VIVA L‘AMERICAN DEATH RAY MUSIC

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Unaussprechlich gut

Mag ja sein, dass es Bandnamen gibt, die leichter auszusprechen und zu merken sind, aber dafür kommt garantiert kein anderer drauf, sich so zu nennen, im Gegensatz zu The Wasauchimmers. VLADRM, wie sie in diesem Interview fortan heißen werden, sind eine enorm geschmackvolle Rock’n’Roll-Band aus Memphis, Tennessee, die auf zwei Alben auf Sympathy For The Record Industry verweisen kann, damit schon Geheimtipp-Status erreichte und den Teil der Gitarrenmusikliebhaber begeistert, der es auch mal etwas düsterer mag. VELVET UNDERGROUND werden hier immer wieder mal ins Spiel gebracht, was die Sache natürlich extrem verkürzt darstellt, aber wenn da dürre, spillerige Typen mit schwarzen Klamotten auf der Bühne stehen und Existenzialismus pur verbreiten, darf man das auch mal in eine Interview-Einleitung schreiben. Sowieso wird das weiter unten ja differenziert, so dass mir nur bleibt, das vorzügliche neue Album „A New Commotion, A Different Tension“, das im Herbst 2004 auf TransSolar erschien, nachdrücklich zu empfehlen. Ich sprach mit der Band nach ihrem Auftritt im Berliner Magnet während eines späten Imbisses in einer thailändischen Frittierbude. Anwesend waren Bandgründer und -boss Nick Diablo Ray (Gitarre, Gesang, einst ’68 COMEBACK) sowie Harlan T. Bobo (Bass) und Jeffrey Bouck (Drums, ex-POLYPHONIC SPREE), wobei Basser und Drummer schon des öfteren ausgetauscht wurden.

Wie und wo hat die Evolution von VLADRM begonnen?

Nick:
„Also man kann nicht von Anfang an von einer richtigen Band sprechen, da sich die Besetzung ständig geändert hat. Die erste Version spielte einen Song für eine Compilation ein, und das war nur ich allein, mit einem 4-Spur-Gerät. Das war 1995/96, und ich nannte das THE AMERICAN DEATH RAY BAND, aber eher scherzhaft, denn es gab ja keine Band. Später, als ich nach Memphis gezogen war, machte ich dann Musik mit meinen Freunden John, Susan und Jack. Wir schrieben vier Songs und spielten bei einer Hochzeitsfeier eine halbstündige Version von ‚96 tears‘. Wir existierten dann eine Weile als nur gelegentlich auftretende Band. So richtig ernst wurde es erst Ende 1999, Anfang 2000, in der Besetzung John Acosta, Ezra Pounders, Brendan Lee Spengler an der Orgel – der auch bei ’68 COMEBACK und bei den COMPULSIVE GAMBLERS war – und Suzy Hendrix.“

Ich las, dass es irgendwo auch eine Verbindung zu LOST SOUNDS gibt?

Nick:
„In Memphis herrscht totale Musikerinzucht, und ja, Rich Cook von LOST SOUNDS spielte mal bei uns Schlagzeug, und eine Weile teilten wir auch den Bassisten. Harlan spielte bis vor kurzem bei ’68 COMEBACK, Jeffrey war bei POLYPHONIC SPREE. Und ein paar andere waren auch noch beteiligt, aber das wird zu kompliziert – mal waren wir zu fünft, mal zu dritt. Die Besetzung jetzt ist aber die, wie sie in den letzten zwei Jahren Bestand hatte.“

Meine Aufmerksamkeit wurde seinerzeit erregt durch euer zweites Album „Smash Radio Hits“ auf SFTRI.

Nick:
„Das war eine Art Konzept-Album, das wir live nie so richtig umsetzen konnten, auch wenn mir die Platte sehr gut gefällt. Damals traten wir mit Orgel und Saxophon auf, und mit so vielen Leuten auf der Bühne ist das nicht immer einfach. Jetzt, als Trio, sind wir viel tighter, das gefällt mir gut.“

Jetzt seid ihr das erste Mal in Europa ...

Nick:
„Und es gefällt uns! Am meisten fällt uns auf, dass die Leute hier viel dankbarer sind, und man wird als Band sehr gut behandelt, bekommt gutes Essen.“

Kann man eine Parallele zwischen den ständigen Besetzungswechseln und dem sich ändernden Bandnamen ziehen? Und wo ordnet man euch im Plattenschrank ein?

Nick:
„Haha, wenn du willst, kann man das durchaus so sehen. Und unter A sind wir natürlich gut aufgehoben, schön weit vorne, wobei ich auch gegen V nichts einzuwenden habe.“

Und da seid ihr ganz zufällig dann auch nahe bei VELVET UNDERGROUND ...
Nick:
„Okay, auch gut. An sich kann man uns auch unter jedem anderen Wort des Bandnamens einsortieren. Und wir kennen uns mit so was aus, wir sind alle ziemliche Plattensammler-Nerds, legen auch gerne mal als DJ auf.“

Und, findet man bei euch ganz zufällig auch Platten von THE FALL und SWELL MAPS?

Nick:
„Natürlich. Und diesen Vergleich haben wir auch in einem anderen Interview schon mal gehört ...

Überrascht hat mich dagegen dieser sehr lange Dub-Song, den ihr eben gespielt habt.

Nick:
„Das ist eben ein weiterer Einfluss. Und der Song ist auf einer 12“, die Ben von den DIRTBOMBS auf seinem Label veröffentlicht hat. Wir legen uns nicht gerne stilistisch fest.“

Harlan: „Wir hören selbst so viel verschiedene Musik, und wenn das eben irgendwie passt, lassen wir es einfließen.“

Euer neues Album, das in den USA schon eine Weile raus ist, aber in Europa jetzt auf TransSolar erschien, gefällt mir bislang am besten. Was habt ihr anders gemacht?

Nick:
„Ich finde, die Songs auf dem neuen Album sind alle viel tighter. Und wir wollten den Leuten zeigen, dass wir jetzt ein Trio sind, so dass sich die Lieder auf der Platte und live entsprechen. Deshalb auch kein Saxophon und keine Orgel.“

Wie ist denn euer Verhältnis zu Sympathy For The Record Industry? Das aktuelle Album ist nicht mehr dort, sondern auf Misprint erschienen.

Nick:
„Also, SFTRI haben wirklich einen exzellenten Katalog, aber tun halt nicht viel für ihre Bands. Long Gone John sieht sich eben eher als ‚Plattenherausbringer‘ denn als typisches Label. Er kümmert sich darum, dass die Platte erscheint und gut aussieht, und das ist es dann auch schon. Er ist ein Kunstliebhaber und -sammler, der gelegentlich Platten veröffentlicht, aber das hat wohl für ihn eher was damit zu tun, eine schöne Sammlung aufzubauen. Ich kenne ihn jetzt schon ein paar Jahre, und ich erwarte von ihm nicht mehr, als Platten rauszubringen. Deshalb ist das okay für mich und ich rege mich darüber nicht auf – im Gegensatz zu anderen Bands, die damit ihre Probleme haben. Seine Deals sind recht simpel, er zahlt dir die Aufnahmen oder was du sonst so brauchst, nicht viel, aber es ist fair. Bei unseren ersten beiden Platten haben wir bei SFTRI nur die CD rausgebracht – Long Gone John wollte seinerzeit kein Vinyl mehr rausbringen. Und so kam das Vinyl bei unserem Freund Jeff von Misprint Records raus, der praktischerweise in einem Presswerk arbeitet. Bei unserer dritten Platten haben wir erst mal nur Vinyl gemacht und ihn dann überzeugt, auch die CD zu machen. Und das läuft alles gut für uns – auch, dass es jetzt auch eine europäische Pressung gibt. Das Schöne ist, dass Jeff im Pressewerk für uns auch immer wieder mal Sonderpressungen machen kann: Wenn bei einer anderen Pressung etwas rotes Vinyl übrig ist, legt er eben unsere Matrize ein und macht uns noch 20 LPs.“

Du hattest vorhin die Inzucht der Memphis-Szene erwähnt. Mit wem habt ihr denn da so zu tun, wie lebt es sich da als Musiker?

Nick:
„Memphis ist generell eine richtig gute Stadt für Musiker, obwohl auch da das Problem herrscht, dass deine Band erst überall anders im Land für gut befunden werden muss, bevor du in deiner Stadt mal ein bisschen Anerkennung erntest. Natürlich stellt man als fleißiger Konzertgänger auch in Memphis schnell fest, dass es viele schreckliche Bands gibt, doch auf die Einwohnerzahl gerechnet eben auch eine Menge gute. Was Bands anbelangt, so sind natürlich auf jeden Fall LOST SOUNDS zu nennen, aber es gibt auch noch zig andere, die echt gut sind.“