OLLI SCHULZ & DER HUND MARIE

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Unten mit dem King

Auf der Suche nach neuer Musik, ohne konkrete Vorstellung, was es denn so sein sollte, bin ich zufällig auf die erste Platte von Olli Schulz gestoßen. Ein Konzertbericht einer Bekannten machte mich hellhörig. Sie sagte, sie sei im Kölner Underground auf einem Konzert von ihm gewesen, und es war ein sehr amüsanter Abend, da der Typ aus Hamburg zwischen den Songs immer so lustige Alltagsgeschichten erzählt habe und die Stimmung nicht unbedingt der auf einem üblichen Konzert glich, sondern eher was von angenehmer Wohnzimmeratmosphäre hatte. „Zudem ist Olli Schulz sehr sympathisch“, sagte sie, und ich merkte mir ihre Worte. Zwei Wochen später hörte ich zum ersten Mal das Album, allerdings nicht bewusst, sondern nebenher auf der Arbeit im „geilen Geizmarkt“, und nach dem zweiten Song war mir, als hätte ich ein Licht am Ende des gerade erst begonnenen Weihnachtsgeschäftstunnels gesehen. Selbst einigen Kunden konnte man ansehen, dass sie sich scheinbar kurzweilig amüsierten. Lange Rede, kurzer Sinn. Album gekauft, und es folgte noch mehr Begeisterung. In Zeiten der um sich greifenden Verstumpfung des allgemeinen Musikgeschmacks unter Bohlens Herrschaft ist man einfach froh, wieder mal Musik à la Olli Schulz zu hören. Ein kleines Debütalbum mit dem grandiosen Titel „Brichst du mir das Herz, dann brech‘ ich dir die Beine“ hat mich nicht nur an diesem Tag einmal mehr gerettet. Zur persönlichen Danksagung und dem kleinen Interview kam es dann vor dem Bürgerhaus Stollwerk in Köln in Ollis Wagen.

Olli, da ich nicht weiß, wie viele unserer Leser dich schon kennen, wäre es nett, wenn du dich einfach mal kurz vorstellen könntest.


„Ich bin Olli Schulz, gebürtiger Name Oliver Marc Schulz, ich bin 29 Jahre alt und habe gerade vor einem halben Jahr eine Platte aufgenommen, die kürzlich bei Grand Hotel van Cleef erschienen ist.“

Wie sah dein Leben denn vorher so aus? War das schon immer dein Plan, Musik zu machen?

„Um es kurz zu machen: Mein Leben ist bis jetzt ziemlich bunt gewesen. Ich habe mal sechs Semester Medienwissenschaften studiert, dann abgebrochen. Um das Studium zu finanzieren, war ich Bühnenbauer und Konzertbegleiter bei verschiedenen Bands. Das hab ich dann auch jahrelang hauptberuflich gemacht, und hatte eigentlich nie Ambitionen Musiker zu werden. Doch dann kam irgendwann Markus Wiebusch vom Label auf mich zu, ein jahrelanger Freund von mir, und meinte: ‚Du schreibst schon so lange Songs, die ganz gut sind, und wenn du Bock hast, bezahlen wir dir eine Platte.‘ Dann hab ich noch Max, der ‚Hund Marie‘, kennen gelernt, der die Songs mit mir ausgearbeitet hat. Und ich dachte, dass ich mir so eine Chance nicht entgehen lassen kann. Ich hatte schon immer mal Lust, eine Platte aufzunehmen, weil ich über Jahre Songs geschrieben hatte, die eigentlich nicht für die Öffentlichkeit bestimmt waren. Entweder habe ich die geschrieben, wenn ich von irgendwas angepisst war, oder wenn mich etwas stark berührt hat. Ich habe die natürlich auch mal Leuten vorgespielt, aber es war nie mein Anliegen, damit irgendwie durchzustarten oder so was.“

Was bedeutet dir das Album denn jetzt, da es fertig ist? Ich denke da an so viele andere Bands, die sich für ein Album abrackern und alle Kosten selber tragen.

„Ich muss ehrlich sagen: Ich habe total viel Glück gehabt! Ich habe bei WIR SIND HELDEN im Vorprogramm gespielt, die zwar nicht so ganz meine Fall sind, aber halt gerade total angesagt sind. Dann habe ich für Paul Weller das Vorprogramm gemacht und mit KETTCAR eine Tour gespielt. Das kam halt auch ganz gut an, da ich auf der Bühne gerne Entertainer-mäßig die Leute unterhalte. Das Album kann ich selbst kaum hören. Ich bin einfach keiner, der seine eigenen Platten hört. Irgendjemand hat auch mal gesagt: Eigene Musik hören ist wie das eigene Sperma zu schlucken. Ich kenne die Songs halt in- und auswendig. Ich bin da etwas gespalten: Natürlich stehe ich zu den Songs, aber andererseits bin ich so ein Typ, der nie zufrieden ist. Aber im Grunde bin ich natürlich schon stolz, das Album fertig zu haben.“

Mal eine Frage zu den Songs selbst: Wie sind die denn eigentlich entstanden? Wie stark verarbeitest du in den Liedern deine persönlichen Erfahrungen?

„So ein Song wie ‚Weil die Zeit sich so beeilt‘ handelt von einer Beziehung, die mir viel bedeutet hat, aber nach der Trennung hat es unheimlich weh getan. Das wollte ich aber festhalten, da man auch immer älter wird, und einfach viel zu viele Sachen vergisst, die einem mal was bedeutet haben. Bei ‚Unten mit dem King‘ hatte ich einfach Bock, ROCKET FROM THE CRYPT rein zu bringen, eine meiner absoluten Lieblingspunkrockbands aller Zeiten, und das dann mit einem Lied zu verbinden. Und ‚Rock‘n‘Roll-Lifestyle‘ ... Na ja, ich bin echt Punkrockfan, und früher war ich auch sehr oft auf Hardcore-Konzerten, aber inzwischen trägt in Hamburg jeder Dritte eine TURBONEGRO-Jacke und hat ein Flammentattoo auf dem Arm. Ich habe nichts gegen Tätowierte und auch nichts gegen TURBONEGRO. Aber jeder will so furchtbar individuell sein will, und dennoch sehen sie wieder alle gleich aus.“
Wie wichtig sind denn generell „Comedy-Elemente“ bei deiner Musik?
„Jeder hat so seinen Weg, bestimmte Dinge zu verarbeiten, und ich habe einfach keinen Bock in Selbstmitleid zu verfallen und immer eine Trantüte zu sein. Ich verarbeite die Sachen lieber mit Humor, auch wenn man mal ein gebrochenes Herz hat. Ich mache halt auch kein Stück, in dem ich singe, dass dieser Staat scheiße ist – das ist einfach zu platt für mich. Mich interessiert vielmehr meine Umgebung und was mich berührt. So was will ich es rüberbringen, darin sehe ich meine Aufgabe, und nicht in irgendeiner Form von Systemkritik, wie es schon Tausende vor mir gemacht haben.“

Das niedliche Albumcover hat eine Frau namens Britt-Ira Broska, die Gewinnerin des Mal-Wettbewerbs „Postkarte mit Herz“ gestaltet ...

„Nein, das war nur eine Verarschung. Gemalt hat die ganzen Tiere auf dem Cover Wilhelm Eigener, der ist aber schon tot. Eine Freundin von der Britt hat das alles zusammengestellt. Ich bin mit meiner Freundin auf einem Flohmarkt gewesen, und da haben wir dann dieses Kinderbuch mit den Tierbildern gesehen. Ich wollte für das Cover was machen, was eigentlich total uncool ist, aber irgendwie ehrlich. Ich hatte schon immer eine Faszination für Tiere, und ich hab auch selbst einen Hund und eine Katze. Tiere sind einfach so ehrliche Lebewesen, und auch wenn sich das jetzt was plump anhört, aber es sollte halt ein bisschen wie ein Kinderbuch aussehen. Ich hatte keinen Bock auf so ein Poserfoto vorne drauf, das ist einfach nicht meine Mentalität.“

Sehr hübsch auf jeden Fall.

„Viele finden das aber auch potthässlich.“

Eine Frage zu Nora Tschirner von MTV. Ist das eine Bekannte von dir, oder warum ist die mit auf der Platte drauf?

„Nora hat einfach eine sexy Stimme und ist ein ganz charmantes Mädchen. Ich habe sie vor zwei Jahren mal bei einem Auftritt in Berlin kennen gelernt. Sie kam danach zu mir und meinte, es wäre voll super gewesen, und dann haben wir uns angefreundet. Wir treffen uns immer, wenn ich mal in Hamburg oder Berlin bin, und bei den Aufnahmen in Hamburg vor einem halben Jahr war sie auch. Ich wollte unbedingt einen Dialog zu dem Song ‚Küss mich schnell, bevor du platzt‘, damit man versteht, worum es dabei geht.“

Da schließt sich direkt die Frage an: Kann die Gute wirklich so viel essen?

„Nee, es geht ja nicht um irgendeine dicke Frau, sondern um ein Mädchen, in das ich mal total verknallt war. Wir saßen immer auf dem Sofa zusammen, und bevor wir uns küssen konnten, hat sie sich immer umgedreht, und war so verlegen, weil sie wohl nicht wusste, was sie machen sollte. Sie hat dann immer gesagt: Ich gehe mal in die Küche und mach uns noch was zu essen. Sie hatte in der Ecke immer eine Gitarre stehen, und ich dachte irgendwann: Jetzt oder nie, und hab dann dieses Lied gesungen. Sie hat angefangen zu lachen, und dann haben wir doch noch geknutscht. Ich habe das mit Nora dann nachgespielt, weil sie schauspielerisches Talent besitzt und ich sie gerne mag – nicht weil sie MTV-Moderatorin ist bzw. war.“

Würdest du dein Album eigentlich zu einer bestimmten „Hamburger Szene“ zählen?

„Letztens hat mir jemand gesagt, dass ich so ähnlich klingen würde wie KETTCAR, aber ich finde das nicht unbedingt. Die schreiben auch eine ganz andere Art von Texten. Ich schätze sie sehr, denn es sind auch Freunde von mir, aber ich habe ein anderes Anliegen. Ich will kleine Alltagssachen machen und Leute unterhalten können, ihnen ein kleines Lächeln ins Gesicht zaubern. Das versuche ich jedenfalls, ob es klappt, ist eine andere Sache. Ich bin auch kein ambitionierter Musiker, sondern das kommt alles eher aus dem Bauch.“

Wie gefällt es dir denn eigentlich momentan in Deutschland, ich meine gesellschaftlich wie musikalisch?

„Es gefällt mir in Deutschland gerade nicht unbedingt, aber ich bin hier nun mal geboren, und man muss der Realität ins Auge sehen. Du wirst woanders auch nicht glücklich, wenn du nicht mit dir selbst zufrieden bist. Du wirst auch das andere Land nicht verändern können, und dort genauso deine Probleme haben. Wenn du hier lebst, musst du dich den Tatsachen stellen, und wenigstens versuchen, Flagge zu zeigen. Wenn du es nicht machst und hier aussteigst, dann ist das okay, und man muss es akzeptieren. Mein Anliegen ist es einfach ehrlich zu sein. So Helden wie Dieter Bohlen, Boris Becker u.a. sind einfach ein Armutszeugnis für dieses Land, und ich versuche, mit meiner Musik dem entgegen zu wirken. Ich hoffe, es gibt noch andere, die die Leute versuchen davon zu überzeugen, dass es noch was anderes gibt, als so singen zu können wie Maria Carey.“

Was wünschst du dir für 2004? Gibt‘s ein neues Album?

„Ich bringe wohl erstmal noch eine EP raus, da ich schon wieder massig Songs geschrieben habe. Ansonsten wünsche ich mir, dass sich die TOTEN HOSEN endlich auflösen, haha. Und wenn ich mal als Musikfan reden darf, der seit seinem 14. Lebensjahr der Industrie all seine Kohle in den Arsch gesteckt hat, wünsche ich mir, dass die ganzen großen Plattenfirmen völlig zu Grunde gehen, weil sie nur noch irgendwelchen Scheiß wie die EMIL BULLS oder GUANO APES signen. Ansonsten würde ich die neue Platte gerne wieder mit Sven Meyer aufnehmen, dem Produzenten von TOMTE und meiner jetzigen Platte. Der ist erst 29 und macht echt tierisch gute Arbeit. Ohne den würden die Platten einfach nicht so toll und charakteristisch klingen. Ansonsten möchte ich noch eine Tour machen, und würde mir einfach wünschen, dass ich nächstes Jahr mit der Musik einigermaßen über die Runden komme, damit ich das weiter machen kann, was mir am meisten Spaß macht.“