mythen, die in der Popkultur kursieren, quasi den Spiegel vorhält, was seine grundsätzliche Authentizität und bestimmte Fakten aber nicht in Frage stellt.

Da der Film nie deutsch synchronisiert wurde, muss man sich hier mit Untertiteln begnügen, aber im Original ist 24 HOUR PARTY PEOPLE eh viel empfehlenswerter. Hinzu kommen jede Menge Extras wie Audiokommentare von Tony Wilson sowie Steve Coogan und Produzent Andrew Eaton, Featurettes über Tony Wilson und die Dreharbeiten, ein Porträt über Michael Winterbottom, Interviews und "deleted Scenes", was die Doppel-DVD quasi zum Pflichtkauf macht.