DEAN DIRG

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Punkrock nach dem Maximalprinzip

DEAN DIRG – der Bastard, der selbst meine einst zart besaitete Freundin verdorben hat! Wie ist so was möglich? Zweifellos gehören DEAN DIRG hierzulande zu den mitreißendsten Bands überhaupt, wenn es um rotzigen Punkrock in seiner reinsten Form geht – Schubladenbeschrifter dürfen meinet wegen auch gerne noch die Initialen HC und R’n’R hinzufügen. Selten habe ich einen derlei erfrischenden Aufguss althergebrachter Punkrock-Stereotypen gehört. Hysterische Kracher, direkt aus dem Bauch heraus, und dennoch wohl bedacht. Eingängig, kompakt, dicht strukturiert und aus einem Guss, perfekt arrangiert auf den Punkt gebracht. Straight, ohne dabei monoton zu klingen. Hektisches Umgreifen der Akkorde, ein krachig-treibendes Schlagzeug und ein völlig durchgedrehter Sänger – so wie er für jede anständige Punkband eigentlich obligatorisch sein sollte. Mit einfachen Mitteln erzielen DEAN DIRG das bestmögliche Ergebnis. Und spätestens nachdem man das Wuppertaler/Münsteraner-Quartett mal live gesehen hat, erübrigen sich alle weiteren Fragen darüber, warum diese Band sogar meine Emo-Freundin versaut hat.

Fangfrage Nr. 1: Punk ist ...?

Börge:
„Fangfrage, Alter? Da ist eine Antwort ja wohl mehr was für Leute mit nur einer Falte im Schädel ...“
Torsten: „Punk oder HC definieren schmeckt nach Scheiße. Pablo Escobar war ja glaub ich kein Punk, nicht so richtig jedenfalls. Michael Jackson vielleicht doch, hatte ja auch Lederjacke und so an ... Keine Ahnung. Musst du einen Punk fragen.“
Claus: „Klamotten kaufen, hart abdancen ...“

Ich bin recht amüsiert vom Outfit eures Sängers und zugleich bewundere ich den Mut und die Selbstverständlichkeit, wie er dieses zur Schau stellt. Mehr Punk geht ja eigentlich nicht mehr. Muss man eine Wette verlieren oder was bewegt einen dazu?

Börge:
„Das mit der verlorenen Wette stand doch schon mal im Ox, oder? Doph weiß halt zu fesseln. Er ist unser Paradiesvogel und verbringt den Sommer meist mit Strohhut und Sandalen auf Ibiza. Der braucht das, um auszuspannen. Er stammt aus einer alten Wuppertaler Großfamilie. Da ist immer Stress am Start. Geldschieberei und andere Geschichten, über die er nicht gerne redet. Überhaupt redet der nicht viel. Wir wissen nie, was gerade so los ist mit ihm, obwohl wir ihn schon lange kennen. Sehr lange! Seit der Schule, als er die Hosen seiner Brüder auftragen musste, haha. Wuppertaler Style, du hast vielleicht davon gelesen. Dophs Vater ist auch sehr speziell, der ist so ein Joe Pesci-Typ: Klein und äußerlich herzlich. Aber wir wissen alle, dass er ein knallharter M.F. ist. Manchmal treffen wir ihn, dann sagt er immer: ‚Jungs, falls ihr mal Stress haben solltet – egal was und mit wem – sagt’s einfach Vatter. Wir kümmern uns dann drum.‘ Er ist sehr gut zu uns. Aber das ist eine ganz andere Geschichte ... Mit Punk hat das auf jeden Fall nichts zu tun.“

Was verändert sich für euch von dem Moment an, in dem ihr die Bühne betretet?

Börge:
„Für uns? Nicht viel ... Aber für alle anderen. Wir geben dem Mob Zucker. Die wollen das so. Wir stehen drauf, wenn alle voll abgehen.“
Torsten: „Für mich auch nicht allzu viel, außer dass es mehr Endorphine produziert, unsere Songs runterzuzocken. Leute, die auf Partys den Kopf schütteln und mich als Trottel auslachen, wenn sie mich bei Selbstverstümmelungen sehen, empfinden das plötzlich als lobenswerte Bühnenshow. Idioten!“

Was für Menschen stecken hinter DEAN DIRG? Besinnliche, ausgeglichene Zeitgenossen? Ich bitte um eine kurze Selbsteinschätzung.

Torsten:
„Ich habe so einige Softairs, diese Plastikknarren, wovon mir das M16A1 die allerliebste ist. Das Teil hat einfach einen schöneren Handschutz als das M16A2 und die Schulterstütze ist schlichter und schicker als beim M177. Großartiges Gerät. Da kann ich ins Schwärmen geraten. Weniger schmückend ist meine Begeisterung für die deutsche Weltkriegs-MP40. Abgesehen davon bin ich ein recht versierter Schütze und habe für DEAN DIRG schon so manche Rose geschossen. Tja, ansonsten versage ich, glaube ich, ziemlich jämmerlich im Leben.“
Börge: „Das mit den Rosen stimmt. Vielen Dank dafür! Wir wollten Doph auch schon öfters mal zum Kirmesboxer in den Ring schicken. Aber er lehnt das ab. Schade, denn wir sehen ihn gern in Action.“
Torsten:„Fände ich auch okay. Sollte das mal gemacht werden, kommt ein Video von dem Kampf auf die Homepage.“

Was treibt ihr ansonsten noch neben der Band so, z. B. beruflich?

Claus:
„Einen richtigen Job hat momentan eigentlich keiner von uns.“
Börge: „Wir spielen noch in anderen Bands ...“
Torsten: „Versagertum. Damit schmückt man sich ja auch gerne in diesem Musikgenre, aber mir geht’s langsam echt auf die Nerven und ich muss mal was auf die Kette kriegen. Man ist ja auch nicht mehr der Jüngste.“
Börge: „So harte Versager sind wir ja auch nicht, Alter. Auf die Band gehen wir alle steil. Das ist unsere Nummer 1.“
Wie findet ihr euch denn in Zwangsgemeinschaften zurecht, z. B. am Arbeitsplatz?
Börge: „Das kommt ja dann nicht so oft vor ...“
Torsten: „Ich komm überraschend gut mit den ganzen Volltrotteln zurecht, aber sein muss das echt nicht. ‚Umgang mit Menschen’ hatte ich beim Computer im Berufsinfozentrum nie eingetippt.“

Gibt es Bewegungen im Punkrock, mit denen ihr euch persönlich überhaupt nicht anfreunden könnt?

Torsten:
„Versoffene Oi!-Superheteros, die denken, harte Männer brauchen harte Musik.“
Börge: „Stumpfe Typen brauchen allerdings stumpfe Musik. So passt das dann wieder. Aus unbehaarten Köpfen kommt auch meist die größte Scheiße.“
Claus: „Diesen ganzen Porno-Kram finde ich auch nicht so geil. Da muss man mal Stellung beziehen ...“

Wie würdet ihr selbst jemanden eure Musik beschreiben, der keinerlei Bezug zu Punkrock hat?

Torsten:
„Tja, ich würde dem irgendeine großkalibrige Räuberpistole – mindestens 12,7 mm – auftischen. Ist ja nicht weiter schlimm, wenn der eh nicht an Punkrock interessiert ist. Danach dann zu einem interessanteren Thema wechseln.“
Claus: „Alleine der Versuch ist zwecklos. Ich leugne immer, dass ich in einer Band spiele. Die Leute kennen ja dann noch nicht mal die Sachen, die uns inspirieren, geschweige denn die Sachen, die die Leute inspirierten, die dann uns inspirierten. Also echt am besten das Thema wechseln ...“

Wie geht ihr beim Schreiben eines neuen DEAN DIRG-Songs vor? Habt ihr ein eingespieltes Schema? Welche Kriterien muss ein Song erfüllen, damit er ins Repertoire aufgenommen wird?

Börge:
„Das ergibt sich so. Wir spüren das, wenn der Scheiß am laufen ist. Dann sind wir aber meistens wie eine Primaballerina. Da wird hart selektiert. Deshalb brauchen wir auch immer, bis wir genug neue Songs haben.“
Torsten: „Erbsenzählen. Saupingeliges Erbsenzählen!“
Claus: „Eigentlich nehmen wir nur drei Hits, pflücken sie auseinander und basteln sie neu zusammen. So macht das übrigens jeder ...“
Zitat aus einem Review zu eurem letzten Album: „... jede weitere Minute im gleichen Tempo würde die Gefahr aufkommender Langeweile stetig erhöhen.“

Würdet ihr dem zustimmen? Glaubt ihr selbst, dass eure Songs langweilig werden würden, wenn sie länger als eine Minute andauern würden?

Börge:
„Das war von Tom van Laak vom Ox. Der kann uns nicht leiden, deshalb stehen wir so oft in seiner Kolumne, haha. Der meinte aber, glaube ich, die Gesamtlänge der Platte.“
Torsten: „Jeder Song wird nach einer Minute langweilig. Außer vielleicht bei MAIDEN, da dauert das zweieinhalb Minuten. Wir schmeißen lieber gute Riffs wie Perlen vor die Säue, also unser Klientel.“

Was entgegnet ihr jemanden, der eurer Musik auf Dauer etwas an
Substanzlosigkeit vorwerfen würde? So geschehen im Ox-Soundcheck zu eurer letzten Platte.

Börge:
„Alter! Schon wieder ein Ox-Zitat.“
Torsten: „Ihr zitiert euch aber gerne selbst. Und substanzlos ist, wenn man den ganzen Tag eine Zielscheibe mit ein und derselben Waffe beharkt.“
Börge: „Und davon verstehen wir einiges. Word up! In demselben Soundcheck ist die ‚...Last Kid On The Block‘ eigentlich ganz gut weggekommen. Warum fragst du nicht nach ‚...Diese Platte ist der absolute Überflieger!‘ oder ‚... ihr bisher bestes Werk‘? Wir haben schon sooo viele Pokale im Regal stehen.“
Claus:„Das wäre zu langweilig.“
Börge: „Stimmt, aber ich bekomme so gerne Honig ums Maul geschmiert.“

Gibt es einschneidende Erlebnisse bzw. Höhepunkte oder Tiefpunkte in eurer bisherigen Laufbahn?

Torsten:
„Ich würde eher sagen, dass ich so einige Tiefpunkte meines Lebens sehr gut durch DEAN DIRG kompensieren konnte.“

Erinnert ihr euch noch an euren ersten Gig?

Torsten:
„Das war auf einer Party auf einem Friedhof. Kein Scheiß! ‚Return of the living dead’ fällt mir gerade ein, das ist ein ganz guter Film. Wir waren da aber nicht so gut, glaub ich.“
Börge: „Da spielte unter anderem auch eine TOTO-Coverband. Der Sänger sah aus wie Marlon Brando mit geflochtenem Stirnband. Bei ‚Africa‘ kam es dann zum Schweineberg. Das war die beste Band, mit der wir jemals gespielt haben ...“

Ihr veröffentlicht nach wie vor ausschließlich Vinyl. Ideologie oder Leidenschaft? Werdet ihr dies auch in Zukunft weiterhin konsequent fortführen? Gibt es keine Nachfrage nach CDs?

Torsten:
„Vinyl ist ja schöner, aber nur auf Vinyl rumzupochen, ist ja auch nicht schmückend.“
Börge: „Das ist dann mehr was für die harten Streifenyuppies. Nach CD gefragt, wird eigentlich schon sehr oft.“
Claus: „Trotzdem werden wir niemals eine CD rausbringen. NEVER EVER!“