OCEANSIZE

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Dr. Jekyll oder Mr. Hyde?

Das Debüt des Quintetts aus Manchester überzeugte Ende letzten Jahres mit abwechslungsreichem Alternativerock, der sich durch sein Wechselspiel zwischen filigranen und kraftvollen Passagen, vor allem aber durch Songs in Ozeangröße vom typisch britischen Gitarrenhype abzusetzen wusste. Dazu zeitgleich die erste Europatour, keine Frage: es ist eine ereignisreiche Zeit für die jungen Herren. Offene Fragen versuchte ich mit Gitarrist Steve Durose zu klären, der ein unglaublich netter Zeitgenosse ist, aber offenbar nicht viel zu erzählen hat, weshalb seine Antworten mitunter recht kurz ausfielen.

Alle Mitglieder von OCEANSIZE kommen aus ganz Großbritannien. Wie habt ihr zusammengefunden?


„Wir leben mittlerweile alle in Manchester, sind dort zur Uni gegangen und haben uns dadurch kennen gelernt. Uns gibt es jetzt seit fünf Jahren. Wir haben vorher in anderen Bands gespielt, aber irgendwann beschlossen wir, zusammen zu spielen.“

Und ihr habt, wie man liest, schon immer die Band über alles andere gestellt. Kann man sich denn auf so was verlassen?

„Ich musste das tun, ich kann sonst nichts. Marc, unser Schlagzeuger, ist Hubschrauber-Mechaniker, der kann auf etwas zurückgreifen, aber ich nicht.“

Aber du hast doch studiert?

„Das war auch nur ein Musik-Kurs, haha!“

Ich finde, OCEANSIZE ist schon eine ziemlich gute Beschreibung eurer Musik. Kam der Bandname so zustande?

„Um ehrlich zu sein, der Grund dafür war, dass wir große Fans von JANE‘S ADDICTION sind. Der Name passt zur Musik, aber die Inspiration kam vom gleichnamigen Song.“

Auch musikalisch?

„Ja, aber auch von tonnenweise anderer Musik. Jeder in der Band hört andere Musik, von Metal bis zu elektronischen Sachen, aber wenn wir die Einflüsse der Individuen zusammenmischen, dann kommt hoffentlich etwas originelles dabei heraus.“

Eure Songs sind überwiegend sehr lang. Würdest du sagen, dass ein guter Song unbedingt länger als dreieinhalb Minuten sein muss?

„Nicht unbedingt, es kommt auf den Song an. Wir sind stark von Stimmungen beeinflusst. Unsere Songs sind länger, weil wir den Hörer in diese Stimmung hineinziehen wollen, durch die Macht der Wiederholung. Wir haben ja auch kurze Songs, aber die können wir halt nicht so gut.“

Und Mike singt nicht sehr viel.

„Ja, es geht um die Musik als Ganzes, nicht um Texte oder Melodien. Es geht um die ganze Atmosphäre.“

Spielt ihr auch deshalb mit drei Gitarren, um die entstandenen Räume zu füllen?

„Na ja, das haben wir nicht mit Absicht so gemacht. Irgendwann haben wir einen Freund gefragt, ob er nicht mit uns proben wolle, und da waren die drei Gitarren. Aber es hat sich als praktisch erwiesen. Man hat auf der Bühne immer die Heaviness von zwei Gitarren, während die dritte Gitarre Atmosphäre erzeugen oder etwas anderes darüber spielen kann. Du hast also immer drei verschiedene Sachen, und nicht nur drei Gitarren, die alle dasselbe spielen.“

Habt ihr mal über eine aufwendigere Live-Instrumentierung nachgedacht, um das Album noch besser rüberzubringen?

„Bisher nicht. Bei ein paar Songs benutzen wir schon einen Laptop auf der Bühne. Da sind ein paar merkwürdige Dinge auf dem Album, die wir ganz gern auch live dabeihaben wollten.“

Wie ist das denn mit Airplay bei der Länge eurer Songs?

„Ich weiß nicht, wie das bei euch in Europa ist, aber bei uns in England ist es nahezu unmöglich ins Radio zu kommen, von ein paar speziellen Sendungen mal abgesehen, eben weil unsere Songs so lang sind. Wir werden in diesem Jahr ‚Catalyst‘ als Single herausbringen, und das haben wir fürs Radio extra neu aufgenommen. Sowieso wissen viele Leute offenbar nicht, was sie mit uns anfangen sollen, unter welche Kategorie sie uns fassen sollen. Aus dem Grund haben wir ein halbes Jahr vor Veröffentlichung eine Hörprobe vom Album an die Presse verteilt, damit sie sich mal dran gewöhnt. Danach hatten wir aber sehr gute Kritiken.“

Ihr selbst habt über „Effloresce“ mal gesagt, es sei ein schizophrenes Album.

„Ja, es gibt so viele verschiedene Stimmungen innerhalb eines Songs, jedes Mal verändert sich die Persönlichkeit. Wenn die Songs menschliche Wesen wären, dann wären sie ganz schön abgefuckt.“

Auf dem Album fließen die Songs ineinander. Ist das Album also ein Gesamtkunstwerk oder eine Ansammlung von Songs?

„Es hat natürlich als eine bloße Ansammlung von Songs angefangen, aber wir wollten, dass es funktioniert. Wir haben eine Menge unterschiedlicher Songreihenfolgen ausprobiert, es gab so viele Versionen vom Album, wir haben sie uns alle angehört, und jeder von uns hatte seine eigene Vorstellung davon, was am besten funktioniert. Es hat verdammt lang gedauert, bis wir uns geeinigt haben. Aber natürlich sind wir eine Albumband, keine Singleband. Man soll sich das Album von Anfang bis Ende anhören, oder zwischendurch einen Tee trinken und dann wieder einsteigen. Ich finde es spannend, denn als Doppelalbum funktionieren auch beide Hälften allein.“

Ist es nun Zufall gewesen, dass die Reihenfolge der Songs heute Abend genauso wie auf dem Album war?

„Ja, das machen wir nicht mit Absicht. Wir sehen, wie lange wir haben, schauen, auf welche Songs wir Lust haben, und dann basteln wir die Setlist zusammen. Normalerweise starten wir mit ‚Catalyst‘ und enden mit ‚Saturday Morning Breakfast Show‘. Dazwischen ändert sich alles von Abend zu Abend.“

Zum Schluss ist mir noch aufgefallen, dass euch manche nur „The Size“ nennen. Wie kommt das?

„Oh, das ist unser Spitzname, ich glaube, ein paar unserer treuesten Fans haben das in unseren Anfangstagen erfunden. So sieht es fast so aus, als wenn wir eine ‚The-Band‘ wären.“

Vielen Dank für das Interview.