DEVASTATIONS

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Düsteres aus Melberlin

„They neither sound like the past or this year‘s fad“ – das sagte Rowland S. Howard, einst bei BIRTHDAY PARTY, über die ebenfalls aus Australien stammende und erst 2002 gegründeten THE DEVASTATIONS. Die sind halb in Australien, halb in Berlin ansässig, und im Frühsommer spielten sie ihr erstes Konzert in Köln, zusammen mit DEAD MOON. Eine Kombination, die an diesem Abend Sinn machte: Hier die schwarz gekleideten Jungspunde, da die ebenfalls schwarz gewandeten Veteranen – düstere Musik nach einem sonnigen Tag. Und wem angesichts der Musik der DEVASTATIONS Nick Cave und BIRTHDAY PARTY in den Sinn kamen, der lag so falsch nicht, aber auch die dunkle, warme Stimme von Basser Conrad Standish legt diesen Vergleich nahe. Kürzlich erschien via Munster das Debüt-Album der Australier, das jedem Fan von FLAMING STARS, THE BLACK HEART PROCESSION, BEASTS OF BOURBON und DIRTY THREE ans Herz gelegt sei, und ich unterhielt mich mit der Band (Tom Carlyon - guitar, piano, Hugo Cran - drums und Conrad Standish - vocals, bass) vor der Show auch genau darüber.

Erklärt mir doch bitte, wo ihr zu Hause seid – in Australien oder in Berlin?

Conrad:
„Momentan bin ich der Einzige in der Band, der in Berlin wohnt - Tom und Hugo wohnen überall.“
Tom: „Die Band gibt es ja erst seit zwei Jahren, und die meiste Zeit davon waren wir irgendwo in Europa. Seit wir Melbourne im September letzten Jahres verlassen haben, waren wir entweder auf Tour oder in Berlin. Das beantwortet wohl deine Frage.“

Vor rund 25 Jahren gab es eine andere australische Band, für die Berlin eine wichtige Stadt war: THE BIRTHDAY PARTY. Diesen Vergleich durftet ihr ja schon häufiger hören.

Conrad:
„Oh ja, aber was sollen wir machen? So was kannst du ja nicht kontrollieren. Nick Cave ist aber sicher nicht unser wichtigster Referenzpunkt. Andererseits ist dieser Vergleich angenehmer, als der mit BLINK 182. So oder so hat aber wohl kein Musiker so richtig Spaß an Vergleichen.“

Wie habt ihr denn als noch sehr junge australische Band den Sprung gewagt und geschafft?

Tom:
„In Australien ist es sehr teuer auf Tour zu gehen, gerade wenn man aus Melbourne kommt. Wir haben da ja alle schon seit Jahren in Bands gespielt, und wenn du zwei, drei Konzerte die Woche spielst, kommst du nicht wirklich weiter. Das Touren ist aber wegen der Entfernungen sehr mühsam, zeitaufwendig und teuer, außerdem gibt es einfach nicht so viele Menschen in Australien. Der Vorteil von Europa lässt sich da mit einem Satz zusammenfassen: Mehr Leute, kürzere Entfernungen. Und es ist auch schön hier.“

Wie kommt es, dass ihr auch euer Album in Europa, genauer gesagt in Prag, aufgenommen habt? Hat euch diese Umgebung beeinflusst?

Conrad:
„Wir haben die Songs alle in Australien geschrieben, von daher kann ich nicht sagen, inwiefern Prag einen Einfluss ausgeübt hat, von den rein technischen Bedingungen mal abgesehen, denn wir haben in einem alten Konzertsaal aufgenommen. Da wir die Songs aber schon hatten, würde ich durchaus sagen, dass das Album sehr australisch ist.“
Tom: „Wenn wir in Australien aufgenommen hätten, wäre sie vielleicht nicht so melancholisch ausgefallen, denke ich.“

Wie muss man sich eure musikalische Sozialisation vorstellen?

Conrad:
„Wir alle mögen Folk Music aus aller Welt. Ich persönlich mag alte amerikanische Songwriter wie Roy Orbison und Lee Hazlewood, aber auch europäische wie Serge Gainsbourg. Und natürlich australische Klassiker wie die SAINTS und die SCIENTISTS.“

Apropos Lee Hazlewood: Schon mal an eine Coverversion von „Some velvet morning“ gedacht?

Conrad:
„Man muss ein Idiot sein, zu denken, man könne so ein Lied angemessen covern. Der Einzige, dem das geglückt ist, ist Rowland S. Howard, und selbst der ging damit ein Risiko ein.“

Die Version von THIN WHITE ROPE ist aber auch nicht schlecht.

Conrad:
„Die kenne ich nicht, aber bei diesem Lied muss man als Musiker schon sehr großes Selbstvertrauen haben, um sich daran zu versuchen. Und das haben wir nicht, haha.“

Wofür hättet ihr das denn?

Tom:
„Wir covern ‚The low road‘ von den BEASTS OF BOURBON, und ab und an mal was von Bob Dylan und Roy Orbison. Wir haben ja auch eine 2-Song-7“ mit ‚The low road‘ und Dylans ‚Tomorrow is a long time‘ gemacht. Aber wir sind an sich nicht so an Coversongs interessiert.“

Apropos BEASTS OF BOURBON. Auch Australier. Auch nicht weit weg von eurem Sound. Ein Zufall?

Conrad:
„Wir kommen aus Melbourne, wir sind mit denen aufgewachsen, wir haben mit denen zusammen in Bands gespielt, von daher lässt sich ein Einfluss da nicht leugnen. Die waren und sind schon große Vorbilder.“
Tom: „Zuhause habe ich nie über so was nachgedacht, aber in Europa wird man immer wieder auf einen speziellen australischen Sound angesprochen. Ich habe da keine Meinung dazu, ich bin da ja selbst involviert.“

Euer Album erschien ja erst im Frühjahr in Europa, auf Munster Records aus Madrid, war aber schon eine Weile raus.

Conrad:
„Ja, die Platte erschien Mitte letzten Jahres auf Spooky Records, einem kleinen Label in Australien, und wir haben sie eben an Munster lizenziert. Jetzt haben wir schon eine Menge neuer Songs geschrieben, und in der zweiten Jahreshälfte werden wir anfangen, unser neues Album aufzunehmen.“

Wieder in Prag?

Tom:
„Eher nicht, wahrscheinlich in Melbourne. Es ist doch einfacher, mit Leuten im Studio zu arbeiten, die man gut kennt, die den gleichen Dialekt sprechen. Aber wir werden sehen.“

Und, kommt die Platte wieder auf Munster?

Conrad:
„Mal sehen, ob wir den gierigen Fängen der Majors entkommen können, die vor Gier und Begeisterung sabbernd schon überall auf uns warten, haha.“

Wie seid ihr eigentlich zu diesem netten Statement von Rowland S. Howard über euch gekommen?

Conrad:
„Wenn du in Melbourne Musik machst, kommst du an Rowland nicht vorbei. Er ist sowohl Freund wie auch Fan, und als die Platte erschien, schrieb er für ein großes australisches Musikmagazin einen Artikel über uns – und daher stammt das Zitat, er hatte uns interviewt. Er hatte ein Aufnahmegerät, aber das war so ein buntes Kinderspielzeug. Wir gaben uns Mühe, redeten sehr konzentriert, und zwei Tage später gestand er uns, dass das Ding gar nicht eingeschaltet war ... Da hat er unsere Antworten einfach erfunden, hehe.“

Bei eurer Musik ist ein gewisser Folk-Einschlag nicht zu überhören. Wie würdet ihr den beschreiben?

Tom:
„Also das ist sicher kein Hippie-Folk, sondern die Grundlage des Rock‘n‘Roll, zu denen auch irische Musik und amerikanischer Country & Western gehören – und da ist auch Punkrock nicht weit. Von daher haben wir uns selbst auch immer wieder als Band mit Folk-Wurzeln beschrieben. Und unsere Songs sind eigentlich nur irische Balladen in neuem Gewand. Australien ist ja voller Iren, und die USA sowieso, Conrad, ebenso wie ich, haben irisch-englische Vorfahren mit französischen bzw. lettischen Einflüssen. Und Hugo hat mexikanische und Aboriginal-Vorfahren.“
Conrad: „Eigentlich jeder in Australien hat irgendwie europäische Wurzeln. Folk-Musiker waren meiner Meinung nach die ersten Punks: arm, immer unterwegs.“

Was habt ihr vor den DEVASTATIONS gemacht? LUXEDO, richtig?

Conrad:
„Wir haben beide in Punkbands gespielt, und vor dieser Band waren wir zusammen in LUXEDO.“
Tom: „Davor war nicht viel. LUXEDO, das war vor sieben Jahren, da war ich 23 und Conrad 20. Wir waren immerhin einmal in Europa, und das war‘s auch schon. Melbourne hat eine inzestuöse, kleine Szene, da gibt es ständig neue Konstellationen und Bands, manchmal nur für eine Nacht.“

Die musikalische Verbindung von LUXEDO zu DEVASTATIONS ist recht gut nachvollziehbar, und ich musste feststellen, dass ich seinerzeit das Album mit fast den gleichen Bands verglichen habe wie jetzt die neue Band.

Conrad:
„Das ist insofern nachvollziehbar, als wir ja die gleichen Menschen sind, aber die DEVASTATIONS sind schon eine ganz andere Band. LUXEDO waren viel aggressiver.“
Tom: „Wir kamen auf die Bühne und haben einfach auf alles eingeprügelt, so spielten wir damals. Irgendwann hatten wir dann keine Instrumente mehr und gründeten eine neue Band – so oder so ähnlich lief das, haha. Uns gefielen die Country- und Folk-Parts von LUXEDO, in diese Richtung wollten wir uns entwickeln, nicht eine weitere Rockband sein. Okay, ja, wir sind auch jetzt eine Rockband, aber es ist etwas anderes.“

Beim Soundcheck vorhin fiel mir auf, dass ihr auf Platte recht ruhig klingt, aber live auf einer Bühne ist das um ein vielfaches lauter und härter.

Tom:
„Für uns sind der Live- und der Studio-Aspekt der Band zwei völlig verschiedene Dinge. Wir haben keinen Spaß daran, im Studio eine Platte zu machen, die wir dann jeden Abend einfach nur wiedergeben. Mit Streichern und Backing-Vocals ist das sowieso nicht so einfach umsetzbar. Und Emily, die damals mit uns bei LUXEDO war und teilweise singt, ist ja auch kein Bandmitglied.“

Was werdet ihr in 25 Jahren machen?

Conrad:
„Ich werde mit Tom in einer Band spielen – hörst du!?“
Tom: „Ich habe es gehört.“

Foto: Oliver Shunt