ABWÄRTS

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Es geht aufwärts mit ABWÄRTS

ABWÄRTS – eine Hamburger Band schrieb 1980 mit ihrer „Computerstaat“-EP und dem darauf folgenden Debütalbum „Amokkoma“ Punkgeschichte: „Linke Seite Supermarkt, rechte Seite Abenteuerspielplatz, in der Mitte Autobahn ...“. Dann folgte „Der Westen ist einsam“ und plötzlich brach die NDW-Hysterie aus. Mitte der 90er Jahre wurden ABWÄRTS-Platten im Rock Hard besprochen und ich verlor die Band endgültig aus den Augen. Bis 2004 mit „Nuprop“ längst verschlossen geglaubte Türen geöffnet werden. Anfang des Jahres fand in einer Schankwirtschaft ein Treffen mit Frank Z., dem Sänger und Kopf der Band, statt. Dass aus einem eigentlich kurzen Interview eine mehr als zweistündige Unterhaltung bei lecker Bier und Wein wurde, war ein angenehmer Nebeneffekt.

Zu Beginn etwas zur Geschichte. Euer erster Auftritt überhaupt fand am 29.12.1979 auf dem „Geräusche für die 80er“-Festival in der Hamburger Markthalle statt. Im Frühjahr 1980 folgte die Single „Computerstaat“ und im Herbst „Amokkoma“. Ihr habt früher alles selbst gemacht, Aufnahme, Produktion, Layout, Vertrieb und Konzertbooking ...


„Ja, das ist richtig. Den RipOff-Vertrieb im Karoviertel habe ich ganz am Anfang mit Klaus Maeck zusammen gemacht. Eine ganze Zeit lang war auch Mufti mit dabei, später haben das dann ganz verschieden Leute gemacht. Am Anfang lief das ja ganz gut, aber dann kam Alfred Hilsberg. Der hat unsere erste Single ‚Computerstaat‘ nachgepresst. Es gab Neuauflagen, von denen die Band oder ich gar nichts mitgekommen haben und das Geld hast du nie von ihm bekommen, haha. Das ist der totale Scheiß. Der hat damals ja auch unglaublich viele neue Platten rausgebracht. Natürlich ohne zu gucken, was das überhaupt ist. Die haben jeden Scheiß veröffentlicht. Nur Schrott.“

Also deshalb sangen 1980 auch die BUTTOCKS „Weg mit Fick Fack Rotzverein, die produzieren ja doch nur Schleim. Keiner achtet mehr darauf, dass man das an Punks verkauft“?

„Das war schon so, dass viele Leute die Sachen gekauft haben, weil die vom Zickzack-Label waren. Du hast ja auch Kunden, die sagen, das Zickzack-Label bürgt für eine gewisse Qualität, aber wenn du zweimal so einen Scheiß gekauft hast, dann sagst du das nicht mehr. Aber es kamen viele Gründe zusammen, warum das Ganze zusammengebrochen ist. Später gab es am Pilatuspool einen neuen Laden: Aus Lauter Liebe. Interessanterweise war damals Jäcki Eldorado, Deutschlands erster Punk, der Macher – aber das war vor langer Zeit.“

Obwohl ABWÄRTS nie eine typische Eins-Zwei-Drei-Vier-Punkband waren, genoss die Band gerade Anfang der 80er Jahre in der konservativen HH-Punkszene einen hohen Stellenwert. Dabei befinden sich ABWÄRTS-Songs sowohl auf diversen grässlichen NDW-Samplern wie „Alles für zuhause“, als auch auf echten Punkrock-Compilations wie „Punk Rock BRD“.

„Wir waren keine typische Punkband wie z. B. UK SUBS. Es ist mir schon immer wichtig gewesen, ein musikalisch breites Feld abzustecken. Also nicht nur diese Drei-Akkord-Geschichten. Bei dem Album ‚Schiffe‘ gibt es total unterschiedliche Geschichten, auch akustische. Es ist ja auch nicht mehr so, dass überall diese Hardcorepunker mit grünem Iro rumrennen – die gibt es ja kaum noch. Wobei es so ist, dass wir jetzt bei ‚Nuprop‘ in eine Richtung gegangen sind, in der wir wieder einfache Songstrukturen, also eigentlich klassische Punkstrukturen, benutzen. Um das Ganze etwas fetter zu machen, wird es mit Industrial-Geschichten angereichert. Das kommt live sehr gut und macht alles variabler. Und was die NDW-Sampler betrifft, die sind immerhin gut fürs Portemonnaie, haha.“

Bleiben wir beim Geld. Machst du neben der Musik noch etwas anderes oder kannst du von der Musik leben?

„Früher habe ich auch mal einige Sachen geschrieben, unter anderem für ein Hamburger Stadtmagazin. Aber das Zeilengeld ... Es lohnt sich ja nicht mehr, wenn du journalistisch was machen willst. Willst du etwa in der Redaktion einer Gratiszeitung sitzen? Wie hoch ist eigentlich die Auflage vom Ox? 12.000 bis 13.000? Das ist ja fast mehr als Spex. Die machen jetzt so ganz verkrampft auf Livestyle-Magazin. Ich meine, wer liest das? Oberschüler? So eine abgefuckte Klientel. Zur Zeit kann ich schon von der Musik leben. Wenn man es macht, dann muss man es auch richtig machen. Es läuft gerade auch ganz gut. Ich bin so gesehen schon auf der sicheren Seite und nicht jemand, der wohlmöglich nächste Woche rausfliegt und sich von Hartz IV ernähren kann. So richtig sicher ist ja gar nichts mehr – außer du bist Abgeordneter im Bundestag.“

Das neue Album „Nuprop“ hast du zusammen mit Rodrigo González von den ÄRZTEN eingespielt. Er war ja schon 1998 bei deiner Soloplatte „Alcohol, Tobacco & Firearms“ beteiligt. Wie ist das eigentlich, trifft du sonst noch ehemalige Bandmitglieder?

„Ich habe eigentlich zu den Leuten, die früher dabei waren, kaum noch Kontakt, höchstens Elf treffe ich manchmal. Oder vielleicht mal jemand auf einem Konzert. Das ist dann aber eher so die Abteilung ‚mal alte Bekannte treffen‘. Frank Seele fährt, glaube ich, immer noch als Fahrradkurier herum. Und Rod, den kenne ich schon ewig, der kommt ja auch aus Hamburg. Früher hat der mal bei uns gemischt. Eigentlich hatten wir schon immer vor, etwas zusammen zu machen. Wir haben ja auch diese Soloplatte zusammen gemacht, und danach war das für mich total nahe liegend. Du weißt ja vorher nie, wie das ist, etwas mit jemanden zu produzieren, wie das läuft. Und wenn das nahezu perfekt läuft, machst du natürlich weiter – wenn alle Beteiligten Bock darauf haben, das ist natürlich die Voraussetzung. Es war ja so, ich habe mit Rod die Platte aufgenommen und produziert und erst dann haben wir uns überlegt: Wie machen wir das weiter? Eine Live-Tour mit Schlagzeuger und Bassisten, da mussten wir erst sehen, wie das geht. Während der Tour wurde klar, dass das super läuft, mit Zabel am Bass. Der Schlagzeuger ist Martin ‚Dog‘ Kesser, der Ex-Schlagzeuger von H-BLOCKX, und in dieser Besetzung geht es weiter. Wir haben auch zu 50 Prozent alte Sachen im Programm. Das Gute dabei ist, es hat nicht diesen Revival-Charakter. Das ist etwas, was sich natürlich auch darin ausdrückt, wie das Publikum strukturiert ist. Es stehen da eben nicht nur Leute rum, die ‚Computerstaat‘ und zwei, drei andere Songs hören wollen.“

Und, geht es jetzt in dieser Besetzung weiter?

„Im April geht die Tour weiter, dann spielen wir auch in Österreich und in der Schweiz. Bei der letzten Tour war echt erstaunlich, dass die Konzerte so gut besucht waren, denn die Tourdaten waren nicht bekannt. In Berlin war es richtig voll, das war auch die einzige Stadt, wo richtig Promotion gelaufen ist. Das ist bei uns irgendwie schwierig – es gibt kaum Presse. Rock Hard hat diesmal gar nichts gemacht. Wenn der Redaktionsleiter keinen Bock auf uns hat, dann geht das nicht. Über jeden Müll, über jede Scheiße wird geschrieben. Ich rede jetzt nicht vom Ox, sondern von den verbliebenen drei, vier Hochglanzpostillen. Ich will aber darüber nicht beschweren, denn es läuft bei uns auch viel über das Internet und über Mundpropaganda. Die Tour war echt gut besucht.“

Und was für ein Publikum war da?

„Das ist natürlich total geil, es sind viele junge Leute, die jetzt, mit Rod zusammen, kommen, und weiter hinten stehen dann die etwas gesetzteren Typen. Vorne hast du echt immer welche von 15 bis 20 rumstehen, das ist natürlich total geil. Speziell im Punkrockbereich gibt es ziemlich viele Typen, die so etwas jetzt entdecken. Dann unterteilt sich das ganz noch einmal in die, die auf diese ganz fetten Dinger stehen – dieses MTV-Punk-Publikum –, was ziemlich unglaublich ist. Wir hatten in Köln vor den BEATSTEAKS gespielt. Ein absolutes Phänomen die Band. Den Drummer kenne ich seit hundert Jahren – ich gönne denen das total. In einem Mörderapparat von Halle. 7.000 Leute, die sind echt am durchdrehen. Die stehen da mit zehn Ordnern vorne und ziehen ständig Leute raus, die bewusstlos werden. Ein tierischer Terror. Und dann gibt es auf der anderen Seite Leute, denen das alles schon wieder zu kommerziell ist, die eigentlich schon extrem darauf stehen, wenn Bands überhaupt nicht gehypet werden. Die Konzerte haben dann schon den Charakter von einem Familientreffen. Du spielst in Fünfhunderter-Clubs und das ist dann schon viel. Das macht auch viel mehr Spaß, weil der Kontakt zum Publikum auch dementsprechend näher ist. Du hast da nicht irgendwelche Gitter, die den Scheiß absperren.“

Punk-Acts sind ja längst große Verkaufsschlager geworden. Vor anderthalb Jahren, bei einem Auftritt von RANCID im Stadtpark, hatte ich eher den Eindruck, dass einfach nur eine Show abgeliefert wird. Es wirkte alles so gekünstelt und einstudiert – frei nach dem Motto: „Wir haben unser Haus in Kalifornien und machen in Europa mal einen auf Punkrocker“.

„Ich weiß nicht, wie weit man das verallgemeinern kann, aber die amerikanischen Punkbands, das ist auch so eine Szene für sich. Wir haben mal eine Tour mit BAD RELIGION gemacht, da sind die dann mit ihren Frauen und Kindern auf Tournee gegangen. Und weil die Frauen keine Zeit für die Kinder hatten, waren echt die Nannys mit dabei. Was die alleine dafür an Kohle rausgehauen haben – und abends wird denn der Punkrocker gegeben. Wenn du siehst, wie es hinter den Kulissen zugeht, das totale Spießertum. Es gibt da ja auch so verschieden Fraktionen. Die ganze Skater-Abteilung ist da schon anders drauf. Bands wie NOFX, mit denen kannst du dann auch schon mal einen saufen gehen. Und auch wenn Bands wie GREEN DAY vor 8.000 oder 10.000 spielen, ich finde die gut. Und das ist besser als gar nichts. Was bleibt denn sonst noch? Dieser ganze beschissene Mainstream-Pop, der richtig tötet. Der wird dann genudelt bis der Arzt kommt – oder halt Hip-Hop.“

In deinen Texten dominieren zynische Beschreibungen einer kalten Realität: Zukunftsängste und Massenpsychosen. Ist Frank Z. ein Zyniker, der sich zurücklehnt und nur beobachtet?

„Ein überzeugter Zyniker, um ehrlich zu sein, es gibt auch gar keine andere Herangehensweise, wenn man sieht, was hier abgeht. Aber ein Beobachter? Wenn man auf die andere Seite den politischen Aktivisten stellen würde, dann würde ich mich schon eher als Beobachter einordnen, das ist richtig. Es gibt aber auch noch etwas dazwischen ... Ich kann mich natürlich auch mit einem Transparent auf die Straße stellen und Montagsdemo rufen oder irgendwas, aber das ist auch lächerlich.“

Du sagtest vorhin, dass immer mehr über das Internet läuft. Wie stehst du diesem Medium gegenüber?

„Es ist die billigste Lösung. Wir haben die Single gleich auf die Internetseite gestellt als MP3-Download. Als wir auf Tour waren, hatten wir etwa 1.500 Downloads. Und da will eine Zeitung wie Rock Hard fünfhundert Euro haben, nur damit du auf irgendeine CD draufkommst, wir sind doch nicht bescheuert. Ich wundere mich, dass das sonst keiner macht. Auch Bands wie die TOTEN HOSEN, die kenne ich ja auch schon seit tausend Jahren. Warum geben die nicht mal ein kleines Giveaway an die Fans? Eine CD zum Download. Das kommt total gut an – gerade bei einem Punk-Publikum. Oft haben Plattenfirmen da noch Berührungsängste.“

THEY MIGHT BE GIANTS aus Brooklyn waren wohl die ersten, die ihre Musik abrufbereit präsentierten. Über einen Anrufbeantworter konnte man bereits ab Mitte der 80er Jahre unter einer Telefonnummer fast täglich einen neuen Song hören. Ihr Dial-A-Song-Service läuft noch immer. Später haben Sie ein Album zum downloaden ausschließlich über das Internet veröffentlicht. Allerdings weiß jetzt ich nicht, ob das ein kostenloses Album war, aber sie waren eine der ersten Bands, die überhaupt etwas per Internet machten.

„Das ist auch die einzige Möglichkeit. Wenn du an die ganze Technologie negativ herangehst, dann wird das auch nichts. Nur wenn ich 99 Cent pro Titel für einen Download nehme, dann ist das alles Bullshit. Dann kann ich auch in den Laden gehen und mir das komplette Album kaufen. Da habe ich dann auch keinen Ärger mit den ganzen Ausdrucken, sondern ein komplettes Booklet. Das funktioniert so nicht. Der Schlüssel ist der Preis. Die CD ist nach wie vor viel zu teuer. 15 Euro ist ein absurder Preis. Wenn du sie überhaupt für 15 bekommst. Ich habe Läden gesehen, da steht unsere CD für sechzehn Euro oder noch mehr.“

Bei dem ganzen Gejammer der Plattenfirmen über die sinkenden Umsätze auf dem CD-Markt finde ich es sehr wichtig, darauf hinzuweisen, dass die Firmen trotzdem gut verdienen. Nur auf einem anderen Sektor. Nehmen wir nur mal die Playstations, Sony verzeichnet hier doch enorme Wachstumsraten. Und das Geld, das hierfür ausgegeben wird, fehlt den Kids natürlich woanders. Dazu kommen noch die Ausgaben für PC, MP3-Player, Handys und was weiß ich.

„Es gibt folgende Entwicklung zu beobachten: Anfang Oktober war ich bei Universal in Berlin. Die haben ein riesiges Gebäude hingebaut, so einen Glaspalast. Die rennen da rum und haben alle so Klingelton-T-Shirts an. Zwei Drittel des Umsatzes machen die mit dem ganzem Jamba-Scheiß. Schalte doch mal nachmittags VIVA oder MTV ein. Da sind Werbeblöcke von zehn Minuten und mehr. Ein Klingelton-Scheiß nach dem anderen. Diese Vollidioten beschäftigen sich nur noch mit Klingeltönen. Da werden keine neuen Künstler mehr aufgebaut. 99 Prozent der ganzen Leute, die in diesen Plattenfirmen rumhängen, kannst du genauso gut in den nächsten Supermarkt oder in die nächste Bank stecken. Die können von mir aus auch als Notar oder so irgendetwas arbeiten – aber bitte, bitte nicht irgend etwas Kreatives! Das geht nicht. Die wissen nichts. Von Musik haben die soviel Ahnung wie eine Kuh von Philosophie.“

Und was ist mit den Klingeltönen auf eurer CD?

„Das ist ein Gimmick und die kosten auch nichts. Tim Renner, der vorher bei Universal war, hat ein Buch – ich werde einen Teufel tun und es lesen – mit der wichtigen Botschaft veröffentlicht: Er gehöre zu den Leuten, die immer gesagt haben, wir müssen uns für das Internet öffnen. Dieses Arschloch hat die ‚Copy-Kills-Music‘-Kampagne ins Leben gerufen. Ich meine, das musst du dir mal vorstellen, vor zwei Jahren auf der Popkomm noch ‚Copy kills music‘ schreien und jetzt hat der eine Wendung um hundertachtzig Grad gemacht. Der lügt, wenn er nur den Mund auf macht. Der ist so dreist. Das wissen die wenigsten Leute. Aber ich bin sehr daran interessiert, was in der Musikbranche so abgeht. Ich werde da auch mal ein Buch drüber schreiben. Das habe ich schon lange vor. Aber da musst du um neun Uhr aufstehen und dich hinsetzen. Das ist schwer, wenn du erst um zwölf Uhr aufstehst ...“

Ich danke dir für dieses überaus angenehme Gespräch. Möchtest du zum Schluss noch etwas loswerden?

„Frank Z. ist kein St.-Pauli-Fan! Andauernd kommen diese Fragen: ‚Ey, was ist denn mit St. Pauli?‘ Ich sage immer: ‚Ey, diese Gurkentruppe? Die interessiert mich echt einen Scheiß.‘ Fußball interessiert mich schon, aber es ist mir ein Rätsel, wie sich fast 20.000 am Millerntor diesen unterirdischen Scheiß reinziehen können. Da kannst du dir doch noch nicht einmal ein Bier holen. Und wenn du es schaffst, und raus kommst, dann versäumst du das ganze Spiel.“