FIRE IN THE ATTIC

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Bonn muss brennen

Wie schafft man es mit seiner neuen Band, innerhalb kürzester Zeit offene Türen einzurennen und Publikum in allen Teilen des Landes zu begeistern, in Zeiten jammernder Plattenlabels und stagnierender Verkäufe mal eben so, zu einem guten Teil durch Konzertverkäufe, tausend CDs zu verkaufen, während andere Formation seit Jahren unterwegs sind, aber auf keinen grünen Zweig kommen? Tja, Charisma, Ausstrahlung ist wohl das Zauberwort, und ich denke, die Bonner FIRE IN THE ATTIC werden mit ihrem ersten Album „Crush/Rebuild“, das just auf Redfield erschienen ist, nicht nur sich, sondern auch jede Menge anderen Leuten ein Lächeln ins Gesicht zaubern. Bassist Dennis Meyer antwortete auf meine Fragen.

Fangen wir ganz klassisch an: Wer mit wem, wann, wo und warum?


„Das Ganze fing 2003 an. Erst löste sich unsere alte Band SUMMERS LAST REGRET auf, bei der Richard und ich gespielt haben. Danach sprang Richard bei FASTPLANT als Ersatzgitarrist ein, da deren Gitarrist ungefähr zum selben Zeitpunkt ausgestiegen war. Ich habe die Jungs dann zu einem Konzert begleitet und da entstand die Idee, einfach etwas ganz Neues zu machen. Also die drei Jungs von FASTPLANT, Richard und ich. Während FASTPLANT ihre letzten Konzerte spielten, standen wir bereits gleichzeitig mit FIRE IN THE ATTIC im Proberaum. Das war so etwa Oktober 2003. Das ‚Warum?‘ ist eigentlich schnell geklärt: Wir waren fünf Leute, die alle motiviert waren, etwas Neues zu beginnen und damit dann auch keine Kompromisse mehr zu machen, da es in den alten Bands zwischenzeitlich nicht immer optimal zuging.“

Haben du und Richard zufällig den gleichen Nachnamen oder seid ihr Brüder? Wenn letzteres stimmt, gehst du also zusammen mit dem Typen auf Tour, mit dem du dir schon das Kinderzimmer teilen musstest?!

„Ja, Richard ist mein ‚kleiner‘ Bruder. Allerdings ist es gar kein Problem, mit ihm in einer Band zu sein, denn gleichzeitig sind wir auch die besten Freunde. Dass wir Brüder sind, erleichtert eigentlich auch die ganze Situation. Da können wir uns auch manchmal Sachen an den Kopf werfen, die eine normale Freundschaft belasten würden. Blut ist eben dicker als Wasser.“

„Feuer unter dem Dach“ ...?

„Tja, so sieht es aus. Der Name bedeutet für jeden in der Band etwas anderes. Da kann man ja auch eine Menge reininterpretieren. Für mich steht das Ganze für unsere Ausgangssituation. Also das Feuer in uns, das uns dazu gebracht hat, uns den Arsch bis obenhin aufzureißen und alles für die Band zu geben.“

Für eine noch recht neue Band räumt ihr bei euren Konzerten schon ganz gut ab, stehlt gerne mal der Hauptband die Show. Wie kommt’s? Was mögen die Leute an euch?

„Wenn ich das wüsste. Wir sind jedes Mal selber total überrascht. Wir haben ja vor kurzem in Köln für TAKING BACK SUNDAY eröffnet. Da sind wir mit Wackelpuddingknien auf die Bühne gegangen und das Publikum ist total ausgerastet. Jedenfalls wenn man bedenkt, dass wir ‚nur‘ der Support waren und die Leute eigentlich gar nicht wegen uns da waren. Das könnte vielleicht daran liegen, dass wir uns auf der Bühne einfach immer total gehen lassen. Sogar bei Shows dieser Größenordnung merke ich nach dem ersten Song nichts mehr von der Nervosität. Das ist auch das, worum es uns geht. Auf die Bühne zu gehen und dann die Musik zu leben. Das hört sich jetzt furchtbar hippiemäßig an, aber das ist uns sehr wichtig. Ich finde es immer total lahm, wenn da eine Band steht, die vielleicht gute Musik macht, der man aber nicht ansieht, dass sie das lieben und leben, was sie da tun. Also eigentlich geht es auch hier wieder um den berühmten Funken, der überspringt. Womit wir auch wieder beim ‚Feuer unterm Dach‘ wären.“

Wie man hört, waren ja auch andere Labels an euch interessiert. Das schmeichelt, oder? Und warum doch Redfield?

„Das schmeichelt auf jeden Fall. Vor allem, wenn ich bedenke, dass wir mit unserer ersten EP noch gehofft haben, überhaupt ein Label zu finden. Redfield war das erste Label, das etwas von uns bekommen hatte. Ich kannte Kai von Redfield ja noch aus meiner Zeit bei SUMMER’S LAST REGRET. Er hat uns dann direkt ein Angebot gemacht. Da er seine Arbeit super macht und ein unglaublich vertrauenswürdiger Typ ist, war einfach klar, dass er das Album machen soll. Das ist auch für uns gesünder, denn so können wir als Band sowie Redfield als Label, gemeinsam wachsen. Es geht ja sowieso schon alles total schnell für uns.“

20.000-mal wurde „Decision & Action“ von eurer Website geladen. Eine unfassbare Zahl. Wie geht man damit um, wenn man sieht, dass die Zahl der verkauften Platten nur einen Bruchteil beträgt?

„Ja, 20.000 Platten haben wir nicht verkauft ... Ich finde das nicht so schlimm. Das Internet ist nun mal das neue Medium und dieses ganze Rumgeheule geht mir auf die Nerven. Ich habe auch schon Leute getroffen, die gesagt haben: ‚Ey, Hammer-Platte. Habe ich von einem Kumpel gebrannt.‘ Was soll ich dem sagen? Ich denke auch, dass wir gar nicht so stark darunter leiden wie die ‚großen‘ Plattenfirmen. Im Endeffekt sind wir machtlos und ich bin glücklich über jede verkaufte Platte, aber auch über jeden Download. Ich finde es total super, dass so viele Leute sich unseren Song von der Homepage runtergeladen haben. 20.000! Das ist total super. Und ich habe unsere EP auch schon bei Soulseek gefunden. Aber was soll ich machen? Die verklagen? Ich bin doch nicht METALLICA. Ich denke, es wird auch so weitergehen. Die Leute, die die Platte wirklich haben wollen, kaufen sie. Und die anderen brennen sie sich. Früher hätten sie sich ein Tape aufgenommen.“

Musikalisch deckt ihr eine ziemliche Bandbreite ab – mal melodiös und eingängig, mal harsch und kantig. Wie seht ihr euch selbst, ohne die abgenutzten Genre-Klischees zu benutzen?

„Wir machen uns da natürlich auch unsere Gedanken. Dieses ganze Genre ist ja vollkommen überbevölkert, aber für uns kam nur eins in Frage: Wir möchten die Musik machen, die wir auch wirklich machen wollen. Ich habe keinen Bock, im Proberaum zu stehen und zu sagen: ‚Oh, nein, das können wir nicht machen, davon gibt es schon zu viele Bands.‘ Wir machen eben, was wir wollen, und das meinen wir ehrlich. Das ist vielleicht auch ein Grund für das uns entgegengebrachte Interesse. Wir sehen uns selber nicht als Produkt, sondern nur als fünf Typen, die alles geben, was sie können. Sonst würden wir ja auch nicht Sachen machen wie die Shows mit BILLY TALENT. Ich bin damals von der Arbeit zum Proberaum, von da aus nach Duisburg, abends nach Hause, wo ich gerade noch Zeit hatte zu duschen, dann wieder zur Arbeit und direkt danach nach Kassel zur nächsten Show. Dann wieder nach Hause, duschen und zur Arbeit. Das ist auf Dauer anstrengend. Aber wenn wir die Shows abgesagt hätten, würde ich mich heute total ärgern.“

Gibt es drei Konsensplatten, auf die ihr euch als Band einigen könnt? Und was läuft im Bandbus?

„Drei Konsensplatten, die für alle gelten? Das könnte schwierig werden. Auch wenn wir ähnliche Geschmäcker haben, ist das doch unterschiedlich, was die einzelnen Bands angeht. Die einzigen Platten, die mir jetzt einfallen, sind COHEED AND CAMBRIA und UNDEROATH. Darauf können wir uns alle einigen. Auch darauf, dass UNDEROATH ohne den Jesus-Kram besser wären ... Ansonsten läuft im Bandbus, was ich hören will, denn meistens fahre ich. Das heißt auf den Hinfahrten etwas Flottes, Derbes wie THE BLED oder DARKEST HOUR und auf den Rückfahrten entweder der Classic-Rock-Radiosender oder Ruhiges wie Kristofer Aström und BRIGHT EYES. Die anderen schlafen ja meistens.“

In den USA ist das Post-Emo/Screamo-Ding ja riesig groß, hierzulande dagegen sind die Clubs, die TAKING BACK SUNDAY, MY CHEMICAL ROMANCE etc. füllen, ja noch recht überschaubar. Habt ihr eine Idee, warum das so ist?

„Na ja, überschaubar ist was anderes. Immerhin waren TAKING BACK SUNDAY in der Kölner Live Music Hall und da waren nicht gerade wenig Leute. Und soweit ich weiß, waren MY CHEMICAL ROMANCE auch schon ausverkauft. In den USA ist das Ganze aber schon noch eine Ecke größer. Ich kann jetzt nur mal schätzen, woran das liegt, aber ich denke, da wird diese ganze Musikrichtung viel krasser vermarktet. Das bekommt man ja hierzulande nicht so mit, aber da geht man in ein riesiges Einkaufszentrum und zwischen Bible Store und Supermarkt ist da so ein Hot Topic, so eine Art ‚Punk Rock H&M‘. Da kann man sagen, was man möchte, aber das ist Kommerz pur und hat meiner Meinung nach mit Punkrock überhaupt nichts mehr zu tun. Als ich da war, fand ich das total super und habe mich mit geilem Scheiß wie Flammengürtel und so eingedeckt, aber wenn man das die ganze Zeit vor der Nase hat, kann einem das ganz schön auf die Nerven gehen. Das wäre ungefähr so, als wenn man TAKING BACK SUNDAY-Shirts bei H&M kaufen könnte. Kein Wunder also, dass diese Musik in den Staaten wesentlich populärer ist.“

Wie ist der Albumtitel „Crush/Rebuild“ zu verstehen? Philosophisch? Oder eher aus der Sicht eines KFZ-Unfallsachverständigen?

„Beides ... Nein, eigentlich ist damit ein Kreislauf gemeint. Also eine Erneuerung. Der Titel bezieht sich da auf die Songtexte und das Artwork. Das Ganze hängt zusammen. In den Texten geht es oft um Situationen in zwischenmenschlichen Beziehungen oder um die eigene Situation in einer Krise und wie man damit umgeht. Auch wenn die Texte zum Teil sehr negativ sind, sehe ich immer eine gewisse ‚Never give up‘-Stimmung. Das Artwork trägt auch seinen Teil dazu bei. Es zeigt Menschen, die sich verändern. Je nach dem, aus welcher Richtung man das betrachtet, könnten diese Personen sich gerade auflösen – Crush – oder neu entstehen – Rebuild. Das Album ist zwar keine Konzeptplatte, aber das ist schon eine der Ideen, die dahinter standen. Das war bei unserer EP ja ähnlich. ‚Decision & Action‘ beinhaltet ja eine ähnliche Aussage. Das ist natürlich nur meine Meinung. Mich haben auch schon Leute darauf angesprochen, die etwas völlig anderes darin gesehen haben, und das finde ich auch gut so.“

Was geht ab in Bonn? Seit dem Ende von Scene Police hielt man die Ex-Hauptstadt für szenemäßig von der Bildfläche verschwunden.

„Ja, wirklich viel passiert hier nicht, wenn man mal von den Konzerten im Bla absieht. Ich hoffe, dass sich das mal wieder ändert, aber im Großen und Ganzen geht hier nicht allzu viel. Das einzige größere Ereignis ist und bleibt da die Rheinkultur.“

Was war das Schlimmste/Witzigste/Seltsamste, was euch bislang auf der Tour widerfahren ist?

„Also, das ist schwierig. Schlimm war auf jeden Fall das Konzert in Berlin letztes Jahr. Da war einfach alles dabei: Vom Stromschlag am Mikro bis hin zum unbeabsichtigten Sturz ins Schlagzeug. Ansonsten gab es einfach so viele Moment im letzten Jahr, die so unglaublich für uns waren, dass ich die gar nicht alle aufzählen kann. Witzig oder eher seltsam ist aber auf jeden Fall, dass viele Leute uns falsch einschätzen. Ich meine damit, dass wir gefragt werden, was wir früher mal gemacht haben, jetzt wo wir von der Musik leben können. Und manchmal kommen auch nette E-Mails von Mädels. Aber mehr will ich nicht verraten, sonst bekommen wir wieder Ärger mit unseren Freundinnen.“

Wann kommt die Japan-Tour ...?

„Ich hoffe bald. Das ist mein absoluter Traum. Allein schon, dass unsere Platte ab Mai in Japan veröffentlicht wird, finde ich unglaublich. Ich bin ein riesiger Japan-Fan und muss unbedingt einmal dorthin. Am liebsten natürlich mit der Band. Wenn das passiert, habe ich auf jeden Fall einen Traum erreicht.“