PILOT TO GUNNER

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D.C. In N.Y.C.

In vier Jahren sind die New Yorker PILOT TO GUNNER achtmal quer durch die Vereinigten Staaten von Amerika getourt. Erfolg, Ruhm und Koffer voller Geld – Fehlanzeige. Dafür aber jede Menge Geschichten und etliche Erfahrungen mehr, die auf dem von J. Robbins produzierten Album „Get Saved“ zu hören sind, das zweite des Big Apple-Quartetts. Die Liebe zu Dischord-Bands wie FUGAZI oder JAWBOX und der Einfluss des D.C. Sound treffen auf „Ged Saved“ mit eigenwillig dargebotenem Indie-Rock zusammen. Was Scott V. Padden, Patrick Hegarty, Martin McLoughlin und Kurt L. Herrmann darüber hinaus zu berichten haben, durfte meine Wenigkeit Mitte Februar während der ersten PILOT TO GUNNER-Europatour, natürlich in bester DIY-Manier mitfinanziert, in einer Kölner Kneipe erfahren.

Gute Laune regiert an diesem Nachmittag bei den vier Amerikanern. Gestern der letzte Gig in England, heute das Bühnen-Debüt in Deutschland und neben den weiteren obligatorischen Konzertstädten in unserer Republik, dann noch Australien, Amerika - und im Sommer alles wieder von vorne. Nur größer, so der Plan. Die Musik von PILOT TO GUNNER nun will zwischen den Zeilen gelesen werden. „Seit dem 11. September spielt Politik eine größere Rolle in der Welt. Ich denke, dass wir Musiker deswegen heute einfach mehr Verantwortung haben als früher und darüber reden müssen“, erzählt Sänger und Gitarrist Scott und fährt fort, „Bush wird im November hoffentlich nicht mehr Präsident sein, aber ich befürchte, dass er wieder gewählt wird. Es geht mir persönlich weniger um das Programm der Parteien, sondern vielmehr um die Person Bush – ich bin zum ersten Mal in meinem Leben gegen einen Menschen und werde ihn auf keinen Fall wählen.“

Die Inhalte des Rock haben sich verändert. Es hat schon fast den Anschein, als wiederhole sich das 80er-Revival in den Staaten auch bezüglich der politischen Einstellung vieler Bands. Heute heißt das Feindbild Bush und gestern war es Reagan. „Wir waren alle in den 80ern noch zu jung, um wirklich zu wissen, was Sache ist aber dennoch kann ich mich noch daran erinnern, dass Jello Biafra mein Bild von Ronald Reagan prägte“, lacht Scott und Schlagzeuger Kurt ergänzt: „Es ist sicherlich so, dass es heute wieder etwas zu sagen gibt und Rock-Bands nicht länger über Chicks und Bier singen müssen.“ Alle stimmen zu. Scott nahezu empört weiter: „Schau dir Busta Rhymes oder 50 Cent an. Sie haben ein Millionen-Publikum und erzählen ihm nur, wie geil sie sind, wie viel Kohle sie haben und was für Uhren sie tragen. Ihr Einfluss auf die Fans ist riesig, aber sie verwenden dies lediglich, damit sie ihre eigenen Produkte verkaufen können. Solche Leute müssten sinnvolle Inhalte verbreiten und sich ihrer Verantwortung bewusst sein.“

PILOT TO GUNNER sind, falls es den Anschein haben sollte, nicht Anti-Amerika, sondern Anti-Bush. Sie befürworten die Arbeiten eines Michael Moore, aber wollen nicht in eine politische Schublade mit Bands wie RAGE AGAINST THE MACHINE gesteckt werden. Man hat lediglich den Anspruch, eine Botschaft in den Texten vermitteln zu wollen. „Was mich an RAGE AGAINST THE MACHINE immer genervt hat, ist die Tatsache, dass sie sich politisch präsentiert haben, aber in Wirklichkeit mit fetten Limousinen durch die Gegend gefahren sind und sich wie eine bescheuerte Hair-Metal-Band aufgeführt haben. Diese beiden Seiten lassen sich einfach nicht miteinander vereinbaren“, und Kurt nach einer kurzen Pause weiter: „Sie sollten sich vielleicht einfach mal etwas länger mit Ian MacKaye unterhalten.“ Ein Gespräch, das die vier Herren aus New York City sicherlich nicht mehr führen müssen.

Aber auch PILOT TO GUNNER sind, verständlicherweise, nicht abgeneigt, mit ihrer Musik eines Tages etwas Geld zu verdienen. Entscheidend ist jedoch der Preis, den man dafür zahlen müsste. Verbiegen oder bevormunden lassen sie sich nicht, soviel ist sicher. „Wir könnten nie einen Song schreiben, der einem angesagten Hype entspricht, selbst wenn wir wollten. Ein Problem in diesem Zusammenhang ist einfach, dass selbst eine Band wie FUGAZI nie wirklich reich geworden ist, und so sehe ich für uns leider auch kaum eine Möglichkeit, mit Musik Geld zu verdienen, aber das ist okay, denn wir wollen eben nur diese Musik machen und leben ein einfaches Leben“. Scott überlegt kurz und erzählt lachend weiter: „Wir sollten unsere nächste Platte ‚A Formula For Being Broke – A Success Story‘ nennen.” Alle lachen. „Ich spreche im Namen der Band, wenn ich sage, dass unser Ziel ist, über die Jahre Musik weiter zu machen. Musik ist und bleibt unser Leben, und falls Erfolg dazukommt, gut, wenn nicht, auch nicht schlimm“, berichtet der Drummer und nimmt einen Schluck Bier.
Dass der vielfältige PILOT TO GUNNER-Sound, mit seinen wesentlichen Elementen aus Indie-Rock, D.C. Punk und Rock, nicht beim ersten Hören von „Ged Saved“ erschlossen werden kann, ist den vier Männern von der Ostküste schon häufiger zu Ohren gekommen. Musikalische Genregrenzen überschreiten heißt das Motto, auf dem im Grunde auch das Fundament der Band aufbaut. Was in der Theorie simpel klingt, gestaltet sich in der Praxis dafür umso schwieriger. „Wir müssen viel härter arbeiten als andere Bands, denn unsere Musik wird von den verschiedenen Szenen wesentlich kritischer beäugt. Aber es hat auch den Vorteil, nicht in eine Ecke gesteckt zu werden“, so Gitarrist Patrick und Kurt scherzend: „Wenn wir dann irgendwann mal berühmt sind, haben wir eine Bühne, die sich zu den jeweiligen Fanblöcken dreht. ‚Das ist ein Punk Song‘, Bühne dreht sich, ‚jetzt ein Hardcore Stück‘, Bühne dreht wieder zurück.“ Bis es soweit ist, wird wohl noch etwas Zeit vergehen. Die nächsten PILOT TO GUNNER-Shows, dann noch im klassischen Sinne, liegen näher und sind mindestens genauso lohnenswert, wie „Get Saved“.