Christmas Control

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Tipps für den weihnachtlichen Plattenteller

Das Schlimmste am Winter ist die Kälte. Die hat nur einen einzigen Vorteil: Beim Outdoor-Biertrinken auf dem Weg zum Konzert und beim Lagern des Einschmuggel-Bieres vor der Konzerthalle braucht man sich um Kühlung desselben nicht zu kümmern. Wer wie ich den Ehrentitel „König des kalten Bieres“ trägt, weil er des Sommers nie ohne aufgeladenen Kühlakku an der Pulle anzutreffen ist, weiß das nicht wenig zu schätzen.

Kann ich auf diese klimatische Eigenschaft des Winters ansonsten auch leichten Herzens verzichten, hat die letzte und erste Jahreszeit im Anno allerdings eines noch mehr zu bieten: Weihnachten! Wenn in den Fenstern Lichterketten blinken und im Fernsehen endlich wieder mein Lieblingsweihnachtsfilm mit meinem Lieblingskomiker Chevy Chase wiederholt wird, dann hab ich nämlich direkt super Laune. Freilich steht und fällt die ganze heilige Stimmung mit der richtigen Musikauswahl für den Advent. Regelmäßige Ox-Leser wissen, dass hierzu seit einigen Jahren in der Weihnachtsausgabe unseres Punk-Periodikums regelmäßig nützliche Tipps von mir formuliert werden. So auch diesmal. Um den neu hinzu gekommenen oder Gelegenheitslesern einen umfassenden Überblick über das Gesamtangebot des Empfehlenswerten zu geben, habe ich den Einzelnbesprechungen persönlicher Neuentdeckungen diesmal eine Liste empfehlenswerter Alben hinzugefügt, die bereits in den zurückliegenden Ausgaben gewürdigt wurden. Bei Interesse an einer stimmungsvoll arrangierten Weihnachtszeit, sollten diese Veröffentlichungen unbedingt berücksichtigt werden.

BOBBY SHERMAN „Christmas Album“
Schon mal was von dem gehört? Von Bobby Sherman? Also ich auch nicht. Dennoch hab ich zugegriffen, als mir diese Platte bei einem prominenten Internetauktionshaus angeboten wurde. Gründe waren geringes Investitionsvolumen und ein ausgesprochen ansprechendes Cover. Kepi von den GROOVIE GHOULIES (is ‘n Kumpel von mir) hat mich schließlich über diesen Künstler informiert: Soll so ein schleimiger Teeniestar in den 70ern gewesen sein, so ‘ne Art David Cassidy. Hört sich erstmal nicht gut an. Aber was soll ich sagen, da entpuppt sich die Scheibe doch als grandiose akustische Pfeffernuss: 70er Jahre Mainstream-Pop trifft hier auf exzellenten Orchestersound mit tollem Bläsergetröte, wie man es auch von Aufnahmen bekannter Swing-Crooner kennt. Ein dickes Plus verdient die Scheibe zudem, weil hier der Prozentsatz gelungener Neukompositionen frischen Wind ins ewige White Christmas-Einerlei bringt. Klar, auch hier sind ein paar Oberschleimer vertreten, und wenn Bobby seine Blagen-Freunde ins Studio bittet, um mit ihm zusammen ins Mikro zu krähen, kommt einem schon mal der Glühwein hoch. Dann sollte man die Nadel schnell retour zum ersten Song flippen, denn Shermans „Jingle Bell Rock“-Version ist eine der besten und lässt bei flottem Groove flugs wieder fröhlich die Backen glühen.

JAMES BROWN „Funky Christmas“
Dass der olle Godfather von Funk und Soul auch mal gerne im Nikolauskittel abgroovet, hätten sicherlich die wenigsten von euch Spackos gewusst, was?! Aber hallo! Weihnachten hat bei Browns James sogar einen fetten Stein im Brett. Gleich zwei Christmas-Scheiben hat der schwatte Schwerenöter nämlich eingespielt, eine ‘66, die andere ‘72. Und wer Mr. Sex Machine kennt, weiß, hier gibt‘s nicht das übliche heilige Tralala, sondern zu Soul und Gegroove auch coole Songtitel: „Santa Claus go straight to the ghetto“ etwa, oder „Go power at christmas“. Dass diese vorliegende Compilation mit Material beider LPs folglich grandios ist, braucht hier also wohl kaum ausdrückliche Erwähnung zu finden. Aber jetzt kommt‘s: Dies Scheibchen wurde letztes Jahr doch tatsächlich für lumpige 3 Euro (das sind gerade mal 1,50 DM!) auf dem Wühltisch bei Karstadt verhökert! Ist das ein Hammer?! Die müssen doch bekloppt sein, aber uns soll‘s um so rechter sein, was?! Also, Jungs und Mädels, die ihr einen gepflegten Funkstomper nach der Christmette zu schätzen wisst: Auf die Socken gemacht und nachgeguckt, ob die noch ein paar von den preiswerten Schätzchen haben!

DIANA ROSS &THE SUPREMES „Merry Christmas“
Wo hier gerade von Soul die Rede ist: Auch die Damenwelt weiß dazu ein musikalisches Kerzchen zu entzünden. Die Supremes trieben‘s dabei natürlich nicht so ungehemmt wie der Funkgott, aber Groove fand auch bei den Motown-Ladies im schönen Jahr 1965 seinen Weg in die Season‘s Greetings. „Santa Claus Is Coming To Town“ etwa geht ab wie ein Tannenzapfen und füllt jeden weihnachtlichen Dancefloor. Auch das mir bis dato unbekannte „Little Bright Star“ hat einen flotten Beat zu bieten und reißt mich mit seinem animierenden Rhythmus immer wieder gerne aus meinem adventlichen Besinnlichkeitsnirvana. Ansonsten gibt es auf dieser beim Weihnachtsspezialisten „Spectrum“ erschienenen Compilation viel festliches Pathos mit dick aufgetragener Produktion. Das geht manchesmal mächtig in die Hose – z.B. beim unerträglich jubilierenden „Joy To The World“ – weiß aber, etwa in Form von „Silver Bells“, mit klingendem Zuckerguss recht Rudolph-gleich die Nase zu röten.

BERT KAEMPFERT „Christmastide with Bert Kaempfert“

Am 16. Oktober diesen Jahres wäre Bert Kaempfert 80 Jahre alt geworden. Mein Lieblings-Rundfunksender WDR 4 hat zu diesem Anlass löblicherweise eine Sondersendung im Rahmen der Reihe „Swing muss dabei sein“ ausgestrahlt. Ich habe mir diesen Radiobeitrag auf eine Kassette (Position Normal) aufgenommen und war hoch zufrieden. Ein toller Querschnitt aus dem Schaffen des Hamburger Bandleaders wurde hier geboten, und dazu wurden auch produktionstechnische Tricks und Finessen des legendären Kaempfert-Sound erläutert, wie z.B. der typische „Knack-Bass“. Weihnachtssongs wurden indessen nicht gespielt, das war den Verantwortlichen wohl noch zu früh. Mir hat das nichts ausgemacht, besitze ich doch (endlich) Berts fantastische Arbeit zum besinnlichen Thema. Was soll ich sagen: Easy Christmas-Listening at it‘s fuckin best gibt es hier an die vom Punsch geröteten Ohren. Wer es gemütlich mag wie ich, der muss diese LP einfach sein Eigen nennen, denn bei Songs wie „Holiday for bells“, „Christmas Wonderland“ oder „Jumpin‘ Jiminy Christmas“ wird die Feuerzangenbowle unbesehen zur Koksline und meterweit fliegen die Pantoffel durch das Wohnzimmer. Wow!

THE VENTURES „Christmas Album“
Lange habe ich nach diesem grandiosen Teil gefahndet, bis es mir in der letztjährigen Saison kurz vor‘m Fest-Anpfiff noch ins Netz ging. Christmas für Surferboys lautet hier die Devise - ein Genre, das auf andere Weise ja auch die BEACH BOYS recht gelungen beackert haben. Während letztere jedoch gewohnt vielstimmig dem Nikolaus gehuldigt haben, regiert bei den Instro-Surfern der Twang. Zwölfmal gibt es hier zu flottem Surfbeat und Reverbsound klingende Glöckchen im Hintergrund. So hat man die einschlägigen Weihnachtsklassiker wie „Jingle Bells“, „Sleigh Ride“ etc. noch nie gehört. Hier dürfen sich auch mal diejenigen von euch rantrauen, die ansonsten Pickel kriegen, wenn‘s um Schneeflöckchen und Weihnachtsbäume geht. Um so mehr, weil die VENTURES auch eine witzige Brücke zur (damaligen) Popmusik bauen: Jeder der 12 Songs beginnt nämlich mit 2, 3 Takten anderer, gänzlich unweihnachtlicher Songs, die in den 60‘s so die Charts bestimmt haben. „Frosty The Snowman“ etwa startet als „Tequila“, „Jingle Bell Rock“ als „Memphis Tennessee“ usw.. Großartige Scheibe der VENTURES also, doch Vorsicht ist beim Kauf geboten: Die reunierte Band soll jüngst eine neue Platte zum Christfest eingespielt haben. Ob die was taugt, da sind zumindest geharnischte Zweifel angebracht!

Weitere Top Weihnachts-Alben:

PHIL SPECTOR „Christmas Album“
ELVIS PRESLEY „Sings the Wonderful World of Christmas“
DEAN MARTIN „Christmas Album“
HERB ALPERT & the TIJUANA BRASS „Christmas Album“
SMOKEY ROBINSON & THE MIRACLES „Christmas with the Miracles“
JIM REEVES „12 Songs of Christmas“
JAMES LAST „Christmas Dancing“
Weihnachten & JAMES LAST
BOOKER T. & THE MG‘S „In the Christmas Spirit“
BEACH BOYS „Christmas Album“

Übrigens: Weihnachten ist dieses Jahr schon am 22.12. Dann lege ich nämlich mit meinem Kumpel Frank all die heißen Weihnachtsscheiben im „Druckluft“ in Oberhausen auf die Teller - Eintritt frei!