GIGANTOR

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L.A. - Hannover - Tokyo

Wie war das noch gleich mit dem Berg und dem Propheten? Shit, ich habe den Spruch nie ganz kapiert. Jedenfalls machten sich für dieses Interview Ende Juli Jay Lansford, Jens Gallmeyer und Tilo Drescher auf den gar nicht so weiten Weg von Hannover nach Haan, damit endlich stattfinden konnte, was seit Monaten geplant war: Das große Interview um und zu GIGANTOR, die Band, bei der Jens und Jay spielen, die auf G-Force/Re-Force Records, dem Label von Jens und Tilo, ihre letzten Platten veröffentlicht hat, wo wiederum die in Japan gigantischen BALZAC ihre erste Europa-Veröffentlichung releasen.Und sowieso war es mal überfällig, Jay Lansford zu treffen, der so alt ist, dass er damals, 1977, dabei war, als in Los Angeles der Punk entdeckt wurde und der u.a. bei CHANNEL 3 und SIMPLETONES gespielt hat, dessen Produktionskünsten wir das AGENT ORANGE-Meisterwerk „Living In Darkness“ verdanken und der seit 14 Jahren in Deutschland lebt.
GIGANTOR? Der Titel eines DICKIES-Songs und Programm der Band: supermelodiöser Pop-Punk, der hierzulande konkurrenzlos ist und trotzdem kaum jemand interessiert – ganz im Gegensatz zu Japan, wo die Band einen Majordeal hat, regelmäßig tourt und zehntausende Platten verkauft.

Wie, wo und wann habt ihr euch das erste Mal getroffen?


Jens: Ich habe Jay 1986 in L.A. getroffen, bei einem Konzert von UNFORGIVEN. Die kannte ich vorher nicht, aber eine gemeinsame Bekannte hatte mich mitgenommen. Und es war dann Liebe auf den ersten Blick bei uns beiden.
Jay: Haha, von wegen! Etwas später rief er mich nämlich an, ob ich in Deutschland die Platte seiner Band SMARTIES produzieren wolle, und ich sagte natürlich nein. Als ich mit meinem Vater darüber sprach, fragte der mich, ob das in Ost- oder West-Deutschland sein solle, und ich sagte nur, ich hätte keine Ahnung, was denn der Unterschied sei. Steve, der Sänger meiner Band dagegen, der auch bei den STEPMOTHERS war, meinte dagegen, ich solle das machen. Der spricht deutsch, der war da schon zigmal drüben gewesen.
Jens: Und so haben die mich gezwungen, sie beide rüberzuholen, beide oder keinen.

Wie war das, man holt sich die tollen US-Produzenten nach Deutschland?

Jay:
Ha, ich bin ja immer noch beleidigt, weil ich nicht die erste Wahl war, denn er wollte Ian MacKaye.
Jens: Ja, aber der wollte nicht. Der hat mir einen Brief geschickt, er habe keine Zeit wegen seiner neuen Band, die heiße FUGAZI. Das war einfach jugendliche Unbedarftheit, ich dachte mir einfach, ich frage die mal.
Tilo: Ich lernte Jens 1985 kennen, eben über die SMARTIES. Das erste Album war ja auf BYO erschienen, was damals in Deutschland schon eine Sensation war: Eine deutsche Band auf einem US-Label! Und genau wie an Jay war Jens damals an BYO gekommen: Er hatte denen einfach einen Brief und ein Demo geschickt.

Etwas später, so um 1990 herum, gab es dann ja in Hannover, wo seinerzeit das ZAP-Fanzine sein Hauptquartier aufgeschlagen hatte und die Stadt als „Hardcorehausen“ bezeichnete, eine recht aktive, gute und große Szene.

Tilo:
Du spielst auf die ‚Spirit Family‘-Sache an, mit Bands wie URGE, SUCKSPEED und eben meiner Band, BIONIC. Ja, die gab es, aber das war auch wieder ein Ding für sich.
Jens: Ich kannte Tilo von Konzerten, aber so richtig zusammen kamen wir erst über Bernd Granz von Lost & Found.

Wer?
Jens:
Hahaha, na ja, der war früher mal anders.
Tilo: Jens und ich waren damals richtig gut mit ihm befreundet, und ich habe da auch mal zwei Jahre gearbeitet.

Er war der, der GIGANTOR die erste Chance gegeben hat.

Jens:
Ich hatte ihm von meiner Idee erzählt, mit Nico und Heiko zusammen ein paar Coversongs aufzunehmen und dass wir dafür unbedingt diesen Gagu aus Hamburg von den RUBBERMAIDS als Sänger brauchen. Als ich die das erste Mal gesehen hatte, war mir echt die Kinnlade runtergefallen. Bernd fand die Idee gut und meinte, er würde die Platte rausbringen, und so ging das dann los.

Und wie kam Jay ins Spiel?

Jens:
Der hatte die SMARTIES produziert und war wieder nach L.A. geflogen.
Jay: Ja, und etwas später, im Mai 1989, kam ich dann wieder nach Hannover. Damals hatte ich zwar in L.A. eine hart arbeitende Band – immer noch THE UNFORGIVEN –, mit der wir jedes Jahr 150 Konzerte spielten. Bevor ich in der Band war, hatten die eine Majorplatte, tourten mit ZZ TOP und Tom Petty, was mit Punk nichts mehr zu tun hatte. Die Majorplatte war gefloppt, die Million Dollar war weg, und so ging ich nach Deutschland, in Rente, hahaha. Na ja, so viel anders als Pasadena ist Hannover eben gar nicht. Ich habe dann über Jens einen Job bei SPV gefunden und bin da seit Januar 1990 in der Heavy Metal-Abteilung und für das Label Steamhammer zuständig. Ist ein cooler Job, man hat immer mit interessanten Leuten zu tun, den ganzen Rockhelden eben, und kommt viel rum in der Welt.
Tilo: Ich kam dann ins Spiel, als mich Jens im Januar ‘94 anrief, ob ich nicht vier Wochen später ein Konzert für CHANNEL 3 klarmachen könne, und einen Drummer würde man auch noch brauchen. Das war für mich natürlich der Hammer, schließlich waren CHANNEL 3 unter meinen ersten zehn Punk-Singles. Wir übten dann zweimal, also wir Deutsche, dann kamen Kimm und Mike zum Soundcheck, wir knüppelten das mal durch und dann spielten wir abends das Konzert und nahmen das auch auf – das erschien dann als CD auf Lost & Found und kürzlich als LP auf Re-Force.

Und das ging?

Jay:
Ach, wir hatten bei CH3 so viele verschiedene Musiker, das spielte keine Rolle – Hauptsache, ich, Kimm und Mike wissen, wie die Songs gehen: ‚Hi, nice to meet you, one, two, three, four!‘

Damals gab es GIGANTOR ja schon zwei Jahre.

Jay:
Ja, unser Bandprojekt, das sich weiter entwickelt hat, als wir das jemals geglaubt haben. Aber ich bin froh, dass ich nicht von der Band leben muss, das war schon damals in Kalifornien mit CH3 kaum möglich, und da lebte ich bei meinen Eltern und wir spielten drei bis vier Konzerte in der Woche. Und sowieso, als deutsche Band in Deutschland von der Musik leben, das ist schwer. Nein, da bin ich lieber ‚Rentner‘, habe einen Job, der mir Spaß macht, und spiele nebenher noch in einer Band.

Du hast es angesprochen: GIGANTOR sind in Deutschland bis heute beinahe ein Geheimtip, während ihr in Japan einen Majordeal habt. Und ihr spielt auch nicht gerade oft Konzerte hier, während ihr in Japan richtig auf Tour geht. Komische Welt ist das.

Jens:
Na ja, wir spielen gerne live, aber wir rennen den Konzerten nicht hinterher. Wenn uns jemand haben will, freut uns das aber. Und Japan ist eben alle zwei Jahre eine Art Betriebsausflug. Unsere zweite Single verkaufte Lost & Found damals nach Japan, das machte uns dort bekannt. Vinyl Japan, also die japanische Zentrale des Labels, das man in Europa eher über seine England-Filiale wahrnimmt, hat uns dann kontaktet, ob wir nicht für sie eine Maxi aufnehmen wollen. Wir zögerten erstmal, worauf sie fragten, ob wir in Japan spielen wollen, wir wollten – und dann meinten sie, dann müssten wir die Maxi für sie machen. Na ja, das machten wir auch, die zahlten auch gut Vorschuss fürs Studio. Und so kamen wir 1995 das erste Mal nach Japan, und dann auch noch mal 1996, 2000 und zuletzt 2002.

Wie bekannt, wie groß seid ihr in Japan? Ihr habt ja dort auch einen Deal mit dem Major JVC.

Jens:
Also die Verkäufe sind gut, und wir haben da schon vor 1.000 Leuten gespielt, aber auch vor 100. Im Schnitt kommen aber sicher 300 Leute, wobei in Tokyo an drei Abenden nacheinander so viele Leute kommen.

Wieso gehen die Japaner auf euch ab, die Deutschen nicht?

Jay:
Die Japaner sind ganz andere Fans, die sind musikorientiert, da geht es nicht um Mode. Und die Konzerte sind nicht wie hier Sauffeste, da spielt Alkohol keine Rolle. Die Japaner trinken gerne, aber nicht bei Konzerten, da schauen sie zu.
Jens: Die Konzerte gehen um sieben los, um halb zehn ist Schluss, dann wird durchgefegt und um zehn wieder aufgemacht, dann wird gesoffen.
Tilo: Das sind dann die Aftershow-Partys, da muss der Fan dann noch mal zahlen, 30 Euro oder so, und dann darfst du dich mit der Band an einen Tisch setzen und Bier trinken.
Jens: Wie, so läuft das? Habe ich gar nie mitbekommen!
Tilo: Hehe, ihr wart ja auch die Band.
Jay: Das hat für die Veranstalter auch den Vorteil, dass die Bands nicht saufend und randalierend durch Tokyo laufen, denn die müssen sich um die ganzen Arbeitspapiere kümmern und für die Band gerade stehen.

Was für Leute kommen da zu euren Konzerten?

Tilo:
Nicht nur ein klassisches Punk-Publikum, das sind auch viele Power-Pop-Fans.
Jens: Die Japaner stehen einfach auf melodische Musik, deshalb hatten auch schon die SCORPIONS in den Siebzigern dort Erfolg. Und irgendwie sind das Melodien, die die Japaner selbst so nicht hinkriegen, weshalb ausländische Bands für die eine andere Qualität haben und dort Erfolg haben. Sehr schön ist, dass die Konzertbesucher dort Leistung zu würdigen wissen: Wenn die Band anfängt, kommen die alle nach vorne und gehen ab, wollen bedient werden. Wenn man das das erste Mal erlebt, ist das unglaublich, das ist schon sehr schön für eine Band, und spornt richtig an.

Was japanische Bands anbelangt, so geht es mir wiederum so, dass ich die meistens eher drollig als wirklich musikalisch überzeugend finde. Das mag arrogant klingen, aber so ist es einfach. Woran liegt das?

Jens:
Ich weiß, was du meinst: Viele japanische Bands wirken wie eine Parodie.
Tilo: Das hat was damit zu tun, dass die Japaner alles überziehen: Wenn ein Punker hier einen 20 Zentimeter langen Iro hat, dann muss der in Japan 40 Zentimeter lang sein. Und musikalisch hat man oft das Gefühl, sie nehmen ihre drei Lieblingsbands, schmeißen Emo, Garage und Hardcore in einen Topf und machen ihr Gebräu draus. Bei den Texten sind dann die Strophen oft japanisch, die Refrains und Titel in englisch. Die Japaner gehen dabei viel unbedarfter zur Sache, die machen sich nicht die Gedanken wie wir in Deutschland, jetzt was völlig eigenständiges schaffen zu wollen. Das ist denen völlig egal, und das sieht man auch an den Anzeigen in den Musikmagazinen, wo man sich komplette Szeneuniformen kaufen kann, so ‚Nietengürtel Sid Vicious‘ und so weiter. Da haben die einfach kein Problem damit.
Jens: Ich finde das aber nicht schlimm: Die gehen anders an die Musik ran, sehen und verstehen die anders.
Jay: Ach, für mich ist das alles nur Punk, ob in den USA, Deutschland oder hier.

Letztes Jahr ist schon euer sechstes Album erschienen – was motiviert euch weiterzumachen?

Jay:
Also, unser 2000er-Album ‚Back To The Rockets‘ war unser bisher größter Erfolg, damit hatte ich mehr Erfolg, als je mit einer anderen meiner Punkbands zuvor.
Jens: In Japan haben wir davon über 15.000 Stück verkauft, die ist in den USA auf Rotten Records erschienen, in Deutschland und Europa auf SPV, und in Brasilien passiert auch was. Das motiviert uns.
Jay: Mir gefällt, dass es dabei nur um die Musik geht. Wir sind alle schon etwas älter, ich bin 43, da ist kein Teenie-Aspekt mehr vorhanden.

Und wie läuft das mit dem Songwriting?

Jay:
Seit unser Sänger Gagu den Kopf verloren hat, haha, ist er dafür nicht mehr zuständig. Früher war es so, dass er einen Zettel mit drei verschiedenen Texten angebracht hat und eine MiniDisk mit zehn Riffs. Daraus haben wir dann die Songs gemacht. Irgendwann ist ihm das aber alles zuviel geworden, er ist der einzige wahre Punk hier in der Band, hat jahrelang auf der Reeperbahn in Hamburg gewohnt ... Jetzt hat er eine Freundin in Wuppertal und ist viel dort, hat sich erstmal ein Jahr Auszeit genommen. Und so haben wir anderen drei für die nächste Platte, die im Frühjahr 2004 kommen soll, die Songs selbst geschrieben.
Jens: Das läuft jetzt echt gut, Jay schreibt Songs, Andi und ich auch, klappt auch ohne Gagu, wenn das für ihn okay ist.

Für euch gibt es aber ja nicht nur die Band im Leben.

Tilo:
Jay arbeitet bei SPV, und ich mache das Label, G-Force Records.
Jens: Und ich arbeite in Hannover bei einem Dance-Label namens Peppermint Jam, wo Mousse T. mein Chef ist. Der hat das ‚Sex bomb‘ geschrieben, womit Tom Jones seinen Welthit hatte. Aber die Musik, die dort produziert wird, die höre ich privat natürlich nicht, das ist eben ein Job. Und da das auch alles Leute aus der Musikszene sind, hat da jeder Verständnis, wenn man mal auf Tour geht oder einen Hangover hat, das ist schon angenehm.
Jay: Das ist bei mir nicht anders – erst letztens war das so, nachdem ich am Abend vorher mit Eric Burdon gekifft hatte, hehe, aber was will man machen?

Dann reden wir mal über euer Label, G-Force Records.

Jens:
Auf unsere ‘96er-Tour haben wir eine Single mitgenommen, die haben wir selber gemacht und da habe ich dann kurzerhand G-Force Records draufgeschrieben. Das war übrigens die Single mit dem DICKIES-Sänger, die einzige Aufnahme, die er jemals außerhalb der DICKIES gemacht hat. Und so ging das los.
Tilo: Ich hatte damals gerade bei Lost & Found aufgehört, und so kam eins zum anderen, wobei der richtige Start erst letztes Jahr war, mit den Wiederveröffentlichungen von Jays alten Bands SIMPLETONES und STEPMOTHERS, der CHANNEL 3-Liveplatte und TOXIC REASONS. Davor kleckerte es etwas vor sich hin. Ja, und jetzt wollen wir es richtig wissen, deshalb bringen wir BALZAC raus.

Die sind ja in Japan riesig groß, quasi die japanischen MISFITS. Wie seid ihr an die rangekommen?

Tilo:
Das kam über meinen japanischen Partner von Wizard In Vinyl. Mit dem hatte ich dann ein Treffen mit den Leuten von Disc Union, einer großen Plattenladenkette mit eigenem Label. Meine Idee war, BALZAC zumindest nach Europa importieren zu können.
Jens: Tilo und ich haben die 1998 in einem Plattenladen gesehen und waren sofort hin und weg.
Tilo: Mein Aufhänger war dann die Split-CD, die die letztes Jahre mit den MISFITS gemacht haben. Die wollte ich von denen kaufen, und zwar nicht zu japanischen Phantasiepreisen von 35 Euro, sondern zu einem realistischen Preis. Das sollte also bei diesem Meeting geklärt werden, und in der Nacht davor kam mir dann die Idee, einfach nach einer Lizenz zu fragen, um eine Platte von BALZAC in Europa zu veröffentlichen. Ich sagte das zu meinem Kumpel, der alles übersetzen musste, und der meinte nur, ich spinne – und hatte dabei vor Angst geweitete Augen. Man muss einfach sehen, dass BALZAC in Japan eine der größten Indiebands sind – die sind sogar in den Top 20. Bei dem Meeting fragte ich dann nach der Lizenz, woraufhin unser Gesprächspartner erstmal seinen Chef anrief, und zwei Minuten später saß der Labelmanager bei uns am Tisch. Tja, dann erzählte ich, was ich für Ideen habe, und den ganzen geschäftlichen Rest machte dann Jens, in seinem Job ist er für solche Lizenzdeals zuständig und kennt sich entsprechend gut aus. Das ist halt eine andere Liga, als einer Band fünfzig Freikopien anzubieten. Und so haben wir jetzt dieses Album für Europa – und auch schon ordentlich Bestellungen aus Japan.

Aus Japan?!

Jens:
Ja! Denn dieses Album erscheint nur im Ausland, das ist ein ‚Best Of‘-Album, für das allerdings alle Songs neu aufgenommen wurden. Abgesehen davon ist es in Japan sowieso üblich, und nicht nur bei BALZAC, dass Bands ihre eigenen Songs immer wieder neu aufnehmen.
Tilo: STAR CLUB etwa, in Japan eine der größten Bands, haben ihren Hit ‚New punks‘, den GIGANTOR mal gecovert haben, in 17 verschiedenen Versionen aufgenommen.
Jens: Das Schöne an BALZAC ist ja, dass die sich alleine schon über die ‚Verpackung‘ verkaufen: Das ist so eine Band, wo Leute das Foto sehen und sofort sagen ‚Wow, muss ich haben!‘. Die sind musikalisch natürlich auch okay, aber die optische Seite spielt eine wichtige Rolle.

Habt ihr denn Pläne für eine Europatour?

Jens:
Ja, da sind wir gerade dran, für November oder Dezember. Derzeit sind die in den USA mit den MISFITS unterwegs, auf dieser ‚Misfits Fiend Fest‘-Tour mit MISFITS, DAMNED, DICKIES, D.I., AGNOSTIC FRONT und BALZAC, die Jerry sich ausgedacht hat. Die ganzen Irren auf einem Haufen sozusagen, hahaha.
Tilo: In den USA wird ‚unser‘ Album übrigens auf dem Label der MISFITS erscheinen, natürlich mit kleinen Variationen, wie sich das bei einer japanischen Band gehört. Dafür haben wir bei der Erstauflage noch eine DVD dabei, das Auge isst ja bekanntlich mit, gerade bei dieser Band.

Jay, wie viel Überzeugungsarbeit musste Tilo aufwenden, damit er deine Platten wiederveröffentlichen durfte?

Jay:
Haha, er fragte mich eben, und da habe ich Posh Boy Records angerufen, mit denen ich seit damals immer in Kontakt geblieben bin. Ich habe denen gesagt, mein Kumpel wolle die Sachen rausbringen, da werde alles fair abgerechnet, und so kam der Deal dann zustande.

Ein fairer Deal mit Posh Boy? Da gibt es auch Bands, die das anders sehen.

Jay:
Das Problem ist, dass viele Bands glauben, was andere erzählen. Und so sind sie der Meinung, sie seien Rockstars und hätten Unmengen Platten über Posh Boy verkauft. Aber nur weil viele Leute den Namen SHATTERED FAITH kennen, heißt das noch lange nicht, dass da auch viele Platten verkauft wurden und werden. Da sind oft der Name und die Legende größer als die Verkaufszahlen. Und wie das Label dann größer wurde, wurde Robbie Fields immer mehr zum Feind. So richtig gut verkauft hat sich auch eigentlich immer nur AGENT ORANGE – und da dürfte Mike Palm auch zufrieden sein, oder auch nicht.

Was sind die weiteren Pläne mit G-Force?

Tilo:
Nach BALZAC wird es auf dem Sublabel Re-Force verschiedene Wiederveröffentlichungen von Bands aus Hannover und Umgebung geben. Geplant sind MOTTEK, eine alte Band aus Hildesheim, die ich schon immer mochte. Dann wird es eine Wiederveröffentlichung der ersten CRETINS-Single ‚Samen im Darm‘ geben, die erste Platte von Jens mit PHOSPHOR, ‚Der Schokoladenbürger‘ ...
Jens: ... und neulich waren wir bei Michael Polten, der damals das No Fun-Label gemacht hat, und haben uns geeinigt, dass wir No Fun-Platten neu auflegen können. Das heißt, wir werden auf jeden Fall die erste HANS-A-PLAST-LP machen. Und auf G-Force wird in Kürze eine weitere Split-7“ von GIGANTOR erscheinen, diesmal mit FUZZBUBBLE. Geplant ist außerdem noch eine alte Platte, bei der Jay mitspielt, CHILD ABUSE.
Jay: Das war kurz vor den SIMPLETONES, das war meine erste Punkband. Da gibt es noch ein altes Proberaumtape. Und zu der Zeit war ich auch in einer Band mit den Stern-Brüdern Mark und Shawn, die hieß THE EXTREMES. Da hatte ich meinen ersten Auftritt in Hollywood, und für die beiden war es ihr erster Gehversuch in Sachen Punk.
Tilo: „Das war noch vor YOUTH BRIGADE, und vor den EXTREMES haben die auch noch so ganz seltsam experimentelle Casio-Musik gemacht. Und davon abgesehen haben wir noch eine Menge anderer Ideen, und so lange wir der Meinung sind, das ist gut, werden wir das auch unabhängig vom Musikstil rausbringen.