SHAKIN‘ NASTIES

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Snotty Rock‘n‘Roll From Bremen

Gut, machen wir uns nichts vor. Die SHAKIN‘ NASTIES sind neben den SHOCKS wohl das Beste, was die magische 77 momentan zu bieten hat. „Old School Punkrock deluxe“ nennt es ein spanischer Musikredakteur, und wir nicken ob der präzisen Beschreibung anerkennend mit Kopf. Retro heißt das Zauberwort, nicht nur in Designermöbelkatalogen oder bei C&A Young Fashion. Die SHAKIN‘ NASTIES sind retro, allerdings auf eine äußerst angenehme, vollkommen trendlose Art und Weise. Sie sind einfach so, ja, nennen wir es ruhig „original“.

Es mag zum einen die Art sein, wie sie geschickt immer wieder kurze Sequenzen aus den 60ern in ihren rauen Spätsiebziger-Punk einfließen lassen, die das Gesamtbild SHAKIN‘ NASTIES erfrischend vom Gros internationaler, vor allem amerikanischer Retroproduktionen abhebt. Zum anderen ist es sicherlich Jasper Hoods unverwechselbarer Gesang, der schon im Background der MOORAT FINGERS für Furore gesorgt hat. Waren doch die besten Songs der verblichenen Bremer immer die, bei denen sich Hood im Refrain oder auch zwischen den Zeilen zu Wort melden durfte. Dabei sind die SHAKIN‘ NASTIES nichts anderes als die MOORAT FINGERS minus dem ehemaligen Sänger Gax plus Bassist und Mädchenschwarm Kriddel, der vor geraumer Zeit dem Trio zugeführt wurde, weil sich Jasper voll und ganz auf das Singen konzentrieren wollte. Und wie gut das der Band getan hat, merkt man vor allem live, wenn der in Wales geborene Wahlbremer wie mit Beinprothesen über die Bühne stakst und sich dabei den Kopf rot schreit. Es macht Spaß, dem Quartett bei seinen Auftritten zuzuschauen, mit Ex-Amerikaner Todd Kramer, dem am Schlagwerk schon beim zweiten Song die Halsschlagader zu platzen droht, und dem in England geborenen Tim Blitzkrieg an der Gitarre, der selbst am späten Abend immer so aussieht, als sei er gerade aufgestanden.
Es fällt schwer einen Auftritt der NASTIES bewegungsfrei zu verfolgen, aber es ist wohl ein Problem der Neuzeit, dass es vor allem bei kleineren Shows noch immer sehr statisch zugeht. „Ja, man muss sich wirklich manchmal wundern“, stimmt Jasper im rotzigen, walisisch akzentuiertem Deutsch zu. „Warum gehen die Leute überhaupt aus, wenn sie sich nicht amüsieren wollen? Na ja, aber bis jetzt können wir uns eigentlich nicht beklagen. Der Großteil der Shows läuft erstaunlich gut. Was manche Leute nicht zu verstehen scheinen ist, dass Live-Musik auch vom Austausch von Energie zwischen Band und Publikum lebt. Du willst eine gute Rock‘n‘Roll Show? Dann tu verdammt noch mal was dafür! Gib etwas zurück. Weißt du, wir sind nicht mehr besonders jung, und auch nicht unbedingt körperlich fit, aber wir versuchen auch die letzten Reserven rauszuholen und alles zu geben. Ich bin der Meinung, dass jeder, der nicht mitrockt auf gewisse Art geizig ist ...“, redet sich der kleine Kerl in Rage.
„Wir üben Stücke für unsere neue LP ‚Unplug The Jukebox‘, die wir im August aufnehmen werden,“ begründet Jasper die momentane Live-Pause, die allerdings nichts weiter als die Ruhe vor dem Sturm zu sein scheint. „Wenn alles gut geht, wird das Album rechtzeitig zur ‚The World Will End Yesterday‘-Tour mit den SHOCKS und DISTRICT im Oktober fertig sein“, fügt er dann noch eher beiläufig hinzu, und weiß vermutlich nicht einmal, welche Emotionen er damit in dem ein oder anderen kleinen Punkrockherzen auslösen wird. SHOCKS, DISTRICT und SHAKIN‘ NASTIES?! Also quasi die Top 3 der europäischen 77er-Charts?! Danke, Herr! Schon jetzt glaubt man Jaspers Vorfreude greifen zu können: „Die SHOCKS sind eh Freunde von uns. DISTRICT habe ich selbst zwar noch nicht gesehen, aber viele Leute haben mir erzählt, dass ihr neues Album fantastisch sein soll. Scheiße, ich kann es kaum erwarten, auf diese Tour gehen. Das kann einfach nur ein riesiger Spaß werden.“ Definitiv, und fast ist man gewillt, diesem Sommer ein sofortiges Ende zu setzen.
Die Frage, ob es besondere Tour-Storys gibt, beantwortet stilbewusst patzig mit einem präzisen „Nein“, auch wenn man sich das bei dieser Formation kaum vorstellen kann. Schließlich erzählt man sich Geschichten von aufgetretenen Backstage-Türen und ähnlichem. „Ach, das war früher. Vielleicht ist hier und da mal was passiert, vor allem, als Todd noch getrunken hat. Aber das macht er jetzt schon einige Jahre nicht mehr, und im Grunde genommen ist er einer der nettesten Menschen auf diesem Planeten.“ Das glaubt man gerne, wenn man den Amerikaner trifft, auch wenn sich um ihn andere kuriose Gerüchte halten, wie z.B., dass er erst 25 ist und nur deshalb doppelt so alt aussieht, weil er zweimal sein eigenes Körpergewicht in Crack geraucht hat. „Haha, wo hast du denn den Schwachsinn her?“, muss selbst Jasper lachen. „Das stimmt sicher nicht. Es kann sein, dass er irgendwann mal Crack geraucht hat, aber 25 ist er seit langem nicht mehr. Seit langem! Was kaum einer weiß ist, dass Todd schon 1986 im Thrasher-Magazin zu einem der fünf Besten Hardcore-Schlagzeuger Amerikas gewählt wurde. Und da war er sicher nicht sieben. Haha, im selben Jahr ist Kriddel norddeutscher Champion im Breakdance in der Klasse der unter zehnjährigen geworden. Das stimmt. Unser Nesthäkchen. Hehe ...“
Was bleibt ist die Frage, ob es auch nur ein Gerücht ist, dass Herr Hood einmal gesagt haben soll, dass es mit Underground-Musik seit 22 Jahren bergab geht? „Nein, kein Gerücht, das stimmt“, gibt er unumwunden zu, gesteht eine Veränderung aber sofort. „Ich muss zugeben, dass es vor allem in den letzten Jahren wieder einige gute Bands und Platten gegeben hat. Nehmen wir nur mal die BRIEFS oder die SPITS, die DIRTBOMBS, MARKED MEN, AMERICAN DEATH RAY und in Deutschland natürlich die SHOCKS und DEAN DIRG. Und es gibt die SHAKIN‘ NASTIES. So schlecht kann Underground-Musik also gar nicht sein.“ Und da hat er Recht. Verdammt recht!

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