GRANNIES

Foto

Blut, Schweiß und Kölnisch Wasser

Erinnert sich noch irgendwer an den alten Monty-Python-Sketch, in dem eine Bande hüftsteifer Omas pöbelnd durch die Straßen einer englischen Kleinstadt zieht? Sieht ganz so aus, als ob die Damen der Sonne wegen ins ferne San Francisco ausgewandert sind, wo sie flugs ihr Selbstgestricktes gegen ein paar Gitarren eintauschten, um sich den Lebensabend fortan mit Punkrock zu versüßen.
Klar, ich liebe Monty Python, und die ‚Hell’s Grannies‘-Episode mag unterbewusst eine Rolle gespielt haben, als wir die Band gründeten“, erzählt Sluggo, seines Zeichens Gitarrist und Mastermind der GRANNIES. „Aber ehrlich gesagt kann ich mich gar nicht mehr so recht erinnern, wie wir auf die Schnapsidee gekommen sind, uns in Altweiberkleidern auf die Bühne zu stellen. Als wir im Juli 1999 unsere erste Show spielten, war uns klar, dass die Leute uns entweder lieben oder hassen werden – zwei Gefühlsregungen, mit denen wir gut leben können!“
Dabei kommen die GRANNIES – im Gegensatz zu ihrem Outfit – nicht zu einer Sekunde altbacken oder gar verstaubt daher, sondern vielmehr wie ein Haufen Schwerverbrecher auf der Flucht, die mit hörbarer Vorliebe Punkrock der alten britischen Schule (BUZZCOCKS, UNDERTONES) und Bands wie REPLACEMENTS und LEATHERFACE mit einem gehörigen Tritt in den Arsch zum Besten geben und gerne auch den Sludge Metal des großartigen Tesco Vee in ihre Songs einfließen lassen. Gut möglich, dass die GRANNIES wegen diverser Alkohol- und Drogendelikte ausbüxen mussten und sich deshalb unter mit Blümchen besetzten und nach Mottenkugeln müffelnden Klamotten und graugefärbten Perücken verstecken. Vielleicht wollten sie auch einfach nur den Preis für das dämlichste Gimmick im Rock’n’Roll-Business gewinnen. Auf dieses Treppchen haben sie es auf jeden Fall geschafft, und einmal damit angefangen, ist es verdammt schwer aus so einer Nummer wieder herauszukommen. Was soll’s, schließlich hat es auch den MUMMIES nicht geschadet, dass sie sich anno dazumal in Klopapier gehüllt präsentiert haben.
Und spätestens, wenn einem die ersten Takte der aktuellen CD mit dem göttlichen Titel „Erected Lady Man“ durch die Gehörgänge fegen, ist sowieso jeder Gedanke verflogen, die Jungs als Karnevalskapelle abzustempeln. Überaus druckvoll in Szene gesetzt wurde das neue Werk, wie schon die beiden Vorgängeralben, vom immer noch umtriebigen Jack Endino, den Sluggo bereits seit einer halben Ewigkeit kennt und als guten Freund bezeichnet.


„Jack hat schon die beiden Alben meiner Band AIN’T aus den frühen 90ern produziert. Es ist phantastisch mit ihm aufzunehmen, denn er arbeitet schnell und legt genau wie wir viel mehr Wert auf Authentizität als auf Perfektion.“

Das nächste Album ist bereits in Planung und wird wieder auf Sluggos eigenem Label Wondertaker erscheinen, denn der Mann besteht auf absolute kreative Freiheit, nicht nur in Sachen Musik, sondern auch in den Bereichen Artwork und Vermarktung.

„Der entscheidende Vorteil eines eigenen Labels ist, dass du machen kannst, was du willst und wann du es willst. Der Nachteil ist, dass du halt für alles selbst bezahlen musst!“

Wie schnell lieb gewonnene und sicher geglaubte Unabhängigkeit flöten gehen kann, musste Sluggo am eigenen Leib erfahren:

„Vor einigen Jahren gründete ich das Label Dead Teenager Records, in erster Linie, um unsere eigenen Scheiben zu veröffentlichen. Aber schon bald brachte ich auch die Platten befreundeter Bands wie z. B. EVERYTHING MUST GO und DIRTY POWER raus. DIRTY POWER waren so gut, dass ich unbedingt einen Vertrieb brauchte. Also ließ ich mich auf eine Partnerschaft ein mit Ben Rew und Donny Paycheck von ZEKE.“

Zwar war es ein Leichtes, dank solch illustrer Partner einen guten Vertrieb zu finden, doch schnell wurde Sluggo von den beiden Herren über den Tisch gezogen, als ob’s um Millionen von Dollars ginge. Sluggo kam für Aufnahme, Produktion und Werbung für das DIRTY POWER-Album auf, ohne dass er auch nur einen Cent aus den Verkaufserlösen erhielt. Stattdessen steckten sich Rew und Paycheck die Kohle in die eigene Tasche und überredeten weitere arme Seelen in das Label zu investieren, ohne dafür jemals eine Gegenleistung zu erbringen. Sluggo nahm Reißaus vor soviel Gier und Dreistigkeit und verzichtete auf das Label. „Mit diesen beiden Arschlöchern hab ich nichts mehr zu tun. Ich weiß, dass eine Menge Leute Donny Paycheck für Gott halten, doch das Gegenteil ist der Fall. Musiker, die andere Musiker bescheißen, sind für mich der größte Abschaum überhaupt.“
Ganz abgeschlossen hat Sluggo mit diesem Kapitel noch nicht, und wer könnte es ihm verdenken, doch gelernt hat er daraus allemal. Der allmorgendliche Blick in den Spiegel ist ihm viel wichtiger als ein bisschen Ruhm und Erfolg. Wohl auch deshalb hat es drei Alben gebraucht, bis die GRANNIES dem guten, alten Europa endlich einen Besuch abstatten. Im Juni ist es nun soweit sein, die Band ist bereit, für ein paar Wochen der Arthritis zu trotzen und ihre nicht ganz neue, aber immer wieder gern gelehrte Philosophie des Punkrock unters Volk zu bringen. „Throw beer, fuck shit up, get yer aggressions out and have a fun time – thats what it’s all about.“ Kann ich nur noch Amen sagen. Ein gut gemeinter Rat zum Schluss: Tut euch selbst einen Gefallen und gebt bei Google auf keinen Fall die Suchbegriffe „grannies erected lady man“ ein. Da tun sich spätestens ab Seite 2 Abgründe auf, die besser im Verborgenen bleiben ...