ENDSTAND

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Die Taschen voller Freiheit

Janne, der Sänger der finnischen Band, ist ein Workaholic, wie er im Buche steht. Neben seiner Band ENDSTAND betreibt er einen Plattenladen und, als ob der Tag 48 Stunden hätte, noch das Label Combat Rock Industry. Drummer Henrik wurde wegen Animal Liberation-Aktionen verklagt und hatte unlängst das zweifelhafte Vergnügen, zu spüren, wie es ist, wenn sich die Lunge langsam mit Blut füllt. Ein bewegtes Leben? Scheinbar Alltag für ENDSTAND, nehmen sie doch nebenbei das brutalste Hardcore-Album ihrer Bandgeschichte auf, ohne dabei jedoch ihre Wurzeln zu vergessen. Kurz nachdem „Burning Bridges“ im Kasten war, begab sich die Band dann umgehend auf Europatour und nur wenige Minuten nach einer strapaziösen Reise, von einem Ende der Welt zum anderen, stand mir Janne schon wieder Rede und Antwort.

Wie läuft dein Plattenladen in Helsinki?


„Es läuft gut, aber wir mussten fünf Tage vor der Tour umziehen, also war alles ziemlich hektisch. Wir hatten nämlich auch noch Shows in Finnland. Wenn wir nicht gespielt haben, habe ich all meine Zeit in den Laden investiert. Generell läuft es aber besser, als wir anfangs gedacht hatten. Die Eröffnung war im Mai und ich bin echt froh, dass alles so gut klappt.“

Euer Drummer Henrik hatte kürzlich einen Unfall, was ist passiert?

„Er hat mit seinen Freunden Fußball gespielt. Die haben eine Mannschaft und sind in einer kleinen Liga. Er ist dabei mit jemandem zusammengestoßen und hat sich eine Rippe gebrochen. Die gebrochene Rippe hat dann die Lunge verletzt und er bekam sehr viel Blut in die Lunge. Als er zum Arzt ging, schickte der ihn gleich zum Röntgen und von dort aus ging es direkt ins Krankenhaus. Henrik meinte, er hätte noch nie solche Schmerzen gehabt. Das glaube ich ihm auch. Weil er dann einige Tage im Krankenhaus bleiben musste, waren wir gezwungen, ein paar recht große Konzerte in Finnland abzusagen. Inzwischen geht es ihm wieder gut und er konnte eine Woche nach seinem Aufenthalt im Krankenhaus auch gleich wieder auf ein Festival in Schweden gehen, ganz so schlimm war es dann wohl also doch nicht. Er ist ein Kämpfer.“

Auf eurem neuen Album „Burning Bridges“ sagst du, dass die Ansichten im Alter nicht mehr so radikal sind. Was bedeutet das für ENDSTAND?

„Eigentlich ist das eine persönliche Aussage, die nicht für die gesamte Band gilt. Wenn man jünger ist, sieht man vieles schwarz-weiß, so war es wenigstens bei mir. Als ich dann mehr gesehen hatte, wusste ich, dass es nicht ganz so einfach ist. Die Menschen sind eben verschieden, dadurch entstehen auch verschiedene Sichtweisen. Das muss man ja auch nicht negativ sehen, vielleicht ist es gut, wenn jeder alles aus seiner Perspektive sehen kann. Es gibt aber trotz der Aussage natürlich noch Dinge, die mich ärgern und gegen die ich ankämpfe, aber ich versuche, die Tatsachen jetzt aus verschiedenen Perspektiven zu sehen, nicht nur aus meiner eigenen.“

Du spielst in einer Band, hast ein Label und einen Plattenladen. Deckt das deine Kosten?

„Momentan ist es so, dass der Laden all meine Ausgaben deckt, aber reich werde ich damit bestimmt nicht. Wenn ich mich arbeitslos melden würde, dann bekäme ich in etwa den gleichen Betrag. Viel ist es also nicht, was ich verdiene, aber ich kann die Dinge tun, die mir am wichtigsten sind und die ich liebe. Ich habe auch schon bei der Post gearbeitet, das war aber nicht so ganz mein Fall, obwohl ich ungefähr viermal so viel Geld verdient habe wie jetzt. So kann ich jederzeit touren oder mal einen Tag frei nehmen. Leider bleibt mir aber bei der ganzen Arbeit weniger Zeit für meine Frau, was sehr schade ist, aber da sie völlig hinter mir steht, klappt das einigermaßen.“

Welche Bedeutung hat der Titel „Burning Bridges“?

„Der Titel reflektiert unsere verbohrte Art und zeigt, wie wir die Dinge regeln. Da interessiert es uns nicht sonderlich, was andere sagen. ENDSTAND hatten immer ihren eigenen Weg. Viele der Texte beziehen sich auf Ereignisse Anfang dieses Jahres in Finnland. Unser Booker hat einen Job bei einer großen Agentur angenommen und das hat einigen Leuten wohl nicht gefallen. Also haben wir das zu spüren bekommen. So von wegen Sell-out und so weiter. Allerdings haben wir gar keine Bindung an die Agentur, eigentlich arbeitet nur ein Freund von uns dort, und er macht auch nichts anderes als zuvor als selbstständiger Booker. Das warf aber kein Geld ab, also hat er den größeren Job angenommen. Für uns hat sich nichts verändert. Wir können kostenlose Shows spielen, und die Venues sind auch die selben wie früher. Es ist eben so, dass manche Leute, die gar kein fundiertes Wissen über die Situation hatten, uns schlecht gemacht haben und im Internet Gerüchte gestreut haben. Es war schade, dass sie uns nicht einfach danach gefragt haben. Wir sind immer noch auf einem kleinen Label und alles ist ähnlich wie früher.“

Ist „Burning Bridges“ also persönlicher als die früheren Alben?

„Ja, die Entwicklung zeichnet sich schon länger ab. Ich muss mich mit den Texten identifizieren können. Ich bin kein Dichter, und deshalb muss ich kurze emotionale Regungen schnell verarbeiten und zu Papier bringen. Wenn der Moment richtig ist, dann fixiere ich einen Gedanken und den rühre ich dann auch nicht mehr an. So funktioniert es bei mir am besten. Mancher arbeitet monatelang an den Texten, stellt sie um und bei mir kommt es höchstens zu einer kleinen Veränderung, wenn wir im Studio sind.“

Das aktuelle Cover zeigt einen Schädel mit Schmetterlingsflügeln. Warum sind die Leute im HC denn so vom Tod und dessen grafischer Ausgestaltung besessen?

„Da hast du Recht, gerade ist es extrem trendy, Rasierklingen und Blutflecken auf dem Cover zu haben. Vielleicht gibt es nächstes Jahr wieder was Neues. Für uns war dieses Bild auf dem Cover eben eine Zeichnung, die ein Freund angefertigt hat. Dieser Flash-Stil gefiel uns sehr, da wir auch Tattoos mögen. Das Logo haben wir jetzt aber auch schon etwa vier Jahre, und es gibt dazu Shirts, es gefällt uns eben. Der Schmetterling ist für mich ein Freiheitsmotiv, also ist es eigentlich ein wütender Schmetterling.“

Ville Anger hat das Cover gemacht. Wer ist der Mann?

„Ville ist arbeitslos und macht Grafikdesign für ENDSTAND und mein Label Combat Rock Industry. Er ist dort auch noch Webmaster und spielt bei MANIFESTO JUKEBOX Bass. Im Moment begleitet er uns auf Tour, macht Photos und anschließend soll es ein Tourmagazin geben. Das ist sein Projekt. Ansonsten muss man noch sagen, dass er der Bruder unseres Gitarristen Juja ist. Wir haben immer unseren Freundeskreis um uns, auch was das Geschäftliche betrifft. Mir gefällt das wesentlich besser, als mit Fremden zu arbeiten. Außerdem können wir niemanden bezahlen.“

In dem Song „Fall“ von eurer „Hit And Run“-MCD heißt es, dass jeder mal das Gesetz bricht. Hast du da Erfahrungen?

„Ich persönlich zum Glück nicht, aber Henrik engagiert sich sehr für die Befreiung der Tiere, und dabei haben sie ihn erwischt. Das Resultat der Aktion war dann eine horrende Geldstrafe, aber er wurde nicht eingesperrt. Aber er ist trotzdem der Kriminellste bei ENDSTAND. Wir anderen haben uns nichts großartiges zu Schulden kommen lassen. In dem Song geht es auch mehr um Besserwisser, die gerne kritisieren, und sich ihre eigenen Fehler nicht eingestehen wollen. Denn wenn wir ehrlich sind, dann macht eben jeder Fehler. Kein Mensch ist perfekt.“

Wurde im Hardcore schon alles gesagt?

„Das denke ich nicht. Es gibt ja auch immer neue Tendenzen. Aber es ist einfach eine Szene, die bestimmte Themen hat, über die man spricht. Da ist es auch schwer, diese Gewohnheiten zu durchbrechen. Ich versuche einfach, meine Gefühle zu vermitteln. Das mag bisweilen klischeehaft klingen, aber zumindest bin ich ehrlich. Das ist mir auch sehr wichtig. Musikalisch gesehen ist es recht schwer, etwas Neues zu machen, und wenn man dann zu experimentell ist, mögen es die Leute nicht mehr. Wir verfolgen deshalb unseren Weg und versuchen, niemanden zu imitieren.“

Es gibt aber merklich mehr skandinavischen Rock’n’Roll diesmal. Entwickelt ihr euch in diese Richtung?

„Für mich ist unsere erste Platte ‚To Whom It May Concern‘ die rockigste, und viele finden Rockelemente bei uns. Das hängt mit unserem Musikgeschmack zusammen. Unser Gitarrist macht eigentlich immer das Fundament für den Song, und wir bauen darauf auf. Und er hört eben viel ROCKET FROM THE CRYPT und auch den Rock’n’Roll der 50er Jahre, das schlägt sich natürlich in unserer Musik nieder. Wir versuchen, diese Einflüsse zu unserem eigenen Sound zu verarbeiten.“

Die BOMBSHELL ROCKS haben für dein Label eine MCD aufgenommen. Wie kam es dazu?

„Ich kenne die Jungs schon eine ganze Weile. Nachdem wir mal zusammen in Finnland gespielt haben, brach der Kontakt eigentlich nie ab. Sie mögen auch Combat Rock Industry, und sagen immer, ich hätte ein gutes Herz, deshalb wollten sie mit uns arbeiten. Es wird aber nicht so sein, dass wir mit ihnen ein Album machen. Dafür sind wir ein zu kleines Label. Selbst wenn sie das gerne machen würden, käme es wohl nicht dazu, weil ich das nicht verantworten kann. Unsere Vertriebsstrukturen sind ungeeignet für so eine große Band. Wir arbeiten zwar daran, das zu verbessern, aber das ist nicht so einfach, weil es aufgrund der Vielzahl an Labels und Veröffentlichungen eben so ist, dass die Vertriebe keine neuen Kunden mehr annehmen. Ich bin aber froh, dass wir die MCD rausbringen, für mich ist es eine Ehre, auch wenn vielen das letzte Album zu poppig war. Ich halte es für eines der besten Alben in letzter Zeit, und jetzt sind sie ja wieder punkiger.“

Wie sieht eurer geschäftlicher und persönlicher Fünf-Jahres-Plan aus?

„Als Band und Label wollen wir ehrlich sein. Das vertreten, hinter dem wir auch stehen können. Die Bands, deren Alben wir veröffentlichen, wollen wir persönlich kennen. Wir bekommen viele Demos, die wir aber nur selten anhören, weil wir der Meinung sind, dass es einen besseren Weg als durch den Briefkasten geben muss. Ich hoffe, dass der Shop noch etwas wächst, damit wir weitermachen können. Persönlich wünsche ich mir mehr Zeit für meine Frau und unser Kind, weil dieser Herbst einfach viel zu hektisch war. Ich muss einen Gang runterschalten. Weißt du, ich kann nie nein sagen, deshalb muss ich besser planen und Geschäftliches in die Geschäftszeiten legen.“