FIREWATER

Begreift man Rockmusik als grundsätzlich offenes Arbeitsprinzip, dann waren COP SHOOT COP eine der besten Rockbands, die die 90er hervorgebracht haben. Viele würden CSC zwar vielleicht als Industrial-Band bezeichnen, aber ihre Energie war immer wesentlich gebündelter und strukturierter und weniger darauf fixiert, sich in endlosen Kakophonien zu verlieren. Irgendwo angesiedelt zwischen dem Punk von JESUS LIZARD und dem schrägen Elektronik-Noise früher FOETUS-Alben, dabei immer bestimmte Songstrukturen fest im Blick. Sozusagen eine schöne Mischung aus dem, was einem New York an musikalischer Unangepasstheit zu bieten hat.

Platten wie "Ask Questions Later", "Consumer Revolt" und "Release" beziehen ihren nach wie vorhandenen Reiz aus der Balance zwischen exzessivem Krach und einem Gespür für richtig eingängige Rocksongs, auch wenn die auf "Consumer Revolt" von ´92 noch einen extrem metallischen BIG BLACK-artigen Beigeschmack hatten. Ähnlich wie z.B. FOETUS oder SONIC YOUTH wurden CSC auch über die reine Musik hinaus von anderen kreativen Köpfen der Kulturszene New Yorks in ihr Werk integriert, allen voran Filmemacher und Fotograf Richard Kern, der Songs dieser Bands für seine Kurzfilme verwendete.
Sänger und Bassist Tod A. einer der Köpfe von CSC, verliess die Band 1997, hatte aber zu diesem Zeitpunkt bereits eine neue Band namens FIREWATER am Start. Zu deren Besetzung gehörten anfangs so illustre Leute wie Duane Denison (JESUS LIZARD) und Jim Kimball (LAUGHING HYENAS), die bisher zwei Platten aufnahm: "Get Off The Cross We Need The Wood For The Fire" (1996) und "The Ponzi Scheme" (1997). Im Vergleich zu CSC eher konventionelle Rockalben, die aber durch Tod A.s markante Stimme deutlich geprägt waren und unüberhörbar CSC-typische Elemente aufwiesen, dazu kamen im ersten Moment recht fremdartig klingende Einflüsse osteuropäischer Musik. Beide Alben wanderten in die oberen Ränge der amerikanischen Independent- und College-Charts und der Song "Another Perfect Catastrophe" wurde für den Soundtrack von "Clay Pigeons" verwendet. Zu Rockstars machte das FIREWATER nicht, aber der Major Universal biss an, zumindest zeitweise. Das nächste FIREWATER-Album wird dennoch wie die Alben zuvor bei Jetset erscheinen. Ende letzten Jahres beehrten FIREWATER tatsächlich mal Deutschland, was mir die Gelegenheit gab, in München mit Tod A. zu plaudern.

Das nächste, dritte FIREWATER-Album sollte eigentlich bei Universal erscheinen. Daraus soll jetzt doch nichts geworden sein, wie ich gehört habe. Was ist passiert?


FIREWATER haben das Experiment gewagt, es bei einem Major zu versuchen, weil sie uns große Summen Geld angeboten haben, aber es hat sich als Reinfall erwiesen. Also sind wir wieder dahin zurück, wo man uns zu schätzen weiss, zu Jetset. Zu der Zeit, als wir bei Universal unterschrieben, gab es nur 40 weitere Bands. Universal war damals eigentlich kein besonders großes Label. Bis Seagram Universal aufkaufte, und Universal dann fast jedes andere Majorlabel schluckte. Plötzlich waren wir nicht mehr auf einem Label mit 40 Bands, sondern mit über 2.000 Bands. Wir waren total verloren und niemand kümmerte es, ob wir ein Album aufnahmen oder nicht. Also stritten wir ständig mit den Labeltypen herum, wer der Produzent sein sollte, wie die Songs aussehen sollten usw. Das ging über mehr als ein Jahr so, bis es mir zu bunt wurde und ich sagte: Scheiss drauf, ich will Musik machen und mir nicht ständig vorschreiben lassen, wie ich dies und das zu tun habe. Das kann ich auch alleine, schliesslich habe ich eine Plattenfirma in meinem eigenen Haus. Das war es schon im Prinzip.

Jetset befindet sich in deinem eigenen Haus?! Wie muss man sich das vorstellen?

Meine Frau betreibt Jetset. Ich bin dabei auch für die grafische Gestaltung der Platten bei Jetset verantwortlich. Ich bin richtig glücklich verheiratet. Ich hätte nie gedacht, dass das aufgrund meines Lebenstils möglich wäre, aber es funktioniert. In früheren Beziehungen habe ich die Erfahrung gemacht, dass es ein zu großes Konkurrenzdenken zwischen meiner Karriere, in Anführungszeichen, und der Karriere meiner Partnerin gab. Aber meine Frau hat einen starken Willen, sie macht ihr Ding und ich mache mein Ding. Ihre Schwächen sind meine Stärken und umgekehrt. Wir sind ein gutes Team.

Das war ja nicht deine erste Erfahrung mit einem Major.


Stimmt. COP SHOOT COP waren damals bei Interscope. Die haben eigentlich ganz gute Arbeit geleistet und sich nicht ständig eingemischt. In diesem Fall war es die Band selbst, die alles kaputt gemacht hat. Trotzdem hat Steve Albini sicherlich recht mit seiner grundsätzlich ablehnenden Einstellung zu Majors.

Ich kann mich nicht erinnern, hierzulande etwas konkretes über den CSC-Split gehört zu haben. Ich habe nur mal ein Zitat von dir gelesen, wo du sagst, dass ihr damals noch nicht einmal mehr über eure Anwälte kommuniziert hättet, weil sich keiner einen leisten konnte. Was ist eigentlich konkret passiert?

Die Band brach im Winter 1995 auseinander. Wir haben uns im Studio getrennt, als wir gerade dabei waren, ein neues Album aufzunehmen. Jeder Tag bestand dabei eigentlich nur aus unendlichen Diskussionen und Streitereien. Und unser anderer Bassist Natz hatte darüber hinaus schwerwiegende Probleme, mit denen er einfach nicht fertig wurde. Ich hatte die meisten Songs geschrieben, die aber scheinbar keiner leiden konnte. Also beendete ich die Sache, da ich nicht weiter mit Leuten zusammenarbeiten wollte, die mich hassten und die ich hasste und gründete eine neue Band. Wir haben aber nie eine große Sache daraus gemacht. Wir haben irgendwann angefangen uns zu hassen, das war´s dann. Dennoch war es schmerzhaft, diese Leute zu verlieren, mit denen ich ja auch irgendwie befreundet war und mit denen ich zusammen seit ´89 vier Alben und einige EPs aufgenommen hatte. Es war zum Schutz meiner geistigen Gesundheit zu gehen und etwas Neues zu machen. Ich habe mich damals wie ein angeketterter Hund in einem Hinterhof gefühlt, der im Kreis herumrennt und dessen Kette immer kürzer wird, bis sie dich irgendwann erwürgt.

Waren COP SHOOT COP in den USA eigentlich halbwegs erfolgreich?

Ja, sogar sehr. Wir hatten zwar keine Top Ten-Hits, aber wir waren zumindest in der Lage, problemlos von unserer Musik leben zu können. Das können sicherlich nicht viele Bands von sich sagen, was leider die traurige Wahrheit ist.

Was hast du vor CSC gemacht, da lässt sich nicht allzu viel an biographischen Daten finden?

Alles Lügen, glaub nichts davon, haha. Meine erste Band hieß SHITHOUSE. Das war eine Spaßband, die ich zusammen mit Jon Spencer in Providence, Rhode Island gegründet hatte, als er im ersten Jahr an der Uni war und ich an der Kunsthochschule. Wir stritten uns aber die ganze Zeit, da jeder die totale Kontrolle über die Band haben wollte. Er gründete danach PUSSY GALORE und ich COP SHOOT COP. Damit fing alles an.

Hört man sich FIREWATER an, kann man noch durchaus Parallelen zu CSC heraushören. Was ist für dich denn der Hauptunterschied zwischen beiden Bands?

Ich hoffe, dass der Sinn für Humor ein anderer ist. Obwohl ich bei CSC versucht habe, einen gewissen Humor in die Texte zu packen - überwiegend schwarzer Humor -, haben die meisten Leute CSC trotzdem als ernsthafte und politische Band angesehen, die mit recht eindeutigen Parolen aufwartete. Hass dies, hass das! Wobei ich immer das Gefühl hatte, Vieldeutigkeit wäre in der Musik eine viel bessere Waffe. Wenn du Leute darüber im Unklaren lässt, was du konkret meinst, werden sie eher darüber nachdenken. Aber wenn du ihnen sagst, was sie zu denken haben, ignorieren sie dich. Insofern bevorzuge ich Bands, die Fragen stellen. Jede Person kann die Songs auf ihre Art interpretieren und so wird es wirklich persönlich. Jeder, der den Song hört, ist gezwungen, daraus seinen eigenen Song zu machen. Unsere Lyrics waren zwar so angelegt, aber die Wahrnehmung von CSC sah leider anders aus.

Und wie sieht es in musikalischer Hinsicht aus? Bei FIREWATER gibt es ja teilweise Vergleiche mit Tom Waits oder Nick Cave.


Ich mag an sich beide. Tom Waits ist für mich der wichtigere Künstler, weil er konsequent Musik verlernt. Er ist ein guter Songwriter und ein ausgebildeter Musiker, aber er versucht das zu verlernen. Ich finde seine ganze Art, Songs zu dekonstruieren, sehr beeindruckend. Aber Nick Cave ist auch ein Einfluss. Ehrlich gesagt ist es mir egal, mit wem du mich vergleichst, so lange es nicht Prince ist. Bei CSC ging es vor allem darum, Musik bzw. bestimmte musikalische Traditionen zu zerstören. Wenn wir irgendwas gehört haben, was andere Leute vor uns gemacht hatten, mussten wir es sofort rückwärts spielen. Jeder Einfluss wurde zunichte gemacht. Doch wenn du etwas zerstörst, stellt sich natürlich die Frage, was daraus ensteht? Bei FIREWATER geht es deshalb eher darum, "klassischer" Musik ein persönliches Gefühl hinzuzufügen. FIREWATER nehmen unterschiedlichste Einflüsse und sagen nicht, dass die per se schlecht sind, woher sie auch immer stammen mögen. Wir haben drei Israelis in der Band, wodurch sich diese ganzen fremdartigen Einflüsse erklären lassen. Was ich an Musik wie Tango, Zigeunermusik oder Klezmer mag ist, dass sie traurig und fröhlich zur selben Zeit ist. Sie vermittelt, dass die Welt ein trauriger Ort ist und versucht eine fast verrückte Fröhlichkeit hinein zu bringen. Das ist der Blues des Ostens für mich. Die Melodien sind melancholisch, aber gleichzeitig kann man lachen. So sieht auch meine Persönlichkeit aus, deshalb kann ich mich gut damit identifizieren.

Wie sieht dein Verhältnis zu New York aus?

Da die Alternative Music-Szene dort relativ klein ist, herrscht eine ziemlich große Konkurrenz. In New York sind die Mieten extrem hoch und du musst dich schon ziemlich abmühen, um überhaupt da leben zu können. Jeder versucht deshalb, den anderen zu übertrumpfen, wobei jetzt niemand versucht, dir die Kehle durchzuschneiden, um dich als Konkurrenten loszuwerden. Aber die Leute versuchen wesentlich stärker, etwas besonderes zu sein, was durchaus okay ist. Vielleicht die einzig gute Seite von Kapitalismus, denn so ein Überlebenskampf bringt scheinbar richtig gute Kunst hervor.

Das Cover von "The Ponzi Scheme" zeigt ein Pyramidenschema, dem wohl auch ein ökonomisches Schema wie eben Kapitalismus zugrunde liegt. Was hat es damit auf sich?

Die zugrunde liegende Idee war eigentlich die, dass es in den meisten Songs der Platte darum geht, eine Art Gott zu finden, an den man wirklich glauben kann. Aber alle Religionen, die einem präsentiert werden, sind sehr weit von Gott entfernt oder haben überhaupt nichts mit Gott zu tun bzw. mit jeglicher Art von Glauben. Das erscheint vergleichbar mit einem Pyramiden-Schema zu sein, wo du an etwas fast unmögliches glauben musst. Insofern mache ich mich damit über das Christentum, aber auch über andere Formen organisierter Religion lustig, wo du an etwas extrem unglaubwürdiges glauben sollst. Du denkst, am Ende gäbe es die grosse Abrechnung, aber es ist alles nur ein riesiger Schwindel. Ursprünglich handelt es sich dabei tatsächlich um ein ökonomisches Prinzip, aber ich benutze es, die Parallelen zwischen Christentum oder Hinduismus aufzuzeigen bzw. organisierter Religion ganz allgemein.

Auf der ersten FIREWATER-Platte hattest du dich ja bereits mal in Form eines Bier trinkenden, rauchenden Jesus über das Christentum lustig gemacht.

Das war ein kindischer Scherz und ich würde das in dieser Form sicherlich nicht noch einmal machen. Damals schien es eine gute Idee zu sein. Wir bekamen deswegen einen Haufen komische Briefe, viele davon aus dem Gefängnis, in denen stand, dass man über Jesus keine Witze machen dürfe, er würde ja schliesslich auch keine Witze über uns machen. Also, erstmal ist Jesus tot, deshalb kann er auch keine Witze über FIREWATER machen. Ausserdem habe ich sogar grossen Respekt vor der Person Christus, ganz im Gegensatz zum Christentum. Christus war eine sehr interessante historische Figur: er hatte einige wichtige Sachen zu sagen und hat zu Lebzeiten viel Gutes getan. Aber das Christentum hat dabei einiges ziemlich missverstanden. Ich wünschte, ich könnte an Gott glauben bzw. daran, dass wir aus einem bestimmten Grund auf dieser Welt sind, was ich aber bezweifele. Der einzige Zweck scheint zu sein, mit anderen Leuten irgendetwas zu teilen, um das Elend etwas komfortabler zu gestalten. Ich muss wohl wie eine ziemlich depressive Person klingen, aber ich bewahre mir durchaus meinen Humor, denn Humor hält dich am Leben. Nicht auszudenken, wenn ich die ganze Zeit ernst wäre...