TERJE GRUBE

Foto

Und noch ein Interview! Terje Grube lernte ich als Tourfahrer der TURBO AC‘s kennen, beim gemeinsamen Frühstück nach dem Ox-Festival im April 2003 wusste er eine Menge lustiger Geschichten zu erzählen, und so war er meine erste Wahl, als es darum ging, mal ein paar BackgrouAnd- bzw. besser Backstage-Infos in Sachen Sound und Tourfahrerei zu erfragen.

Bitte stell dich kurz vor: Wer bist du, was machst du? Wie bist du zu deinem Job gekommen?


„Ich heiße Terje Grube, wohnhaft in Flensburg, und bin selbstständiger Tontechniker und Tourbegleiter. Ich wohne seit über zehn Jahren in einem alternativen Wohnprojekt in Flensburg. Das Projekt beinhaltet auch einen Veranstaltungsraum mit eigener Beschallungsanlage. Damals haben zwei meiner Mitbewohner diese Anlage betreut, und ich habe begonnen, mich für die spannende Materie des Live-Sounds zu interessieren. Durch zugucken, Anlage auf- bzw. abbauen und reparieren, habe ich mein Wissen immer weiter ausgeweitet. Im Februar ‘97 wurde mir dann mein erster Job als Tontechniker im Kulturzentrum Volksbad in Flensburg angeboten, den ich das erste halbe Jahr als 610-DM-Job und danach vier Jahre als SAM-Kraft vom Arbeitsamt ausgeführt habe. Ende 2001 habe ich dann ein Nebengewerbe parallel zur Arbeitslosigkeit angemeldet und meinen Job im Volksbad auf diese Weise bis zur Gründung meiner Firma fortgesetzt. Parallel dazu haben ein Freund von mir und ich über Jahre Tourbusse betrieben und Band-Touren begleitet, zum Beispiel DIE 116, NO REDEEMING SOCIAL VALUE, CIA ... Ende 2000 habe ich dann per Zufall Mutti von Muttis Booking kennen gelernt, der mir in den folgenden Jahren bis heute immer wieder Touren anvertraut hat, darunter AMULET, THE PEEPSHOWS, CELLOPHANE SUCKERS oder TURBO AC‘S. Seit einiger Zeit bin ich nun auch als fester Live-Mischer bei SMOKE BLOW dabei.“

Und deine Firma? Wann und wo, und von wem wurde sie gegründet? Wie fing es an? Wie klein/groß war sie damals, wie groß ist sie heute?

„Meine Firma ‚Sound ‚n‘ Tours‘ habe ich nach langer Vorbereitung, absolvieren eines Existenzgründerseminars und etlichen Behördengängen im April 2003 gegründet. Sie ist nach wie vor ein Einzelunternehmen, sprich ich bin Chef, ausführende Kraft und Büroangestellter in einem. Was die Größe der Firma angeht, kann ich nur sagen: Reicht mit Ach und Krach für eine Person zum Überleben ... Reich werden sieht auf jeden Fall anders aus!“

Ganz allgemein gesprochen: Was reizt dich an deinem Job, wo liegt der Kick, warum macht er dir Spaß? Und was macht überhaupt keinen Spaß?

„Ich komm in der Weltgeschichte rum, lerne viele nette Leute kennen und verdiene mit meiner Lieblingstätigkeit als Tontechniker meinen Lebensunterhalt. Keinen Spaß machen schlecht gefickte Haustontechniker und Musiker, Besserwisser und Veranstalter, die noch nicht kapiert haben, dass man als Band ‚on the road‘ jeden Tag ein neues Zuhause hat, in dem man sich wohl fühlen und gut behandelt werden muss, um am Abend die geforderte Leistung eines guten Konzerts erbringen zu können. Die meisten Leute können nicht glauben, dass das Leben auf Tour nicht ausschließlich ein riesengroßer Spaß ist, der spätestens beim fünften Mal Pasta mit T-Soße in Folge und Übernachtung im eigenen Schlafsack auf irgendeiner vollgepissten Isomatte aufhört.“

Wozu braucht eine Band einen Fahrer bzw. Tourmanager?

„Um sich den ganzen Nerv, der mit diesen Tätigkeiten verbunden ist, vom Leib zu halten, und um sich auf die Aufgabe des Musizierens konzentrieren zu können. Ein erfahrener Fahrer kennt sich mit den meisten Routen, dem Handling eines Tourbusses und seiner Wartung, und den meisten Anfahrtszielen aus, was Zeit, Geld und Nerven spart, und zusätzlich die Gefahren von Unfällen und Pannen durch unsachgemäße Benutzung des Tourbusses verringert. Ein erfahrener Tourmanager kennt alle Tücken der finanziellen Seite einer solchen Tour und sorgt für eine bestmögliche Abrechnung mit Veranstaltern und Agenturen. Darüber hinaus erspart ein Tourmanager den Musikern die meisten organisatorischen Dinge einer Tour, wie z.B. wo ist der Schlafplatz, wann gibt‘s Essen, wann ist Soundcheck, Stagetime etc.“

Wie sieht ein typischer Arbeitstag aus?

„Bei Veranstaltungsbegleitungen: PA auf- und abbauen, und für das Konzert vorbereiten, Soundcheck mit der Band machen, für guten Sound während der Veranstaltung sorgen. Bei Tourbegleitungen: Mit Weckerklingeln aufstehen, Band wecken, Frühstück und rechtzeitige Abfahrt organisieren, Tourbus und Band sicher und rechtzeitig zum nächsten Veranstaltungsort bringen, vor Ort seinen typischen und auch mal untypischen Pflichten des Tourmanagers und Tontechnikers nachkommen, nachdem die Band zu Ende gefeiert hat, selbige zum Schlafplatz bringen, Wecker stellen und mit Glück ein bisschen Schlaf kriegen.“

Gibt es so was wie ein paar „Goldene Regeln“, die Bands auf Tour beachten sollten?

„Ein paar Kleinigkeiten, die das Touren um einiges erleichtern, gibt es auf jeden Fall: 1.: Ganz wichtig ist der Bandzusammenhalt – Esoteriker würden sagen ‚Harmonie im Tourbus‘ –, seid nett zueinander, denn man sitzt sich mit einer Handvoll von Leuten wohlmöglich wochenlang wortwörtlich auf der Pelle, mindestens 1/4 der gesamten Tourzeit verbringt man dicht gequetscht im Tourbus und auch sonst ist es eher schwierig, sein individuelles Freizeitprogramm durchzuziehen. Sobald auch nur eine Person anfängt, einen Egofilm zu fahren, kann die ganze Sache schnell zur Horrorshow werden. Wenn es Not tut, ist Streiten zwischendurch sicherlich auch wichtig, aber dann auch schnell wieder vertragen! Wenn jeder ein bisschen auf seine Leute und deren Bedürfnisse achtet bzw. sie respektiert, kann Touren fast wie Urlaub mit guten Freunden sein, inklusive Party jeden Abend. 2.: Fast das Gleiche gilt am Veranstaltungsort, je gelassener und freundlicher man den Leuten vor Ort begegnet, umso netter wird man in der Regel auch behandelt. Sollte das mal nicht der Fall sein, ist es empfehlenswert, dass der Tourmanager versucht, dem Problem auf den Grund zu gehen. Es gibt kaum ätzenderes, als den ganzen Abend von mies gelaunten Leuten umgeben zu sein. 3.: Jede Menge Spaß haben!“

Du bist auch Tontechniker, deshalb gleich die provokante Frage. Warum ist bei so vielen Konzerten der Sound so beschissen? Ein Soundmann meinte vor Jahren mal zu mir, es gäbe keine schlechte Akustik – als Entschuldigung für den miesen Sound –, sondern nur miese Mixer.

„Ich beantworte mal beide Fragen auf einmal: Ich finde die Frage gar nicht so provokant, sondern eher gerechtfertigt. Die Qualität des Sounds ist abhängig von mehreren Faktoren: 1.: Dimensionierung und Qualität der Anlage. 2.: Zusammenspiel und Musikalität der Band, denn aus Scheiße kann man keine Pizza backen. 3.: Raumbeschaffenheit, sprich Akustik und Besucheranzahl. 4.: Können und Motivation des Mischers, und da muss ich dem von dir zitierten Soundmann Recht geben, es gibt zweifelsohne – wie in fast jeder Branche – jede Menge Leute, die besser etwas Anderes gelernt hätten ...“

Auch hier die Frage: Worauf sollten Veranstalter wie Bands achten, damit alle Beteiligten ihren Spaß haben?

„Mein persönliches Motto ist eigentlich immer, das Beste aus den vorgefundenen Rahmenbedingungen zu machen, z.B. eine nicht so geile Anlage kann auch eine neue Herausforderung sein! Für die Band gilt eigentlich Ähnliches: Unter den gegebenen Umständen das Beste aus jedem Konzert machen. Das Publikum kommt und bezahlt schließlich, um die Band in Bestform live auf der Bühne zu erleben und nicht, um Unstimmigkeiten innerhalb der Band zu beobachten, oder um zu erfahren, wie beschissen die Monitoranlage mal wieder ist. Von einem guten Veranstalter würde ich erwarten, dass er alles in seiner Macht stehende tut, um der Band einen möglichst angenehmen Aufenthalt zu ermöglichen. Ganz entscheidende Faktoren sind meiner Erfahrung nach das Catering und die Unterbringung. Nicht ganz unwesentliche Bedeutung hat auch Zustand, Qualität und Dimensionierung der Anlage. Ich kann nie so richtig begreifen, warum an einem so wichtigen Baustein für gute und besuchenswerte Veranstaltungen auffallend häufig gespart wird. Schließlich wird an der Abendkasse ein Hörerlebnis verkauft, welches nur dann auch wirklich eins wird, wenn die technischen Möglichkeiten dies erlauben.“

Warum pissen sich Bands eigentlich immer an, wenn sie Schlagzeug und Anlage teilen sollen?

„Weil vor allem Bands auf Tour davon abhängig sind, dass ihre Backline oft über längere Zeiträume jeden Abend reibungslos funktioniert. Reparaturen und Ersatzteilbeschaffung ist nicht nur kostspielig, sondern unterwegs auch eine echt nervenaufreibende Sache, wenn man sowieso nicht weiß, wie man rechtzeitig am nächsten Veranstaltungsort ankommen soll. Zusätzlich sind die Verstärker sowie das Schlagzeug in puncto Sound und Aufstellung individuell von ihrem jeweiligen Benutzer eingestellt. Benutzen nun mehrere Musiker das gleiche Equipment, ist der Besitzer gleich zweimal der Leidtragende. Erstens verschleißt seine Anlage wesentlich schneller, und zusätzlich muss der Eigentümer an seiner Anlage immer wieder seinen Sound bzw. seine Aufstellung neu finden, was möglicherweise sehr zeitaufwendig und nervenaufreibend werden kann. Außerdem wird meiner Erfahrung nach mit geliehenem Material einfach nicht so sorgsam umgegangen wie mit dem eigenem, und viele Musiker haben eben halt schon schlechte Erfahrungen mit dem Verleihen des eigenen Equipment gemacht.“

Ist es dir schon mal passiert, dass die Hauptband verlangt hat, die Vorband absichtlich mit schlechtem Sound zu mischen, damit sie keine so große Konkurrenz ist?

„So konkret zum Glück noch nicht! Ich würde so ein scheiß Spiel auch nicht mitmachen, kein Mensch kann von mir ernsthaft verlangen, dass ich meinen Job absichtlich nicht gut ausführe. Ich habe allerdings schon häufiger von solchen Manipulationen gehört und frage mich ernsthaft, wer so eine Scheiße nötig hat ... Was allerdings mir auch schon einmal als Mischer einer Vorband passiert ist, und auf größeren Veranstaltungen wohl auch häufiger praktiziert wird, ist, dass erst der Hauptband die volle Leistung der Anlage zur Verfügung gestellt wird, so dass sie sich durch höhere Lautstärke von den Vorbands abhebt.“

Bleibt in diesem Geschäft noch Raum für Idealismus und neue Ideen?

„Das ist, wie das Wörtchen ‚Geschäft‘ schon beinhaltet, maßgeblich eine finanzielle Frage. Wenn man in diesem Business wirklich Geld machen will, sind die Möglichkeiten begrenzt. Mein Idealismus hat z.B. vorwiegend nur mit Sachen zu tun, die mir auch Spaß machen, das bringt mich dementsprechend häufiger in finanzielle Engpässe ...“

Hat deine Arbeit was mit Gegen-/Alternativkultur zu tun?

„Meine Arbeit hat zum Glück fast ausschließlich mit Alternativkultur zu tun. Ich arbeite immer noch, jetzt als selbständige Kraft, im Kulturzentrum Volksbad, dessen Größenordnung und Programmauswahl ich problemlos als alternativ zum Mainstream-Programm bezeichnen würde. Die Bands, die ich auf Touren begleite, ziehen in der Regel 200-500 zahlende Gäste, und die Eintrittspreise für die Veranstaltungen bewegen sich im Rahmen von fünf bis zwölf Euro. Ansonsten muss ich sagen, dass ‚Gegen- oder Alternativkultur‘ meiner Meinung nach ein ziemlich dehnbarer Begriff geworden ist, fast jede Alternativkultur hat inzwischen einen Hype und eine damit einhergehende Kommerzialisierung erfahren. Dank MTV und Viva ist beispielsweise Punk massenkompatibel, und war zeitweise sogar ‚in‘. Die dahinter stehende Ideologie der Punkbewegung und ihr Status als Gegen-/Alternativkultur hat dabei natürlich gelitten.“

Was war die beste und was die schlechteste Erfahrung in diesem Business?

„Kann ich nicht wirklich sagen, ich habe viele gute und schlechte Erfahrungen gemacht. Eine der für mich wohl besten Erfahrungen war 1999 eine Tour durch die USA mit NRSV, einer Hardcoreband aus New York, als Support einer Skaband namens MEPHISKAPHELIS. Die Einladung auf diese dreiwöchige Tour quer durch die Staaten war ein Dankeschön für vier zusammen verbrachte Europa-Touren, und ich habe eine geile Zeit im Land der unbegrenzten Möglichkeiten verbracht ... Eine der schlechtesten Erfahrungen war allerdings auch amerikanischer Natur, und zwar die zweitklassige Behandlung einer Vorband, vor allem betreffend Catering und Unterbringung.“

Was war die witzigste/peinlichste/alptraumhafteste Tourerfahrung?

„Die witzigste oder peinlichste kann ich gar nicht mehr sagen, mit der Beschreibung solcher Situationen könnte man sicherlich Bücher füllen. Die alptraumhafteste Tourerfahrung war ein Monstercrash auf der Autobahn, der sich damals ca. 300 Meter vor unserem mit 120 km/h rollendem Tourbus ereignete, inklusive gescheiterten Wiederbelebungsversuchen an einer verunglückten Frau meinerseits und zweieinhalb Stunden Autobahnvollsperrung mit allen Schikanen. Seit diesem Tag habe ich erhöhten Respekt vor Geschwindigkeit und bin einer der weltschlechtesten Beifahrer geworden.“