JAGDZEIT

David Osborn

1974 erschien David Osborns Bestseller „Open Season“ (1975 bei uns als „Jagdzeit“ veröffentlicht) im Original, im selben Jahr folgte eine schwache Verfilmung mit Peter Fonda. Vier Jahre zuvor hatte James Dickey seinen einflussreichen Roman „Flussfahrt“ („Deliverance“, 1972 verfilmt) geschrieben, über die albtraumhafte Kanufahrt von vier Großstadtmenschen im Hinterland der USA.

Die Parallelen zwischen beiden Büchern liegen auf der Hand: die Zivilisationsmüdigkeit des Homo Sapiens, der abseits gesellschaftlicher Normen humanistische Ideale schnell über Bord wirft.

Waren die vier Männer in „Flussfahrt“ vor allem Opfer, sind die drei erfolgreichen Vorzeigeamerikaner in „Jagdzeit“ auf der Suche nach dem ultimativen Kick, um ihr langweiliges, sorgenfreies Leben interessanter zu gestalten, und haben sich für ihren jährlichen Jagdausflug in den Wäldern Nordamerikas ein ganz besonderes Wild ausgesucht.

Bereits in Richard Connells Kurzgeschichte „The Most Dangerous Game“ von 1924 (1932 ebenfalls verfilmt) war ein russischer General von der normalen Jagd gelangweilt gewesen und suchte nach einer neuen Herausforderung, sicherlich eine wichtige Inspirationsquelle für Osborn.

Dummerweise handelt es sich um Gregs, Kens und Arts letzten Ausflug, denn die Jäger werden diesmal zu Gejagten. An sich ist „Jagdzeit“ nur ein profaner Rache-Thriller, aber Osborn gelingt auf eine quälend minutiöse, brutale Weise das Abbild von moralisch völlig verkommenen Individuen, was für Täter, Opfer und Rächer gleichermaßen gilt, die alle nur bedingt zur Identifikation einladen, und was seinem jetzt neu aufgelegten Buch bis heute seine Intensität bewahrt hat.

Wer braucht da noch einen „American Psycho“?