Norwegen, wer denkt da nicht ausschließlich an Rock und TURBONEGRO? Zum Beispiel Leute wie ich, und das gerade dann, wenn einem eine Band wie aus Oslo die Erinnerung an die Zeiten von LIFE... BUT HOW TO LIVE IT?, SO MUCH HATE und Konsorten wiedergibt. Grund genug, Roger von DRUNK ein paar Fragen zu stellen - deren Beantwortung wegen eines Unfalls jedoch reichlich lange auf sich warten ließen.

Wie schafft es ein Gitarren-Genie wie du, sich die Finger zu brechen?

Ähh, also diese Story ist wirklich zu blöd: Hast du "Matrix" schon gesehen? Also, ich habe den Film unmittelbar nach seinem Start in Oslo gesehen und es war total grossartig. Danach ging es zu einem Konzert, das - wie fast immer - in einer wilden Party endete. Auf dem Rückweg eines zwischenzeitlichen Tankstellenbesuchs hatten dann die vorher eingenommenen Substanzen Überhand gewonnen, und ich habe völlig die Kontrolle verloren. Ich glaube, ich habe noch etwas gerufen wie "Es ist nicht echt, es ist nur die Matrix!" und bin dann aus dem fahrenden Auto gesprungen. So etwas zu machen, ist bekanntlich eine unkluge Sache, glücklicherweise habe ich nur ein paar gebrochene Finger davongetragen.

Nicht jeder Ox-Leser ist mit Bands wie LIFE... BUT HOW TO LIVE IT? aufgewachsen. Stell dich und die anderen doch mal kurz vor.

Seit 1984 spiele ich in verschiedenen Bands wie BARN AV REGNBUEN, CAPTAIN NOT RESPONSIBLE und eben LIFE... BUT HOW TO LIVE IT? LIFE... existierte von 1988 bis 1994 und in dieser Zeit tourten wir ständig durch Europa. It was a hell of a lot of fun! Jetzt sind wir älter, die meisten von uns haben Kinder, weshalb wir mit DRUNK nicht so viel touren. Zwar stecken wir eine Menge Zeit in die Band, das Level von LIFE... werden wir aber nicht erreichen. Tom, unserer Bassist spielte mit mir bei LIFE..., Finn-Erik spielte schon bei SO MUCH HATE und BANNLIST Schlagzeug, Per Arne, unser zweiter Gitarrist, spielte bei diesen beiden Bands Bass. Im Grunde haben wir heute die gleiche Besetzung wie vor 5 Jahren, als wir alle außer Baard, dem Sänger, in einem Haus zusammenlebten, dort die "Allah Akk Bar" betrieben und zum Spaß eine Art "Hausband" am Start hatten: 49 CRASH, die also fast identisch mit DRUNK sind.

Wenn ich an norwegische Bands denke, denke ich ans "Blitz", dieses besetzte Haus und alternative Kulturzentrum. Was ist aus dieser berühmten Institution geworden?

Das Blitz lebt auch heute noch, und zwar sehr auffällig! Allerdings haben jüngere Generationen die älteren verdrängt, weshalb die Verhältnisse dort schon etwas anders aussehen als vor zehn Jahren. Ich finde es klasse, dass die Kids jetzt das Haus übernommen haben: Wäre es nicht schlimm, wenn immer noch meine Generation von Punks diesen Laden machen würde? Die Zeiten ändern sich, auch ein Haus wie das Blitz muss sich verändern, um auf Dauer eine Bedrohung für seine korrupte soziale Umgebung darzustellen. Die Kids brauchen Rebellion, und wenn ein Squat zu "bürgerlich" wird - weil die Leute dort zu alt und bequem werden - schauen sich die Jungen eben nach anderen Sachen um, wo sie ihre überschüssige Energie loswerden können. Da ist es doch besser, wenn eine Szene wie die unserige damals verdrängt wird und nicht etwa aus falsch verstandener Nostalgie alte Gewohnheiten aufrechterhalten werden.

Das heißt also, nicht das Blitz ist verschwunden, sondern die Szene, die einst mit Bands wie SO MUCH HATE eure Ideale bekannt gemacht hat?

Ja genau, wir haben es also nicht mit einem Niedergang zu tun infolge von politischer Resignation, sondern mit einem Umwälzungsprozess, der dafür gesorgt hat, dass das Haus für ein paar Jahre etwas unsichtbar wurde für euch in Deutschland. Heute laufen wieder eine Menge Aktivitäten, Konzerte, Politik und so weiter. Ich bin gespannt, wie sich es in den nächsten Jahren entwickelt, Vertrauen in die Kids habe ich auf jeden Fall!

Vielleicht ist dieser Umwälzungsprozess ja dafür verantwortlich, weshalb norwegischer Hardcore etwas unterrepräsentiert war in den vergangenen Jahren. Was denkst du über den Rock-Hype der letzten Zeit?

Ich verachte den durchschnittlichen Konzertbesucher, der sich dieses totale Modeding reinzieht. Es hat nichts mit Punkrock zu tun! ROCK´N´ROLL-HYPE-CRAP PLAYED BY RICH KIDS FROM THE WESTSIDE OF OSLO! Aber wenn die Leute wirklich AC/DC-Klonbands wie GLUECIFER sehen wollen... bitte, jeder kriegt das, was er verdient. Jedenfalls ist das für mich 70er Jahre Musik - und ich dachte immer, Punkrock wäre aus Rebellion gegen diese Mucke entstanden. TURBONEGRO habe ich zwar schon immer geschätzt, aber mittlerweile bevorzuge ich AQUA. Deshalb auch unser "Dr. Jones"-Cover. Lene kicks ass!!!

Aber wenn ich eure Musik höre, bemerke ich schon, dass dieses Rockding nicht spurlos an euch vorbeigezogen ist... "Drunkrock" wäre eine gute Schublade für euren Stil.

Klar, ein leckeres Bier in guter Gesellschaft verachtet niemand von uns, und unsere neusten Stücke hast du ja noch gar nicht gehört. "Drunkrock", hmmh, warum eigentlich nicht? Jedenfalls ist es eine Zeit her, dass wir ein gutes deutsches Bier getrunken haben.

Wie schaut es denn mit eurem Publikum aus. Ist das noch vergleichbar mit den LIFE...-Zeiten?

Hier in Norwegen ist der Punkrock nach wie vor sehr lebendig. Das DRUNK-Publikum ist allerdings immer sehr gemischt: alte Punks, junge Hardcorefreaks, Skins, Skater, Hippies etc, und vor allem ein gesunder Geschlechter-Mix. Unsere Musik ist halt gut tanzbar, es gibt keinen harten Pogo, niemand geht das Risiko ein, verletzt zu werden, wenn er vor unserer Bühne steht. Also irgendwie ist es wie immer schon, nur dass wir halt etwas älter geworden sind.

Was habt in Zukunft vor? Irgendein Longplayer geplant?

Um Weihnachten rum werden wir eine Minitour in Deutschland durchziehen, also Kiel, Hamburg, Flensburg, aber auch ein paar Termine in der Mitte. IT´LL BE A BLAST FOR SURE!!! An einer LP arbeiten wir übrigens auch: Vorher gibt es noch eine Split-LP mit den Kanadiern GOATBOY auf dem Label Fans Of Bad Productions Records. Hoffentlich klappt das alles terminlich vor unserer Tour!

Was macht Katja eigentlich heute so...?

Ich sehe sie nicht regelmäßig, ab und zu treffen wir uns auf ein Bier, mehr aber nicht. Musik macht sie momentan aber nicht, schade, bei ihrer wunderbaren Stimme! Aber vielleicht kommt sie noch mal wieder.

Zu guter Letzt: Wie kommt man dazu, seine Band DRUNK zu nennen, wo Alkohol doch so teuer ist in Norwegen?

Warum nicht?

Äh, klingt logisch.