LATTEKOHLERTOR

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Die Elektrisierung des Einzelkämpfertums

„Haste schon gehört? Die LATTEKOHLERTOR, die Neue?“ „Klar, bin doch auch auf Homerecording-Punk, Punk! Die Split, oder?“ „Yeah!“ „Yeah. Klar.“ Klar. Klar hat er die auch schon gehört. Wenn er sich überhaupt auf so ein Thema einlässt. Aber das ist ja auch irgendwo gut, für dieses LATTEKOHLERTOR-Interview (im folgenden kurz LATTE genannt, Schenkelklopf ...) mit dem Martin, wohnhaft in Flensburg. Ein Norddeutscher. Ein Dichter, Denker, Musiker, ein Mensch quasi. Der ist nämlich Punkbandmitspieler, bei TURBOSTAAT, aber auch nur als einer musizierend. Zu Hause nämlich. Mit dem elektrischen Musikmachgerät, das da dann so rumsteht, und der akustischen Gitarre und anderen Instrumenten. Nicht von der ersten Welle der German-Alleinunterhalter-Crew, aber doch anders, neugierig machend und speziell. Eigen. Nicht ständig. Aber doch oft. Und das habe ich mit Martin „Innsbruck“ Ebsen beredet.
Warum überhaupt den Einzelkämpfer rauskehren?

„Weil ich eben gerne Musik mache. Auch alleine. Ich hab da mit so einem Achtspurgerät, ein Kassettenteil von Yamaha angefangen, bin dann aber umgestiegen, jetzt wo die digitale Entwicklung so voll zugeschlagen hat. Ich bekomme jetzt ein ganz neues Programm, das bei der ersten Platte war von ‘98, das hier ist jetzt aber ganz toll und kann alles ganz super. Der Rechner ist nach wie vor die Aufnahmeplattform, da mischst du nachher auch alles über das Programm. Ist halt echt cool, haha ... Ich mach da echt alles selber, sprich spiele Gitarre, manchmal orgele ich mich auch durch ein Stück, eben alles! Sitz einfach zu Hause rum und schreibe Lieder, mal mit der Gitarre und mal auch mit dem Sequenzer, dann nehme ich die Sachen auf, so wie ich sie mir vorstelle. Tja, und dann betrinke ich mich meistens, dreh dann an den Sachen am Computer rum, bis sie mir gefallen, und dann müssen andere Leute voll viel Geld dafür bezahlen. Nee, aber das geht schon immer recht schnell. Ich hab da keinen Bock drauf, immer wieder alles anhören, ändern und so fort, so akribische Studioarbeit eben. Das macht man zwar irgendwann immer mehr, noch mal gucken und auch schleifen, aber eigentlich ist es viel mehr Bauch-Arbeit.“
Dann sitzt du also im dunklen Kämmerlein. Nerd!
„So ‚nerdig‘ ist das gar nicht, das machen dafür mittlerweile zu viele. Es gibt da eine lebendige ‚Homerecording-Szene‘. Das fällt in letzter Zeit auch immer öfter auf ...“
Alleinunterhalter wie du?
„Nee, nicht Alleinunterhalter, die nehmen den Kram nur alleine auf. Die können das ja live gar nicht alleine umsetzen – die meisten zumindest. Deshalb passt der Terminus nicht wirklich. Klingt auch voll schäbig!“
Ist es nicht auch ein bisschen so wie bei der Frau des erfolgreichen Managers, die eine völlig unrentable, aber glücklicherweise sehr zeitraubende Boutique eröffnet, oder Aquarelle malt? Eben um sich selbst zu verwirklichen ...
„Na ja, teilweise. Anfangs gab es UNABOMBER, dann haben wir mal eine Band gegründet, die TURBOSTAAT heißt, und ich habe die ganze Zeit Songs geschrieben. Jetzt bekomme ich die alle mal unter einen Hut, alleine schon zeitlich. Da saß dann bei mir zu Hause ein Mr. 100 000 Volt rum, voller Ideen, und der eine sagt ab wegen Volleyball, der nächste muss aber doch heute zum Bodenturnen und einer sagt: ‚Wenn ich noch mal fehle auf der Arbeit, dann hauen die mir eine rein.‘ Und so was ... Haben ja auch alle Recht, kann man ja auch machen, aber dann muss ich mich halt in der Zwischenzeit irgendwie anders austoben. ‘98 zum Beispiel, da war ich persönlich auch ziemlich down, da habe ich dann echt jeden Tag auch ein paar Lieder geschrieben. Da geht einfach mehr, als wenn man einmal die Woche probt. Soll ja kein Vorwurf sein. Hab ich auch selber zum Verarbeiten von Dingen gebraucht. Schreib das, das hört sich immer gut an, haha!“
Gibt es musikalisch bzw. szenemäßig irgendwelche Stereotypen, die du gar nicht magst?
„Eigentlich freue ich mich über jeden Hansel, der auf ein Konzert kommt. Aber den typischen Rockfan und diese ganze Rockschiene find ich nicht so doll. Man darf natürlich in meinen Augen die ROLLING STONES gut finden und auch Fußball, aber davon halte ich mich einfach aus Desinteresse fern. Und diese Rudelführermentalität mag ich nicht – aber die gibt‘s ja überall. Wir bzw. ich bewegen uns ja in dieser politisch stark linken Szene, da gibt es auch immer einen, der Gala-mäßig das Thema der Woche bringt, immer wieder, bis sich am Ende jeder darauf eingeschossen hat. Dann machen alle mit und es heißt wieder ‚Klassenkloppe für Didi‘. Dietmar hieß der Junge, der bei uns in der Schule immer das typische Opfer war. Da müssen die, aber auch jede andere Gruppe, noch viel lernen, was Toleranz und Objektivität anbelangt.“
Magst du Handys? Und Technik und Internet und so?
„Kann man gebrauchen, muss man aber nicht unbedingt Fotos mit machen. Oder vielleicht muss man, manchmal. Eigentlich mag ich Schallplatten viel lieber. Habe gerade Retrofuzzi auf deinem schlauen Zettel gelesen ... Schallplatten, schön groß, mit Textheft dabei, auch schön groß, kann man sich angucken, wie der Künstler sich visuell ausdrückt ... Schallplatten finde ich schön.“
Hasst du eigentlich Haustiere?
„Haustiere? Nein, ich hasse die nicht, ich kenne die ja gar nicht alle.“

Wir unterhalten uns noch eine Zeit lang darüber, wie süß Babytiere doch sind. Dann kommen nach und nach alle Kunstbanausen und fragen, wo ich denn bliebe. Martin fragt mich das schließlich auch. „Keine Ahnung“, sage ich, stehe auf, umarme ihn, greife die halb geöffnete Banane vor mir auf dem Tisch, stecke sie in die rechte Außentasche meiner Jeansjacke, entschuldige mich noch einmal bei allen Anwesenden und vergesse ein halbvolles Päckchen Zigaretten auf dem Tisch. Auf dem Weg nach draußen überlege ich mit Manuel, was für tolle Haustiere unser Tiefkühlfach so am Start hat und dann wird es hell (yeah!) und ich bin irgendwann zu Hause ... Die neue LATTEKOHLERTOR hat übrigens im Juli 2004 das grelle Licht der Welt erblickt. Haltet die geröteten Augen offen! Danke.