KAMIKAZE RECORDS

Foto

Rock’n’Roll braucht Überzeugungstäter

Man muss schon ein besonderer Mensch sein, um im Garage- und Punkrock-Bereich die Mühen und Kosten auf sich zu nehmen, Schallplatten zu verlegen. Es kommt nichts rum dabei, das ist mal klar. Nur Naive könnten was anderes denken. Umso schöner die Tatsache, dass es doch – auch hierzulande – immer wieder ausdauernde Menschen gibt, die sich mit Herzblut dieser Tätigkeit verschreiben. Es ist ein Glück für die Konsumenten wie auch für die Bands. Die Gebrüder Plassmeyer aus Georgsmarienhütte sind solche Menschen, Kamikaze Records heißt ihr Label. Gemeinsam blicken sie bereits auf eine beachtliche Anzahl veröffentlichter Platten, die überwiegend aus dem Bereich Garage und Surf stammen. Zwei sehr gute Beispiele: die Bands THE MONTESAS und die LEOPOLD KRAUS WELLENKAPELLE, beide aus Deutschland, die zum Besten zählen, was das Land in diesem Genre hervorgebracht hat. Zwei weitere aktuelle Kamikaze-Veröffentlichungen mit Surf-Musik der Spitzenklasse: „Ekstase“ der ebenfalls deutschen LOS BANDITOS sowie das Album „Hits, All The Greatest And More“ der spanischen LOS WALKYSONS. Doch öffneten sich die Kamikaze-Brüder jüngst auch anderen musikalischen Genres wie etwa dem Pop-Punk – der internationale Pop-Punk-Sampler „Banzai! Pop-Punk Nuggets“ ist dafür ein feines Beispiel. Ebenso wie die bereits vor einiger Zeit erschiene Debüt-LP der HAWAIIANS. Um mehr über Pläne, Motive und Lieblingsgerichte der nordwestdeutschen Labelmacher zu erfahren, haben wir einem der Brüder mal einige Fragen gestellt.

Frank, erzähl uns doch erst mal allgemein was zum Background eurer kleinen Plattenfirma.


„Kamikaze Records ist seit fast zehn Jahren so eine Art Familienunternehmen, das in erster Linie von meinem Bruder Dan und mir betrieben wird. Wir haben es mittlerweile auf gut 50 Veröffentlichungen gebracht und zur Zeit betreuen wir ca. 20 Bands. Im vergangenen Jahr haben unsere Bands allein in Deutschland ca. 500 Konzerte absolviert. Wir sind stolz darauf, dass wir zu fast 100 Prozent ein Erstveröffentlichungslabel sind, das in den letzten Jahren zahlreiche deutsche Szene-Bands maßgeblich mit aufgebaut hat.“

Mit welchen musikalischen Stilen versorgt ihr die Szene?

„In erster Linie dürfte Kamikaze Records für Surf-Musik stehen, obwohl wir das nicht ganz so gerne hören, da wir uns seit jeher über Rock’n’Roll in all seinen Spielarten definiert haben. Aber okay, Surf war von jeher eine Spezialität für uns und gehört zu Kamikaze wie der Kölner Dom zu Kölle. Das sieht man auch daran, das nahezu alle euopäischen Top-Bands aus diesem Genre eine Veröffentlichung auf Kamikaze Records vorzuweisen haben, wie zum Beispiel LEOPOLD KRAUS WELLENKAPELLE, BAMBI MOLESTERS, SURFPATROUILLE, TIKI TIKI BAMBOOS, LOS BANDITOS, VAMPIRES, BAHAREEBAS ... Neben diesen vielen Reverb-Sounds haben wir aber auch einiges im Bereich Sixties-Beat zu bieten. Ich denke da zum Beispiel an die großartigen MONTESAS, die wir von der ersten Platte an mit aufgebaut haben und an die souligen TEENAGE MUSIC INTERNATIONAL aus Bremen, von denen wir in Zukunft noch eine ganze Menge hören werden. Ab und an beackern wir dann auch noch den Pop-Punk-Bereich. Hier hätten wir zum Beispiel die HAWAIIANS, die mittlerweile zu den meistverkauften deutschen Acts in diesem Genre zählen.“

Die HAWAIIANS sind in der Tat großartig! Können wir von denen bald etwas Neues erwarten?

„Das würde uns natürlich auch sehr freuen. Nur ist der Beppo bei den HAWAIIANS ausgestiegen und wir müssen jetzt erst mal abwarten, wie sich das Ganze so entwickelt.“

Stehen weitere Veröffentlichungen im Pop-Punk-Bereich an?

„Im Moment liegt da nichts an. Das liegt aber in erster Linie an den wenigen Demos, die wir aus dem Pop-Punk-Bereich erhalten. Abwarten ...“

Ihr seid bekannt dafür, ungewöhnlich professionell zu arbeiten. Manche finden euch sogar schon fast zu professionell. Womit ärgert man als Profi denn die Szene-Schlauberger am meisten?

„Wenn du langfristig im Musikbereich arbeiten möchtest, dann kommst du einfach um ein gewisses Maß an ‚Professionalität‘ nicht herum. Dazu gehören zum Beispiel der Abschluss von Verträgen, regelmäßige Werbeanzeigen oder schlichtweg die Zahlung von GEMA-Lizenzen, die wir übrigens gerne zahlen, da wir wissen, dass die regelmäßigen GEMA-Ausschüttungen eine wichtige Einnahmequelle für unsere Künstler sind.“

Welche Bands stehen denn in euren Verkaufs-Charts an vorderster Front?

„Zur Zeit ist die neue Platte der LEOPOLD KRAUS WELLENKAPELLE ganz weit vorne. Für die Charts hat es leider noch nicht gereicht, aber die Band und das Label können mit den Ergebnissen leben.“

Lebt ihr gut von dem Label oder müsst ihr nebenher noch kellnern oder Taxi fahren?

„Eigentlich lebt das Label eher von meinem Bruder und mir. Das Ganze ist schon Selbstausbeutung. Da kommt man schnell auf eine 80-Stunden-Woche. Dennoch erfüllt einen diese Arbeit mit Freude und das ist ja die Hauptsache.“

Was nervt am Labelmachen? Gibt’s mal Ärger mit Bands?

„Ärger mit Bands gibt es immer mal wieder, aber in der Regel lassen sich alle Probleme lösen. Häufig sind es Verständnis- und Kommunikationsprobleme ...“

Spielt ihr auch selbst noch in einer Band?

„Mein Bruder Dan hat fast zehn Jahre bei der Surf Combo WAY OUT WEST Gitarre gespielt, aber die Band hat sich im letzten Jahr wegen eines tragischen Umstandes aufgelöst. Zur Zeit zupft Dan die Saiten bei einer spanischen Rockabilly-Formation.“

Wie seid ihr denn auf die Idee gekommen, den Pop-Punk-Sampler rauszubringen?

„Im Grunde war das mit dem Pop-Punk-Sampler eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für die HAWAIIANS. Die haben sich nämlich weltweit auf die Suche nach den besten Bands des Genres gemacht. Die Compilation ist mittlerweile veröffentlicht und geht weg wie warme Semmeln.“

Der Sampler ist ja auch super, aber wie kam es dazu, dass mit den NIMRODS so eine Ultra-Lo-Fi-Band darauf vertreten ist. Deren Sound unterscheidet sich doch gewaltig vom Rest des Materials.

„Wir hatten einmal das Vergnügen die NIMRODS live zu erleben, es hat Spaß gemacht und sie sind definitiv eine Lo-Fi-Band im positiven Sinne.“

Hat dir schon mal einer gesagt, dass du aussiehst wie ein Pastor?

„Echt? Da kann man mal sehen ... Irgendwie schlägt da wohl ganz unbewusst der missionarische Eifer bei mir durch. Rock’n’Roll braucht halt Überzeugungstäter!“

Wie schafft ihr es eigentlich, nebenher noch das Banzai!-Fanzine rauszubringen?

„Das frage ich mich auch immer wieder. Ich habe keine Ahnung ... In sechs Monaten sammeln sich halt so viel Informationen über neue, coole Bands und Platten an, dass ruckzuck ein neues Magazin fertig gestellt ist. Natürlich nicht ohne die Mithilfe weiterer Überzeugungstäter.“

Stimmt es, dass deine Frau jeden Sonntag für alle Banzai!-Mitarbeiter Chili Con Carne kocht?

„Nein, eigentlich nicht. Früher bekamen wir ständig Chili-Saucen von begeisterten Banzai!-Anhängern zugeschickt. Irgendwann konnte ich das Zeug aber nicht mehr sehen und beschränke mich seitdem auf die Suche nach ausgefallenen Rezepten. Dan hingegen findet Chili nach wie vor großartig.“

Was ist dein Lieblingsessen? Wie steht’s mit Pommes?

„Pommes Schranke ist okay und beim Fußball kommt auch die obligatorische Stadion-Wurst auf den Pappteller.“

Wer ist dein Lieblings-Ramone?

„Johnny, der Mann hatte die coolste Frisur aller Zeiten ...“