Lars Frederiksen

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Hägar, der Bastard

RANCID sind eine meiner Lieblingsbands. Ebenso schätze ich das erste Album von LARS FREDERIKSEN & THE BASTARDS, die andere Band des RANCID-Sängers/Gitarristen Lars Frederiksen. „Viking“, das zweite Album von LARS FREDERIKSEN & THE BASTARDS, das im Juli erschien, enttäuschte mich musikalisch zwar nicht, negativ an dem Album fand ich aber die Fotos im Booklet, auf denen Lars Frederiksen mit nackten Pornodarstellerinnen posiert, das Wikinger- und Rocker-Getue, das von Lars Frederiksen an den Tag gelegt wurde, und ein Promo-Foto, das Frederiksen zeigt, wie er sich ein Messer an den Hals hält und pseudo-gefährlich dreinschaut. Während ich „Indestructible“, das 2003er Album von RANCID, liebe, ist „Viking“ ein Album, das ich mit gemischten Gefühlen sehe. Gemischte Gefühle hatte ich auch, als ich mich zum Interview mit Lars Frederiksen aufmachte. Als ich Herrn Frederiksen aber im Berliner Knaack gegenübersaß war vieles von dem Image, das durch „Viking“ vermittelt wurde, weg. Anstelle eines alten peinlichen Rockers saß dort ein kleinwüchsiger, netter Typ, der sich als redefreudiger und ehrlicher Interviewpartner präsentierte.

Lars, welche Frage wurde dir in Europa am häufigsten gestellt?


„Oh Gott, da fragst du was. Warte, ich weiß ... Am häufigsten wurde ich gefragt, was der Unterschied zwischen RANCID und LARS FREDERIKSEN & THE BASTARDS ist. Das ist schnell beantwortet, RANCID ist eine Band, LARS FREDERIKSEN & THE BASTARDS nicht.“

Du sagtest mal, dass die BASTARDS eine Erweiterung von RANCID sind.

„Man kann die BASTARDS als Erweiterung von RANCID sehen, da Tim Armstrong und ich bei den BASTARDS und RANCID zusammen arbeiten. Bei RANCID spielen wir beide in der Band, bei den BASTARDS schreiben Tim und ich die Songs, und er hat unsere beiden Alben, ‚Self titled‘ und ‚Viking‘, produziert.“

Mein Lieblingssong auf „Viking“ ist „Gods Of War“.


„Echt? Du bist der Erste, der das sagt. Grundsätzlich geht es in ‚Gods Of War‘ um George Bush, die eigentliche Thematik des Songs geht aber viel weiter. Es geht darum, wie die Geschichte der Vereinigten Staaten von Amerika von Gewalt geprägt ist. Im Fünf-Jahres-Takt redet die amerikanische Regierung dem Volk ein, dass die USA einen neuen Feind haben. Saddam Hussein, Gaddafi, die Liste ist lang, und dadurch, dass die amerikanische Regierung regelmäßig neue Feinde schafft, sind wir ununterbrochen in Kriege verwickelt. Der zweite Weltkrieg, der Vietnamkrieg und der Kalte Krieg sind nur drei Beispiele dafür, dass die USA politische ‚Gods Of War‘ sind.“

Welche Rolle spielt Politik für RANCID, die BASTARDS und dein Leben?


„Während ‚Gods Of War‘ einer der wenigen politischen Songs der BASTARDS ist, war RANCID immer schon eine politische Band. Manche Menschen denken, dass dadurch, dass RANCID auf ‚Rock Against Bush Vol. 2‘ sind, die Band über Nacht politisch wurde. Das ist falsch, auf jedem RANCID-Album haben wir Politik aufgegriffen. Mal haben wir politische Themen direkt angesprochen, also konkret über einen Zustand gesprochen, mal haben wir politische Zustände aus einem persönlichen Blickwinkel beleuchtet. Mir ist eine politische Haltung wichtig, und ich hoffe, dass George Bush abgewählt wird. Aber ich werde niemanden verurteilen, der George Bush wählt. Denn sobald man jemanden verurteilt, der eine andere Meinung als man selber vertritt, ist man nicht besser als irgendein Nazi.“

Wie stehst du dann zu punkvoter.com?

„Punkvoter macht Sinn, weil die Kampagne eine informative Funktion erfüllt. Durch Punkvoter werden Menschen auf Politik und die Wichtigkeit der kommenden Wahlen aufmerksam gemacht. Aber jeder sollte für sich selbst entscheiden, wen er oder sie wählt. Niemand sollte eine politische Meinung vertreten, nur weil jemand, der prominent ist, sie vertritt. Was die Kids lernen müssen, ist sich zu informieren, selber zu denken und sich eine eigene Meinung zu bilden.“

Wie kommst du zu dieser Aussage?

„Weil ich denke, dass niemand das machen sollte, was ich sage. Ich bin kein Vorbild für irgendjemanden, ich bin kein Michael Jordan, ich bin Lars Frederiksen, und was ich sage, spiegelt mich wieder, niemanden anders. Was ich tue, und was für mich gut ist, muss nicht für jemanden anderen gut sein.“

Nichtsdestotrotz lieferst du mir deiner Musik Grundlagen dafür, dass sich Menschen Meinungen bilden, oder nicht?

„Wenn die Songs von RANCID oder den BASTARDS Denkanstöße für Menschen sind, dann ist das gut so. Wenn nicht, dann eben nicht. Sieh es mal so: Uns geht es darum, dass diejenigen, die unsere Musik hören, eine Beziehung zu ihr aufbauen können. In beiden Bands kehre ich bzw. kehren wir unser Innerstes nach außen. Deswegen kann ich Menschen verstehen, die sagen, dass sie mich und die anderen in den Bands kennen, eben weil wir ehrlich sind, und nicht vorspielen anders zu sein, als wir wirklich sind.“

Wie sieht so eine Beziehung aus, die Menschen zu deiner Musik aufbauen?

„Wenn jemand sich selber in den Songs wieder findet, dann baut sich eine solche Beziehung auf. Viele meiner Songs sind autobiographisch. Vor allem auf ‚Viking‘ habe ich meine Jugend verarbeitet. Meine Drogen- und Alkoholsucht trieb mich dahin, dass ich alten Kerlen für 20 Dollar in Wichskabinen einen runter geholt habe. Ich war in Sraßenkämpfe verwickelt, und weiß wie es ist, in einer Situation zu sein, in der du dich verlassen fühlst. Mittlerweile mache ich nichts mehr von dem, aber ich spreche darüber, dass ich es getan habe. Vielleicht gibt es Kids da draußen, die ähnliche Situationen durchleben. Wenn unsere Songs die ansprechen, dann ist die Beziehung zwischen Musik und Hörer da, die ich vorhin meinte. Dann sprechen wir zu Kids, so wie THE CLASH, ROSE TATTOO, MOTÖRHEAD und SOCIAL DISTORTION einst zu mir sprachen, und mir halfen, mit meiner Situation klar zu kommen.“

Wenn du deine damalige Situation beschreibst, wirkst du so, als ob du wünschst, du könntest das ungeschehen machen.

„Das tue ich nicht. Ich denke, dass alles, was ich durchlebt habe, einen Grund hatte, und letzten Endes haben mich meine Erfahrungen zu dem gemacht, was ich heute bin.“

Das wiederum klingt religiös.

„Hm, ich bin ein spiritueller Mensch, aber ich würde das, was ich dir eben sagte, nicht als religiös bezeichnen. Die Definition von Religion ist, zurück zu deinen Wurzeln zu finden. Damit hat meine Lebensgeschichte aber wenig zu tun. Meine Wurzeln sind meine dänische Herkunft, meine Familie und die Musik, nicht unbedingt das, was ich erlebt habe.“

Lass uns noch ein wenig über „Viking“ sprechen. Was zum Geier ging dir bei der Gestaltung des Booklets durch den Kopf?

„Das Booklet ist eine Reaktion auf die momentane politische Lage in den USA. In den USA sind die Leute verängstigt und deswegen trauen sich nur wenige Bürger, ihre Meinung zu sagen. Daraus resultiert, dass die allgemeine Zensur ein leichtes Spiel damit hat, alles, was nicht in einer bestimmtes Raster passt, zu zensieren. In dieses Raster wollte ich nicht herein passen und deswegen habe ich mich entschieden, Pornodarstellerinnen mit mir auf dem Cover posieren zu lassen. Die Art und Weise, wie du die Frage gerade stellst, zeigt, dass das Cover einen negativen Eindruck bei dir hervorgerufen hat, richtig?“

Du triffst den Nagel auf den Kopf.

„Das sollte es auch ... Für meine Begriffe ist das Cover Kunst, und die nackte Haut, die im Booklet zu sehen ist, steht für Meinungsfreiheit und dafür, zu tun und zu lassen, was man will. Kunst sollte nicht zensiert werden. Wenn Leute Probleme mit dem Cover von ‚Viking‘ haben, zeigt das, dass sie zu verkrampft sind. Es ist nichts falsches daran, sexy zu sein.“

Im ersten Moment, als ich das Cover sah, schoss mir das Wort Sexismus durch den Kopf.

„Wenn du die Fotos im Booklet für etwas hältst, was Frauen erniedrigen sollen, dann hast du die Sache nicht verstanden. Wenn mir jemand einen Sexismus-Vorwurf wegen des Covers macht, interessiert mich das ehrlich gesagt nicht. John Lennon und Yoko Ono waren nackt auf Plattencovern zu sehen, und niemand nannte John Lennon einen Sexisten. Warum soll ich dann auf einmal einer sein? Wie ich gerade sagte, das Cover ist ein ‚Fuck You‘ in Richtung Zensur und ein Plädoyer für Meinungsfreiheit.“

Aber wenn das Cover für Meinungsfreiheit und unzensierte Kunst steht, warum werden dann schwarze Balken über die Brustwarzen und Schambereiche der abgebildeten Frauen gelegt?

„Erstens musst du dich an Gesetze halten, und zweitens lassen die geschwärzten Brustwarzen und Schambereiche etwas für die Vorstellungskraft der Betrachter über. Du kannst dir vorstellen, wie die Mädels nackt aussehen, du siehst sie aber nicht nackt vor dir. Darüber hinaus muss ich dir ehrlicherweise sagen, dass mich nackte Frauen nicht ansprechen. Ich mag es, wenn Frauen schöne Kleidung tragen, das finde ich sexy. Deswegen finde ich, dass die Frauen mit den schwarzen Balken besser aussehen, als wenn sie nackt wären.“

Wurden dir viele Fragen zum Cover gestellt?

„Nein, es scheint, als ob die meisten Leute das Cover als das sehen, was es ist: Kunst. Ich verstehe nicht ganz, warum das Cover Aufregung verursacht. Bilder von nackter Haut gibt es schon ewig. Ich kann nicht verstehen, warum jemand, der mich nicht kennt, mich anhand des Covers verurteilt bzw. beurteilt. Wenn man sich einigermaßen mit mir, RANCID und den BASTARDS beschäftigt und mal die Texte liest, weiß man, dass ich verdammt noch mal kein Sexist bin. Ich benutze die Worte ‚Hure‘ und ‚Prostituierte‘ auf ‚Viking‘, okay. Aber ich benutze diese Worte, weil ich mit Prostituierten geschlafen habe, nicht weil diese Worte meine generelle Meinung über Frauen widerspiegeln.“

Akzeptierst du Kritik an „Viking“, nicht nur wegen des Covers?

„Nur von Tim Armstrong, Brett Reed und Matt Freeman. Die Meinungen der Leute von RANCID, der Familie, sind mir wichtig. Kritik von jemandem anderem zieht an mir vorbei.“

Du beschränkst dich mit dieser Antwort auf RANCID und schließt die BASTARDS aus.

„Haha, stimmt, RANCID ist demokratisch strukturiert, die BASTARDS sind eine Diktatur und ich bin der Dikator, das ist ein zweiter Unterschied zwischen den Bands, womit wir wieder bei deiner ersten Frage wären.“

Warum hast du eine dänische Flagge hinter dir auf der Bühne hängen?

„Ich bin stolz auf meine dänischen Wurzeln, deswegen hängt die Flagge auf der Bühne. Es geht mir weniger um das Land Dänemark, es geht mir darum, durch die dänische Flagge Respekt gegenüber der dänischen Mentalität und Kultur zu zeigen. Das hat nichts mit Nationalismus oder Patriotismus zu tun. Denn weder sehe ich mich als Patriot oder Nationalist, noch sehe ich mich als Amerikaner oder als Däne. Ich bin Punkrocker. Punkt!“

Fotos: Ted Terrebonne