MONEYBROTHER

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A Soul Man!

MONEYBROTHER brachten 2003 mit „Blood Panic“ ihr Debütalbum in Schweden heraus. Eigentlich ist es eine Frechheit, dass die Schweden schon 2003 in den Genuss dieses Albums kamen. Denn „Blood Panic“, das in Europa im Frühjahr 2004 via Burning Heart Records erschien, ist so verflucht gut, dass ich von dem Album nicht genug bekommen kann. Ich würde sogar soweit gehen und sagen, MONEYBROTHER haben mit den zwölf Songs auf „Blood Panic“ ein Stück zeitlos großartiger Musik gemacht.
MONEYBROTHER sind zu siebt und spielen eine Mischung aus Soul, Pop und Rock. Auch wenn Anders Wendin, Kopf der Band, fast ausschließlich Liebeslieder schreibt, hat der Gute ein Händchen dafür, gute Texte und, vor allem, tolle Musik zu schreiben, die an keiner Stelle kitschig ist. Bläser, ein paar Streicher und Piano runden den Sound der Band so ab, dass nach dem ersten Durchlauf von „Blood Panic“ klar ist, dass es sich hier um eine der besten Platten dieses Jahres handelt. In Schweden sah das nicht nur die Punkrock-Gemeinde so, denn „Blood Panic“ war für mehrere Grammys nominiert, hat Goldstatus erreicht und ist in den schwedischen Top Ten gewesen. Hat der schwedische Mainstream-Hörer etwa Geschmack? Scheinbar schon. Und ja, eine Band wie MONEYBROTHER hat den Erfolg verdient. Als sich MONEYBROTHER im April das erste Mal aus Schweden raus trauten, saß ich an einem wolkigen Samstagnachmittag Anders Wendin im Hinterhof des Magnet in Berlin gegenüber. Der Gute war just gelandet, und musste am nächsten Tag schon wieder nach Schweden zurück.
Anders, du bist eben in Berlin angekommen und fliegst morgen schon wieder nach Schweden. Genervt?

„Auf keinen Fall, es ist nett hier zu sein und endlich eine Show außerhalb Schwedens zu spielen.“
Ihr spielt aber nicht als komplette Band, oder?
„Stimmt, wir spielen heute nur zu dritt. Mein Dummer, mein Bassist und ich. Da wir nur für eine Show gekommen sind, wäre es zu teuer gewesen, mit allen sieben Mitgliedern der Band nach Deutschland zu fliegen.“
Bevor du kamst, saßen dein Drummer und dein Bassist mit uns hier und zeigten sich sehr interessiert an Politik und Geschichte. Sind das Themen, die auch dich berühren?
„Da Politik mein und unser Alltagsleben beeinflusst, ist es mir wichtig, ein politisches Bewusstsein zu entwickeln. Ich denke, wenn man in Schweden aufwächst, bekommt man schon in der Schule eine gute politische wie geschichtliche Bildung mit auf den Weg. Und alle bei MONEYBROTHER haben ein gewisses politisches wie geschichtliches Interesse.“
Was dein Songwriting nicht maßgeblich beeinflusst, oder?
„Stimmt! ‚Don‘t Call The Police‘ ist der einzige politische Song auf ‚Blood Panic‘. Der Song ist von den Ausschreitungen in Göteborg beeinflusst, die im Rahmen des 2001er G8-Gipfels dort stattfanden. Damals wurde ein Demonstrant von der Polizei erschossen, was in Schweden so gut wie niemals passiert. Für viele Menschen war dies ein Punkt, an dem sie realisierten, dass etwas nicht stimmt, und dass man eben nicht blind der Obrigkeit vertrauen sollte. Als ich diese Entwicklung bemerkte, wollte ich unbedingt einen Song darüber schreiben. Nach wie vor ist der Tod des Demonstranten in Göteborg ein Thema in Schweden, das die Leute nicht vergessen. Ich denke, dass dieses Ereignis einen bleibenden Eindruck in der Geschichte des Landes hinterlassen wird.“
Denkst du, der Todesfall in Göteborg hat Menschen, die normalerweise dem politischen System Schwedens eher unkritisch gegenüber stehen, dazu angeregt, das jetzt mehr zu hinterfragen?
„Definitiv! Wobei der Prozess gegen den Polizisten, der den Demonstranten erschossen hat, ja noch läuft. Er wird vielleicht nicht ins Gefängnis kommen, aber wird er schuldig gesprochen werden müssen, da der öffentliche Druck wächst. Die Öffentlichkeit scheint wegen des Vorfalles begriffen zu haben, dass es der Polizei im Grund nur darum ging, in Göteborg Jagd auf Demonstranten zu machen.“
Bei den Protesten in Göteborg haben damals THE (INTERNATIONAL) NOISE CONSPIRACY gespielt. Ist eine Show bei einem Protest etwas, was für MONEYBROTHER auch in Frage käme?
„Wir haben sogar am Tag, bevor T(I)NC nach Göteborg aufbrachen, mit ihnen in Hulsfred gespielt. Ich war leider nicht bei den Protesten dabei. Aber um auf deine Frage zu antworten: Ja, wir würden definitiv bei einem Protest spielen. Wenn es um eine gute Sache geht, sind wir dabei, keine Frage.“
Mit Ausnahme von „Don‘t Call The Police“ findet sich dafür in jedem Song auf „Blood Panic“ Liebe als durchgehende Thematik ...
„Ja, da hast du Recht. MONSTER, die Band in der ich gespielt habe, bevor es MONEYBROTHER gab, war sehr von Soul beeinflusst, aber dennoch eine Punkrock-Band. MONEYBROTHER sind sehr viel stärker von Soul beeinflusst. Da es in Soul-Songs fast ausschließlich um Liebe geht, inspirieren sie mich dazu, selber fast nur über das Thema zu schreiben. Liebe ist ein simples Gefühl, das aber sehr schmerzen kann. Was ich versuche, ist einen Gefühlsmoment einzufangen und ihn bestmöglich in einem Song zu verarbeiten. Nimm ‚Reconsider Me‘, mein Versuch, die Bitte an ein Mädchen, zu mir zurück zu kommen, musikalisch rüber zu bringen.“
Was macht ein perfektes Liebeslied für dich aus?
„Was mich bei Liebesliedern überzeugt, und was ich bei den meisten Liebesliedern heutzutage vermisse, ist ein gewisser Anspruch. Was ich damit meine, ist, dass ein Liebeslied gleichzeitig Gefühl, Ehrlichkeit, aber auch eine gewisse Stärke zeigen muss. Seien wir ehrlich, in den meisten meiner Songs geht es ohne Umschweife um Sex. Ich versuche dabei aber romantisch zu schreiben und nicht wie ein Dummkopf aufzutreten. Denn für mich ist Liebe kein Thema zum Scherzen. Was wiederum nicht heißen soll, dass nicht auch Liebeslieder cool sein können. Nimm Willy DeVille oder Bruce Springsteen, beide haben romantische Liebeslieder geschrieben, die cool sind.“
Du hast gerade MONSTER erwähnt. Euer Album „Gone, Gone, Gone A Bash Dem“, das 1999 auf Burning Heart erschien, ging ja leider etwas unter. War das ein Grund, MONSTER aufzulösen?
„Nein, als MONSTER 2000 mit den HIVES und T(I)NC auf Tour waren, sah ich, wie unorganisiert die Band im Gegensatz zu den HIVES und T(I)NC war. Die HIVES und T(I)NC waren für mich Beispiele dafür, wie Bands funktionieren sollten: Sie spielten gute Shows, tourten viel und machten regelmäßig Platten. Im Gegensatz dazu war MONSTER eine chaotische Band, mit der ich mein Ziel, ähnlich zielstrebig Musik zu machen wie die HIVES oder T(I)NC, nicht realisieren konnte. Ich hatte außerdem begonnen, Songs zu schreiben, die nicht mehr zu MONSTER passten. Ich begann, musikalisch aus dem Punkrock-Bereich auszubrechen. Deswegen, und weil die Band nicht funktionierte, habe ich MONSTER aufgelöst. MONEYBROTHER, das bin ich und niemand sonst. Ich lade Freunde und Musiker ein, die mich begleiten, aber der Kopf des Ganzen bin ich. Ich schreibe die Songs, die Musik und führe die Band.“
Was meinst du mit „die Band führen“?
„Ganz einfach: Wenn jemand nicht so spielt, wie ich will, fliegt er raus. Ich bin MONEYBROTHER. Wenn sie ihre Musik spielen wollen, können sie eine eigene Band gründen. Bei meiner Musik bin ich kompromisslos. Ich bin 29 Jahre alt und spiele schon eine Ewigkeit in verschiedenen Bands. MONEYBROTHER geht endlich in die Richtung, in die ich immer wollte, deswegen habe ich das Sagen. Sollte mich jemand bitten, in seiner Band Gitarre zu spielen, würde ich genauso allen Anweisungen befolgen.“
Und da gibt es keine Probleme?
„Es gibt keine Probleme, da ich den Leuten von vornherein sage, was sie zu erwarten haben. Aber auch wenn ich das Sagen habe, sind wir alle sehr gut befreundet.“
In Schweden hattet ihr mit „Blood Panic“ massiven Erfolg. Ist das die Richtung, in die du wolltest?
„Nein, ich wollte keine Musik-Karriere machen. Dass wir einen solchen Erfolg gehabt haben, empfinde ich als verrückt. Wir waren 2003 in den schwedischen Top Ten, dann waren wir wieder raus aus den Charts, und kamen Weihnachten 2003 noch mal in die Top Ten. Auf einmal war jeder nett zu uns, und alles ging sehr viel leichter als vorher. Und dabei wollte ich mit MONEYBROTHER einzig und allein die Musik machen, die ich liebe. Sicher, der Erfolg freut mich, hätte er sich nicht eingestellt, hätte es mich auch nicht weiter berührt.“
Kannst du dir erklären, wie der Erfolg zustande kam?
„Ich habe keine Ahnung. Wir sprechen in Schweden eine breite Schicht von Leuten an. Wir haben deswegen auch nicht gezögert, das Angebot anzunehmen, mit den BEATSTEAKS zu touren. Warum ‚Blood Panic‘ aber so erfolgreich war, ist mir schleierhaft, und es überrascht mich auch.“
Ein Gefühl, das ich bei vielen ruhigeren Platten habe, ist, dass es den Songs an Details mangelt. Oft habe ich das Gefühl, dass an einer Stelle noch etwas hingemusst hätte, um den Song cool zu machen. Das Gefühl hatte ich bei „Blood Panic“ nicht.
„Vielen Dank! Das ist größtenteils der Verdienst von Jari Haapalainen, unserem Produzenten. Generell denke ich, dass die Vielschichtigkeit unseres Sounds dadurch entsteht, dass wir bei sieben Bandmitgliedern sehr viele verschiedene Einflüsse haben. Viel Rock‘n‘Roll, Reggae, Soul, Pop, Punkrock. Das alles fassen wir bei MONEYBROTHER als Rock‘n‘Roll zusammen.“
Wie weit spielt da Punkrock eine Rolle?
„Ich komme aus dem Punkrock-Bereich. Aber ich verstehe, worauf du abzielst. Darauf, dass man Punkrock nicht unmittelbar in unserem Sound ausmachen kann. Punkrock ist unser Background, und spiegelt sich in der Haltung der einzelnen Bandmitglieder wieder, und weniger in unserer Musik. Dennoch versuchen wir einen engen Kontakt zur Punkrock-Szene aufrecht zu erhalten.“
Was sind deine fünf liebsten Platten ever?
„Das ist eine schwere Frage. Ich würde sagen, alle Alben vom Van Morrison, Naughty Dread, Bob Marley, BAD BRAINS und Lauryn Hill.“