HATE PINKS

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Die französische Antwort auf die BRIEFS?

Jetzt, wo die USA bald die Grenzen dicht machen und niemanden rein noch raus lassen, wird es Zeit, sich verstärkt auf die europäische Punkszene zu besinnen. Und wenn dann unsere amerikanischen Schwestern und Brüder im Geiste geläutert, durch die Bush-Gedächtnis-Hirnwäsche auf Gott und USA programmiert, in den heiligen Krieg ziehen, um sinnlos geopfert zu werden, lehnen wir Euro-Punx uns gemütlich zurück und erinnern uns an die Zeiten, in denen die Yanks noch die Limits setzten. Aber auch heute gibt’s zum Glück europäische Bands, die den Vergleich nicht zu scheuen brauchen! THE HATE PINKS fahren auf alle Fälle einen dermaßen authentischen Sound auf, dass mir beim ersten Hören fast die Tränen kamen. Das ist Punk aus dem Keller, mitten in die Fresse. Rotz, Wut, Melodie, viel Sarkasmus in Verbindung mit einem nicht zu knappen Schuss Abgedrehtheit. Wie vom Planeten Punk in unser Universum gebeamt! Durch die sehr einfache 8-Spur-Aufnahmetechnik klingen ihre Scheiben allesamt sehr roh und lebendig. Hört euch ihr Debüt „Sehr gut Rock und Roll“ (Lollipop Rec.) oder die MLP „I‘m A Parasite“ (Unity Squad) an und ihr wisst, was ich meine. Erstaunlich, was da in Marseille erblüht ist. Die Band geht Anfang 2005 erneut in Deutschland auf Tour und ich empfehle jedem einen Gigbesuch. Das Interview führte ich im Herbst per E-Mail mit Sänger Olivier.

Normalerweise ist Frankreich weltberühmt für seine feine Küche und die Modewelt. Als ich euer Plattencover das erste Mal sah, wurde ich fast blind. Enge Stretchhosen und gestreifte Krawatten. Sagt die Wahrheit! Es ist euer Ziel, den guten Ruf eures Landes zu zerstören!


„Wir ziehen uns so an, wie wir wollen. Wir hassen den ganzen Haute-Couture-Mist. Jean Paul Gauthier ist ein Stück Scheiße, wie Pierre Cardin! Nur ein kleiner deutscher Punker könnte denken, dass französische Punx sich in Yves-Saint-Laurent-Klamotten kleiden. Auf unserem nächsten Album haben wir einen Song mit dem Titel ‚Fashion is crime‘. Was denkst du, was wir auf den guten Ruf Frankreichs geben? France sucks!“

Ich bin verwundert über die Geschwindigkeit, mit der ihr in so kurzer Zeit in der internationalen Punkwelt einschlugt. Euer erster Gig war gerade vor zwei Jahren. Jetzt, nach vier Veröffentlichungen mit großartigen Kritiken und ungezählte Gigs später, was kann da noch mehr kommen?

„Wir begannen mit den HATE PINKS kurz nach dem Ende meiner vorigen Band GASOLHEADS. Es war sehr hilfreich, die alten Kontakte in ganz Europa zu nutzen, aber wir dachten erstmal nie daran, ein Album zu produzieren oder eine Europa-Tour zu machen, und das schon sechs Monate, nachdem wir das erste Mal probten. Uns egal! Wir wollen nur kurze, angepisste und lustige Songs machen, in guten Läden spielen und auf coolen Labels unseren Kram veröffentlichen. Das einzige, was wir außerdem gerne machen würden, ist in den USA zu touren. Nur um mal zu schauen, wie es so abgeht im Land der Hamburger-Fresser.“

Ich denke, ihr Jungs von HATE PINKS liebt den wirklichen 77er-Punkrock. Glaubt ihr nicht, es ist langweilig, diesen alten Style heute noch zu spielen? Wie reagiert das Publikum bei euren Gigs darauf?

„Nein, auf keinen Fall ist dieser Stoff langweilig! Diese Musik ist die einzige, die Wut mit Melodie verbindet und du kannst noch etwas Humor draufsetzen. So wie die DICKIES, ANGRY SAMOANS oder die RAMONES. Das Publikum ist nicht unbedingt das Maß unserer Dinge, aber es scheint, sie mögen auch, was wir machen. Huggie, unser Gitarrist, und Rémy, unser Drummer, spielten schon zusammen bei den DOLLYBIRDS, einer Power-Pop-Band. So in der Art von THE JAM, THE BEAT oder den frühen KINKS. Ich spielte bei den GASOLHEADS, einer 77er-Garage-Band, und Nass machte bei den PLASTIC CONGELATORS mit, eine sehr primitive Band ähnlich wie die GORIES. THE HATE PINKS mischen alle diese Einflüsse.“

Was haltet ihr von der momentanen Welle neuer 77er-Punkrockbands?

„Es ist wie jede Welle oder Mode. Du hast gute Bands und hast Trittbrettfahrer. Es wird langweilig, diese Tonnen an Bands zu sehen, die sich lächerliche Sonnenbrillen aufsetzen, wie Elvis Costello oder Captain Sensible anziehen und mit Stachelköpfen Keyboard statt knackige Gitarren spielen. Aber es ist zumindest lustig. Lustiger als z.B. Skatecore oder Nu Metal. THE SPITS sind viel besser als NOFX, THE DISTRACTION besser als OFFSPRING. Besser THE BRIEFS als eine neue Ska-Band. EXPLODING HEARTS, THE SHOCKS, MOTRAS, THE STITCHES, THE MINDS, MELTED MEN ... Alles gute Bands. Die sind frisch, lustig und catchy. Und es ist immer noch Punk, mit Energie und Wut. Ein reines Mode-Ding ist zwar ein Verbrechen, okay, aber Langeweile ist ein noch schlimmeres Vergehen.“

Die Bilder und Videos auf eurer Website zeigen euch als erfahrene Live-Band. Kannst du uns das Blödeste erzählen, was euch auf der Bühne passiert ist?

„Das war in Österreich. Wir wollten gerade anfangen zu spielen. Das Publikum vor der Bühne schaute auf, als ich meine Ansage machte: ‚Go! We are THE HATE PINKS, baby. We hate your world. Yeah, baby! 1-2-3-4!‘ Plötzlich drehte sich Huggie zu mir um und sagte: ‚Eine Sekunde noch! Ich habe Diarrhöe! Ich muss scheißen!‘ So mussten wir warten, bis Huggie endlich sein Geschäft beendet hatte, während die Leute verärgert riefen: ‚Worauf wartet ihr? Faule Schweine!‘ Sie wussten ja nicht, was los war! Ich machte ihnen daraufhin klar, was abging. Armer Huggie ...“

In einigen Texten willst du, dass andere ein „silver badge“ abschmatzen oder willst sie „Glas schnüffeln“ lassen, deine Freunde bezeichnest du als Arschlöcher. Was ist los mit deiner Beziehung zur menschlichen Rasse, deinen Freunden und dir selbst?

„Okay, die Sache mit dem Silberbadge: Es ist ein Song über einen sexy Cop, der dich lieber ficken will, anstatt dich zu verprügeln. ‚Sniffin glass’ heißt: Ich will Speed! Amphetamine sind heutzutage so schwer zu bekommen! Und meine Freunde sind wirklich Arschlöcher, aber sie denken das Gleiche über mich. Die Beziehung zu mir selbst ist in Ordnung. Danke schön! Liebst du denn wirklich die menschliche Rasse? Bringt dich der Zustand der heutigen Welt dazu, mit Blumen im Haar zu tanzen? Bist du etwa so ein Buddhistendepp, oder was?“

Und warum vergleichst du dich selbst mit einem Parasiten wie dem Bandwurm? Magst du den Gedanken, in anderer Leute Arschloch und Gedärm herum zu krauchen? Ist doch etwas pervers, oder?

„Ich dachte dabei nur an dein Arschloch, nicht an deine Gedärme! Perversion ist für jeden was anderes. Der Text ist ein Sinnbild: ‚We are parasites, we don’t care about you. We are the tapeworm in your ass.‘ Das ist nicht lustig. Es ist sozialkritisch. Unser nächstes Album nennen wir ‚Kartoffel Destroy‘, und das strotzt dann nur so vor Sozialkritik!“

Wenn ich an die deutsche und französische Punk-Szene denke, schätze ich, dass es sich ähnlich wie mit der Beziehung unserer beiden Länder verhält – reserviert. Kannst du kurz die Situation der französischen Punkszene beschreiben?

„Wir hatten immer eine gute Beziehung zur deutschen Szene. Unser Tourbooker, Heartbreak Booking, ist deutsch. Wir touren mit deutschen Bands wie THE MOTRAS oder THE SHOEMAKERS ... Die Szene in Frankreich ist gut. Großartige Bands wie die NEUROTIC SWINGERS, THE ZOOMEN, JERRY SPIDER GANG, THE MAGNETIX, COWBOYS FROM OUTERSPACE, ANTEENAGERS, THE FATALS, und viele weitere neue Bands tauchen auf. Gute Labels sind Lollipop, Reflex-o-Matic Vibrator Rec., Yakisakana ... Aber Deutschland ist in dieser Hinsicht natürlich besser dran. Mehr Auftrittsmöglichkeiten und auch Fanzines. In Frankreich gibt es nicht allzu viele gute Fanzines. Es gibt das Dig It, Larsen Zine, SDZ, eben nicht so viel ...“

Nach der deutsch-französischen Friedensallianz sind die Beziehungen zwischen „unseren“ Ländern ja sehr viel freundlicher geworden. Was ist deine Meinung zum radikalen Islamismus und dem „Anti-Terror-Feldzug“?

„Meine Meinung zu waaasss? Okay, hier ist meine Meinung: Die amerikanische Regierung ist pure Scheiße. Gefährliche Scheiße, mit einem faschistischen Plan für die ganze Welt. Die Amerikaner sollten eine neue Revolution starten. Mit den radikalen Islamisten verhält es sich genauso. Die Araber sollten auch eine gemeinsame Revolution beginnen. Warum können sich diese Leute nicht alle in Pink kleiden, schwarze hautenge Hosen anziehen und weiße Plastiksonnenbrillen aufsetzen? Sie könnten fröhlich Pogo tanzen, THE DAMNED hören und sich gute Drogen reinziehen. Ich glaube, mein Plan für die Welt wäre der Beste!“

Ich will nicht indiskret werden, aber ihr seid größtenteils keine Twens mehr. Woher kommt die Motivation weiterhin durch kleine Clubs zu tingeln und Rock’n’Roll zu spielen, anstatt arbeiten zu gehen und viel Geld zu verdienen?

„Wir haben alle ernsthafte Berufe. Nur Rémy kann es sich leisten nicht zu arbeiten. Seine Eltern sind sehr reich und es ist ihm nicht zu peinlich, seinen Vater um 20 EUR für seine tägliche Pizza anzuhauen. Punkrock ist kein Job! Wir wollten damit jedenfalls nie Geld verdienen. Es ist nur eine Möglichkeit, unsere Identität zu bestätigen und unser Ego zu befriedigen. Noch dazu ist es der einfachste Weg, der Welt zu sagen, wie sehr du sie hasst.“

War es ein Vorteil, vom Bandmitglied Huggie gemixt und produziert zu werden?

„Es ist freier, es ist besser und es ist angenehmer. Er hat schon eine Menge guter Platten produziert. Er ist sehr gut darin.“

Euer 70er-Punksound ist sehr authentisch. Benutzt ihr spezielles Equipment um das so hin zu bekommen?

„Was für eine langweilige Frage! Ja, wir haben spezielles Equipment: Eine Gretsch-Gitarre aus den 50ern und ein altes Gretsch-Schlagzeug, und wir nehmen auf einem 8-Spur-Analog-Recorder auf. Für den Mix nutzen wir allerdings Computer.“

Warum covert ihr auf „I’m a parasite“ die BAD BRAINS? Die sind ja mehr Hardcore. Die PAGANS und PLASTIC CONGELATORS, die ihr auf „Sehr gut Rock und Roll“ covert, passen irgendwie besser zu euch!

„Wir waren schon immer Fans der BAD BRAINS. Ihr späterer Reggae/HC-Kram ist allerdings nicht so geil wie der pure Punksound, den sie in den Anfängen spielten. ‚Redbone in the city‘ ist ein alter Song, nicht auf den offiziellen Alben zu finden. Es stammt von der ‚Black Dot‘-Platte, das sind frühe Übungsraum-Aufnahmen. Wir covern aber auch die SWELL MAPS auf unserer Split-Single mit THE DISTRACTION. Wir versuchten uns mal an einem Song der Berliner Band PVC. Aber das klang scheiße. Auf unserem nächsten Album wirst du ‚Catman‘ von Gene Vincent hören.“

Auf eurer Website las ich, dass ihr eure zweite Deutschlandtour plant. Mögt ihr es, hier zu touren und mit wie vielen Shows rechnet ihr?

„Ja, wir lieben es, in Deutschland zu spielen. Im Februar werden wir wieder zehn Tage da sein. Und die nächste Tour später im Jahr ist auch schon in Planung.“