DIE MIMMI’S

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Hinsetzen, durchlesen

Claus „Fabsi“ Fabian ist einer dieser bunten Hunde, die sich nicht unterkriegen lassen. Angefangen hat er als Schlagzeuger der legendären ZK und gründete danach erst DIE MIMMI’S und dann das Weser Label. In den Neunzigern waren die MIMMI’S weitgehend auf Eis gelegt. Im April nun legten DIE MIMMI’S nach 13 Jahren und einigem Auf und Ab mit „Hinsetzen Maulhalten“ endlich wieder ein neues Album vor. Gemeinsam mit RUBBERSLIME ging es kurz darauf auf große Deutschland-Tour. Ich traf Sänger und Weser Label-Chef Fabsi während der Tour in Krefeld.

Fabsi, vor drei Jahren hast du im Ox-Interview die Frage nach einer MIMMI’S Reunion noch verneint. Wenige Monate später wart ihr dann doch als DIE MIMMI’S unterwegs. Wie kam es dazu?


„Wir outen uns in Jahrzehnten. 1992 kam das letzte Album ‚Das ist meine Welt‘ in der alten Besetzung. Zwischendurch gab es dann FABSI & DER PEANUTSCLUB, wo wir gesagt haben, dass wir das nicht als MIMMI’S laufen lassen können. Zum zwanzigjährigen Bestehen des Weser Labels im Jahre 2002 kam Lars, der alte Schlagzeuger, und fragte, ob wir zum Geburtstag des Labels nicht etwas auf die Beine stellen könnten. Wir gingen dann als PEANUTSCLUB mit den DIMPLE MINDS auf Tour und wurden vor allem in Ostdeutschland angesprochen, warum wir denn nicht als DIE MIMMI’S unterwegs seien, zumal viele gar nicht wussten, dass wir MIMMI’S-Stücke im Programm haben. So hat sich das dann ergeben. Und das war auch das Beste, was wir machen konnten. In der Zusammensetzung mit Nici und Sixten an Bass und Gitarre ist das eine hervorragende Sache geworden. Als wir das Angebot erhielten, mit RUBBERSLIME auf Tour zu gehen, haben wir uns in Harakiri-Manier zusammengesetzt und die neue Platte zusammengeschrieben. So bin ich überglücklich, weil ich sagen kann, das dies die erste MIMMI’S-Scheibe ist, die ich von vorne bis hinten ganz durchhören kann.“

Kann man sagen: Neue Besetzung – alter Spirit?

„Absolut. Allerdings sind die lieblichen Sachen, die damals ihren Charme hatten, mit Elli und Silke, gewichen, sonst wäre das ein Kauderwelsch geworden.“

Wer kommt heute zu Konzerten der MIMMI’S? Ist das ein bunt gemischtes Publikum?

„Ja, kann man sagen. Zum Tourauftakt in Bremen waren vorne Kids vollkommen am Ausrasten, die 14, 15, 16 sind. Dann kommt so die nächste Schiene und ganz hinten die alten Säcke, die erst mal gucken, was passiert. Im zweiten Drittel der Show sind sie dann auch vorne mit dabei und werden pitschnass. Da bin ich auch glücklich drüber, dass wir nicht nur vor Fossilen spielen, sondern eine gute Mischung haben.“

Gibt es bei den MIMMI’S nach wie vor diese ganzen Showeinlagen mit Dosenbier etc.?

„Den ganzen Mist: Dosenbier und ‚Gegen Nazis‘-Aufkleber ins Publikum. ‚Halt’s Maul Paul‘ spielen wir natürlich auch, mit heiligen Oblaten, vom Ratzinger gesegnet. Die ganze Liga gibt’s. Warum denn auch nicht?“

Was sagt deine Frau Elli zu den „neuen“ MIMMI’S? Sie ist ja im Geiste immer noch eine Mimmi, oder?

„Die ist vollkommen begeistert. Sie sagt, das ist halt die Scheibe, die wir nie hätten machen können. Spielerisch hat sie etwas ganz anderes gemacht, normale Akkorde gespielt, während Sixten ein begnadeter Gitarrist ist. Sie ist ja damals ins Schlagzeug gefallen und hat sich zwei Rückenwirbel gebrochen, sich jahrelang gequält auf der Bühne und schließlich einen Tinnitus erlitten. Deswegen hatte das keinen Zweck mehr. Sie war gestern in Bremen beim Konzert und hat sich gefreut. Bei Shows in Bremen kommt sie auch schon mal mit auf die Bühne.“

Und wie steht eure Tochter Gina zu dem, was Vater Fabsi macht?

„Die zieht sich das alles rein und macht auf dem Schulhof den Larry. Wenn Jungs in ihrem Alter, also acht, neun, auf dicke Fresse machen, dann macht sie mal eben ihre Jacke auf und dann kommt da ein TOTEN HOSEN-Shirt zum Vorschein und dann verstummt die Runde.“

Momentan sind Bands wie MIA, WIR SIND HELDEN oder KETTCAR sehr angesagt. Kriegst du das mit und können Bands wie RUBBERSLIME und DIE MIMMI’S ein wenig davon profitieren?

„Der ganze Putsch ist natürlich genial, auch dass FETTES BROT weg von der Industrie und beim Indigo Vertrieb ist. Die aktuelle Single hat sich bis jetzt 150.000 Mal verkauft. Davon profitiert natürlich der Vertrieb und den Majors weht endlich der Gegenwind ins Gesicht. Sie sehen jetzt, dass es auch anders geht. So ein Fall wie Gracia mit den Chartmanipulationen kann uns allen nur gut tun. So sieht man, was das für ein Beschiss ist, auch bei Künstlern wie Westernhagen. Ob wir davon profitieren, weiß ich nicht. Das Publikum werden wir nicht haben, weil das eine ganz andere Richtung ist. Aber wir merken natürlich, dass die Leute zum Rock’n’Roll-Zirkus hinrennen. Das sieht man auch an Festivals wie Hurricane oder Southside, was die da für harte Sachen spielen, aber auch Bands wie KETTCAR. Die Leute akzeptieren es und nehmen es an und das kann gerade den Independents nur gut tun. Das wird sich noch mehr niederschlagen. Wenn der oberste Universal-Chef sagt, der Tonträger, die CD und das Vinyl, wird überhaupt nicht mehr existent sein, es wird nur noch über mp3 laufen und irgendwelche Online-Medien, dann sage ich: Sollen sie machen, sollen sie wirklich nur noch online machen, dann werden sie sehen, was sie für eine Scheiße verkaufen, denn die Kids im Auto wollen das greifbar haben. Die ganze Sülze, die bei fast allen Radiosendern läuft, kennen wir alle. Das sind Leitplankenküsser, sage ich immer, wo du bei einschläfst. Der Rock’n’Roll findet auf der Straße statt und sonst nirgendwo. Lass diese ganzen Leute von der Industrie noch ein System erfinden, sie werden stehen bleiben.“

Spielt da in gewisser Weise auch der Titel des neuen Albums drauf an?

„Kann sein. Wenn du nach dreizehn Jahren ein Album herausbringst, überlegst du natürlich, wie du es nennst. Da sind ein paar Sachen drauf, die sehr erheiternd sind wie ‚Die Liste‘, wo du über jemanden singst, den du absolut nicht mehr abkannst, der aber mal ein guter Freund war und zu dem sagst: ‚Schreib mal alles auf, was war und steck dir diese Liste in den Arsch‘, dieser zwiespältige MIMMI’S-Humor. Wenn du heute die ganzen Kids siehst, die wie Hühner auf der Stange sitzen und sich gegenseitig SMS zuschicken, dann sag ich, das ist doch so was von monoton, und so ist auch das gleichnamige Stück entstanden. Anstatt was zu machen und zu bewegen, gehen die Kiddies lieber zu H&M und kaufen sich wie Jeanette Biedermann T-Shirts von EXPLOITED mit einem Iro vorne drauf. Das ist doch vollkommen peinlich. Campino hat damals mit fünfzehn schon ein wunderbares Stück geschrieben: Kleider machen Leute, Geschäfte machen Beute. Genau das ist es, einfach auf den Punkt gebracht.“

Ich habe vor einiger Zeit deinen alten Freund Rocko Schamoni zu seinem Buch „Dorfpunks“ interviewt. Die Frage, ob er sich von der Haltung her immer noch als Punk sehe, verneinte er, weil für ihn Punkrock eine Jugendbewegung war, die Ende der Siebziger auslief. Wie ist das für dich?

„Da bin ich ja voll dagegen. Wenn Rocko das behauptet, dann soll er bitte nicht in irgendeiner Fernsehsendung sein Tattoo zeigen, das er sich damals mit der Stechnadel ans Fußgelenk hat machen lassen. Das soll er sich mal wegschleifen lassen. Rocko ist damals in Brunnen gesprungen, um sich mit Wasser zu bespritzen und heute liegt er wahrscheinlich gediegen in der Badewanne. Ist mir auch scheißegal. Wenn du in irgendetwas reingeboren bist, dann ist das einfach ein Lebensgefühl. Das hast du einfach drin. Du machst einfach, das was du willst und versuchst, das aufrechtzuerhalten. Mit dem Alter hat das nichts zu tun. Es gibt ein paar Sachen, wo du sagst, das mach ich nicht mehr. Alles andere ist geblieben.“