MISSION OF BURMA

Foto

Let There Be Burma!

Ein wirklich seltsames Jahr: Erst kehrt mit ROCKET FROM THE TOMBS nach über 25 Jahren die Proto-Punk-Legende Clevelands zurück, und dann erhebt sich in Boston eine weitere legendäre Band aus dem Dornröschenschlaf, um nach nicht viel weniger Jahren ihrem schmalen Gesamtwerk mit „Onoffon“ eine neue, großartige Platte hinzuzufügen, die nicht den Anschein macht, als ob hier ein paar alte Säcke nur noch mal mit ihrem früheren Namen Kohle machen wollen. Soweit das überhaupt möglich wäre, denn schließlich basiert der Kultstatus von MOB – damals aus Roger Miller, Peter Prescott, Clint Conley und Martin Swope bestehend – gerade mal auf einem Album und einer EP, die 1981 und 1982 veröffentlicht wurden. Dazu kommt eine posthum veröffentlichte und eher unspektakuläre Live-Platte, plus die obligatorischen zusammengewürfelten Demos und Raritäten in Form von zwei weniger beeindruckenden Platten auf Taang! Records. Auch wenn man MOB aufgrund ihrer musikalischen Verweigerungshaltung grundsätzlich in einen Punk-Kontext stecken kann, verhalten sie sich etwa zu den SEX PISTOLS wie das auch WIRE, GANG OF FOUR oder PERE UBU taten. Also eher gut akzentuierter, kunstvoller Krach mit hohem Aggressionspotential, in dem sich aber auch immer ein ungewohnter Umgang mit klassischen, melodischeren Songelementen manifestierte, was MOB auf „Onoffon“ noch etwas besser herausgearbeitet haben und ihrem alten Sound dadurch ein passendes Update bescherten. 1983 trennten sich die Wege von Miller, Prescott, Conley und Swope. Während Miller, dessen Gehör durch die extreme Lautstärke bei MOB-Gigs schwer in Mitleidenschaft gezogen worden war, mit Bands wie NO MAN und den tollen BIRDSONGS OF THE MESOZOIC überwiegend experimentellere Töne anschlug, schien Schlagzeuger Prescott stärker der alte MOB-Sound anzuhaften, was man sowohl bei den VOLCANO SUNS (wo auch SHELLAC-Bassist Bob Weston spielte) als auch bei den hierzulande leider etwas untergegangenen KUSTOMIZED (deren beiden Platten sollte eigentlich jeder MOB-Fan im Schrank stehen haben) deutlich heraushören kann. Conley tauchte erst vor zwei Jahren wieder mit seiner Band CONSONANT auf der Bildfläche auf, wo der MOB-Bassist und Hauptsongwriter – nach Miller –, von dem Klassiker wie „That‘s When I Reach for My Revolver“ oder „Academy Fight Song“ stammen, zusammen mit Chris Brokaw, dem ehemaligen COME- und CODEINE-Gitarristen, die melodischere Seite seiner alten Band wiederaufleben ließ. Die Herren waren also in den letzten 20 Jahren nicht ganz untätig, auch wenn sie sich vielleicht unter dem Radar der meisten Musikhörer bewegten. Anlässlich des neuen Albums bot sich die Gelegenheit, mit Peter Prescott, der zu dieser Zeit in Hamburg gastierte, diese etwas skurrile Reunion ein wenig näher zu beleuchten.

Zuerst mal die naheliegendste Frage. Warum haben wir nach über 20 Jahren wieder das Vergnügen mit MISSION OF BURMA?


„Das ist sicher eine gute Frage, die wir natürlich auch nicht zum ersten Mal hören. Wie bei so vielen Sachen, die wir machen, sind wir da mehr oder weniger hineingestolpert. Wir hatten eigentlich kein wirkliches Interesse an einer MOB-Reunion, wurden aber alle paar Jahre deswegen gefragt, aber es gab nie einen Grund dafür, da wir alle irgendwelche anderen Sachen machten, nicht nur in musikalischer Hinsicht. Clint zum Beispiel ist TV-Produzent und hat Familie. Ich meine, wir sind nicht blöd, wir wissen, dass wir Männer im fortgeschrittenen Alter sind, haha. Ich war immer in irgendwelchen Rockbands, und Roger hat sich mit seiner Musik auch schon immer seinen Lebensunterhalt verdient, er macht zum Beispiel Filmmusik in einer Band namens ALLOY ORCHESTRA. Ich war bei den VOLCANO SUNS und KUSTOMIZED, und dann spielte ich noch bei THE PEER GROUP, das geht mehr in Richtung CAN und NEU!. Irgendwann brauchten wir bei THE PEER GROUP einen Bassisten, und ich dachte: ‚Was soll‘s, ich ruf jetzt einfach mal Clint an.‘ Um zu sehen, ob er dazu Lust hat. Aber ich war mir sicher, dass er Nein sagen würde. Er war immer etwas schüchtern auf der Bühne, er hat sich da nie besonders wohl gefühlt, weshalb wir uns auch immer mit so viel Lärm umgeben haben. Aber er sagte dann doch zu, und wir spielten ein paar Shows mit ihm am Bass. Und das vermittelte ihm irgendwie das Gefühl, dass es ihm scheinbar immer noch Spaß macht. Danach löste sich die PEER GROUP aber auf, und einige Monate später bot uns wieder jemand eine Show an – für eine lächerliche Summe. Wir lehnten ab, aber dachten uns, wir sollten vielleicht wieder was auf die Beine stellen.“

Und wie ging es weiter?

„Ein Freund von uns, der bei Geffen gearbeitet hatte und dann das BEASTIE BOYS-Label Grand Royal geleitet hatte, kam zurück nach Boston und hatte dort das Indie-Label Fenway Recordings gegründet. Und er war ganz aufgeregt, weil er hoffte, dass wir das auf die Reihe kriegen würden. Wir organisierten dann eine Show in New York im Irving Plaza und eine in Boston. Beide waren ausverkauft, und die Leute schienen es zu mögen – sehr zu unserer Überraschung. Martin Swope, der früher für die Tape-Loops und den Sound zuständig war, wollte aber nichts mehr damit zu tun haben, er hatte sich irgendwo auf Hawaii zur Ruhe gesetzt. Und der Erste, der mir als Ersatz einfiel, war mein Freund Bob Weston, der ja Bassist bei SHELLAC ist, denn er ist ein ziemlicher Technik-Freak und könnte es sicher ähnlich wie Martin. Er war bei den beiden Shows dabei. Und als SHELLAC vor zwei Jahren auf dem All Tomorrow‘s Parties-Festival spielten, fragten sie uns, ob wir nicht auch spielen wollten. So kamen wir alle paar Monate an andere Orte und spielten weitere Shows. Und je mehr wir spielten, desto mehr erschien es uns eine gewisse Berechtigung zu besitzen. Und da wir nicht nur in Nostalgie schwelgen wollten, fingen wir an, neue Songs zu schreiben, um es lebendig zu halten. Bis wir an den Punkt kamen, wo wir all diese Songs hatten, und dachten: Warum nehmen wir sie nicht einfach auf? Als es darum ging, sie herauszubringen, waren die ersten, die uns einfielen, Chris und Gerard von Matador, die ich schon ewig kenne. Sie kamen zu den Shows und mochten, was wir taten. Und so sind wir hier gelandet, wie gesagt, mehr oder weniger zufällig.“

Also war es kein wirklicher neuer Gedanke, mal wieder als MOB auf der Bühne zu stehen, nur zuvor war es einfach nicht wirklich realistisch.
„Es erschien uns bisher einfach unnatürlich. Man sagt sich: Was habe ich eigentlich 20 Jahre lang gemacht? Will ich die Zeit wirklich zurückdrehen? Ja, vielleicht, aber es erscheint einem dann doch irgendwie albern, den ganzen Weg wieder zurückzugehen. Und es war wichtig, dass wir dieses Gefühl nicht hatten. Es musste das Gefühl vermitteln, als ob alles ein wirkliches Eigenleben führte, ansonsten wäre es nur öde Nostalgie, und keiner von uns ist an so was interessiert. Wenn wir es also taten, mussten wir wirklich Vollgas geben, und das haben wir versucht, jedes Mal, wenn wir zusammen gespielt haben.“

Macht es denn nach so langer Zeit wirklich Sinn, diesen Bandnamen zu benutzen? Wie wäre es zum Beispiel mit MILLER CONLEY PRESCOTT BAND?

„Wir drei und eine Person für die Tape-Loops, das ist MOB. Es könnte nie etwas anderes sein. Aber ich verstehe, was du meinst, aber auch das wäre immer noch MOB, haha. Man bewegt sich da einfach im Kreis ...“

Ich frage mich nur, ob sich eine jüngere Generation, und Matador spricht sicher vor allem ein hippes junges Indierock-Publikum an, überhaupt noch an eine Band wie MOB erinnert bzw. an so einem Sound interessiert ist?

„Das Seltsame ist, ja, sie tun es, aber wir hatten das auch nicht angenommen. Als wir das erste Mal in New York spielten und einen unbekannteren MOB-Song spielten, fielen Roger im Publikum ca. 20 Kids auf, die den Text mitsangen. Und das machte ihm richtig Angst. Was ist los mit diesen Leuten, wieso kennen die das? Es ist eine Tatsache, einige Leute erinnern sich an uns. Aber es ist dabei wichtig, dass wir genauso viele neue Songs wie alte spielen, eine Mischung aus Vergangenheit und Gegenwart.“

Verkörpert Matador deiner Meinung nach eigentlich etwas ganz Spezielles in Bezug auf Indierock in den Staaten, so wie es früher vielleicht bei SST oder Homestead der Fall war?

„Ich glaube schon. Es gab ja schon immer eine Menge Labels, die sehr viel Integrität besaßen, was die Art betraf, wie sie bestimmte Sachen präsentiert haben wie zum Beispiel Touch & Go. Und Matador eben auch. Sie kamen mir halt sofort in den Sinn, weil ich mit ihnen in der Vergangenheit schon zu tun hatte. Und Gerard ist in Boston aufgewachsen und hatte MOB schon mit 13 Jahren gesehen, quasi durch die Hintertür. Es gibt da also eine tiefere Verbindung. Und ich hoffe, dass es Labels wie Matador immer geben wird.“

Ich hatte vor kurzem ein Review von jemandem gelesen, der das erste Mal mit MOB wohl durch die aktuelle „Best Of“ von Rykodisc konfrontiert wurde, und schrieb, dass „That‘s When I Reach for My Revolver“ ein toller Song wäre, aber der Rest, na ja ...

„Ich kann das aber verstehen, wenn jemand, der jünger ist, damit nichts anfangen kann. Man muss auch sehen, dass ‚Revolver‘ melodischer war als viele unserer anderen Songs. Vieles basierte nur auf Chaos und Krach. Wenn dieser Typ ‚Revolver‘ mag, aber den Rest nicht, mag er die Band einfach nicht, so ist das eben. Wenn ich jetzt 25 wäre, würde ich es vielleicht auch nicht mögen. Um das übrigens mal klarzustellen, wir haben mit dieser Rykodisc-Platte absolut nichts zu tun, wir wurden dabei nicht miteinbezogen. Es gibt keine ‚Best Of‘ für uns, wir haben zwei Platten gemacht, und das war‘s ...“

Ist ein Problem bei MOB vielleicht auch, dass gerade eure alten Sachen nicht direkt beim ersten Mal hängen bleiben und die heutigen Hörgewohnheiten sowieso ganz anders sind?

„Ich bin mir sicher, dass es so ist. In Zeiten, bevor man von Indierock sprach, wurden bestimmte Sachen einfach nicht im Radio gespielt, denn es war nicht dafür gemacht, es war dafür gemacht, dass man es live spielte. Wenn es dir gefiel, schön, wenn nicht, geh nicht in einen Club und schau es dir an. Und später, wenn eine bestimmte Sorte Indierock eine melodische Note besaß, wurde der Musik direkt etwas Kommerzielles unterstellt. Doch wir stammen aus einer anderen Zeit, wir haben zwar kein Problem mit Melodien, aber es ist nur ein Aspekt des Ganzen. Man hat mal über uns gesagt, wenn man es schafft, uns dreimal zu sehen, dann muss man uns wohl mögen. Aber man muss erst die beiden ersten Male überstehen, haha. Wenn man BURMA sah, war das keine angenehme Form von Unterhaltung. Für Leute, die das nicht gewohnt waren, hatte es einen ähnlichen Effekt wie THROBBING GRISTLE.“

Wie würdest du den Sound der aktuellen MOB-Platte kategorisieren, ist es eine Art Update oder etwas völlig anderes?

„Ich würde es nicht als etwas völlig anderes bezeichnen, weil die Basis dafür eine identische Denkart ist. Das ist ein bisschen so wie Method Acting, ich habe aufgrund des Schauplatzes bestimmte Gefühle, die sich aus dieser Denkart ergeben. Insofern ist es mehr eine Erweiterung. Wenn es etwas völlig anderes wäre, dann wäre es auch nicht mehr MOB.“

Waren für dich die Sachen, die du nach MOB gemacht hast, bereits eine Erweiterung dieses Sounds?

„Ich denke, die VOLCANO SUNS waren das. Weil es ein Trio war und alles sehr chaotisch und lärmig war. Auch was den Humor und die melodische Seite angeht, aber die Bands danach waren weniger mit BURMA verknüpft. Über die Jahre habe ich mich immer weiter davon wegbewegt, was ja auch natürlich ist. Ich habe jetzt auch nach fünf Jahren das erste Mal wieder Schlagzeug gespielt. Bei PEER GROUP und KUSTOMIZED war ich Gitarrist, auch wenn ich vielleicht kein guter Gitarrist war. Und ich wusste gar nicht, ob ich es wirklich noch konnte, haha.“