JASON DARK

Foto

Der Meister des Grusel-Kopfkinos

Als Kind habe ich Bücher verschlungen. Hauptsächlich Abenteuerbücher. Als ich dann der Schule wegen zwangsläufig andere Literatur lesen musste, schwand das Interesse außerhalb der Wissensfabrik zu lesen. Anfang der 80er Jahre aufmerksam geworden durch das Heavy Metal-Genre, das sich viel mit Legenden, Mythen und Übersinnlichem auseinandersetzte, bekam ich ergänzend dazu die ersten John Sinclair-Romane. Seitdem überwältigt mich immer wieder das Verlangen, wie des Vampirs Blutdurst, die Romanserie Geisterjäger John Sinclair zu lesen, so dass ich von den mehr als 1.500 Romanen, die seit offiziellem Serienbeginn 1978 geschrieben wurden, sicherlich einige Hundert gelesen habe. Von vielen als Groschenromane abgetan, kann der erfolgreichste deutschsprachige Autor Helmut Rellergerd alias Jason Dark auf die unüberschaubare Anzahl von mehr als 300 Millionen verkaufter Exemplare zurückblicken, werden seine Romane schließlich nicht nur gekauft, sondern auch gelesen. Für mich gehört John Sinclair zu Hardrock, Heavy Metal und Punk, Helmut Rellergerd hingegen kann mit dieser Musik rein gar nichts anfangen. Geboren am 25. Januar 1945 in Dahle im Sauerland, wuchs er in Dortmund auf, wurde Chemotechniker, schrieb mit 20 seinen ersten Roman und wechselte 1971 den Beruf zum Schriftsteller. Rellergerd lebt in Bergisch Gladbach, Hausnummer 13 versteht sich, ist verheiratet, hat zwei erwachsene Kinder, liest und recherchiert viel und verfasst nach wie vor seine Gruselgeschichten auf einer mechanischen Olympia-Schreibmaschine. Ende Mai telefonierte ich mit dem Erfinder von John Sinclair, Helmut Rellergerd alias Jason Dark, einem sehr sympathischen Menschen mit angenehm sonorer Stimme.

John Sinclair ging 1978 in Serie und macht seitdem als jüngster Oberinspektor mit Mitte 30 in New Scottland Yard Karriere. Warum darf ein Serienstar wie John Sinclair nicht altern?


„John Sinclair altert zwischen den Zeilen alle zehn Jahre etwa ein Jahr. Die Romane sind heute anders geschrieben als früher. Ich lege mittlerweile mehr Wert auf die Personen und deren Background. Früher beschränkte sich das auf Grusel, Grauen und Tod.“

Was für ein Mensch ist John Sinclair im Laufe der Jahre geworden?

„John Sinclair denkt heute mehr nach. Er ist wie ich ein politischer Mensch geworden. Große Weltereignisse spielen eine Rolle: Der 11. September, der Tod eines Monarchen oder einer Frau wie Lady Diana, große Fußballspiele, große Treffen von Politikern wie zwischen Gorbatschow und Reagan. Das alles baue ich in die Serie mit ein und so ist John Sinclair auch ein kleines Stück Zeitgeschichte. Die Figur an sich ist ein normaler Mensch. Wie du und ich, er ärgert sich über das Wetter oder isst gerne mal eine Currywurst. Das schätzt vor allem die weibliche Leserschaft. John Sinclair war früher Raucher. Das hat er aufgegeben, im Gegensatz zu mir. Eigentlich darf John Sinclair keine negativen Eigenschaften haben, die zu sehr ins Gewicht fallen, denn da steht der Jugendschutz dagegen. Was das betrifft, muss ich aufpassen. John Sinclair muss der saubere Held bleiben, auch wenn er mal das Verhältnis zu Glenda Perkins und dann mal wieder zu Joan Collins pflegt.“

Das Schreiben haben Sie in der Bundeswehr begonnen, während andere zum Saufen loszogen?

„Ich habe immer schon gerne geschrieben, aber in der Bundeswehr hatte ich endlich mal richtig viel Zeit dafür. Ich war bei der Luftwaffe und durch die Nachtschichten hatte ich viele freie Tage, so dass ich so meinen ersten Roman geschrieben habe. Wenn andere abends losfuhren um zu Schlucken, habe ich in der Bude gesessen oder Fußball gespielt. Das große Saufen war noch nie mein Fall, auch wenn ich nicht reinspucke.“

Aber eigentliches hätten Sie lieber Detektiv-Romane geschrieben?

„1973 suchte der Verlag Autoren für die Serie ‚Gespensterkrimi‘. Niemand hat sich bis dahin so recht an dieses Genre herangetraut. Na gut, dann versuche ich mich eben am ersten, zweiten, dritten und vierten Roman ... und als der Verlag merkte, dass sich meine Romane besser verkaufen, als die der anderen Autoren, wurde abgekoppelt und ich bin beim Gruselroman geblieben, habe mir aber die Option offen gelassen, innerhalb der Sinclair-Serie, immer wieder mal einen Krimi zu schreiben.“

Wie definieren Sie „Krimi“ und „Grusel“, und warum hat das Übersinnliche an sich Ihrer Meinung nach auf so viele Menschen eine so starke Faszination?

„Beim Krimi ist die Aufklärung natürlicher Art und beim Grusel übersinnlicher Art. Ich glaube selbst nicht an Geister, Gespenster, Vampire oder Werwölfe. Was ich in einem Gruselroman schreibe existiert nicht. Ich spiele aber mit diesen Versatzstücken, die existieren, seitdem es Menschen gibt und bringe diese in eine etwas modernere Form. Bei allem, was sich die Menschen nicht wissenschaftlich erklären können, aber wo sie denken, es könnte ja sein, da muss es andere Kräfte geben. Ich glaube, das ist ein Gebiet der Neurologie, mit der sich die Wissenschaft auseinandersetzen muss. Aber das werde ich wohl nicht mehr erleben. Vampire oder Werwölfe gehören zu den Legenden aller Völker, egal wohin man blickt, die Monster haben lediglich verschiedene Namen. Die Menschen haben schon immer irgendetwas gesucht, was sie vor allem in der Nacht nicht zuordnen konnten.“

Welche Themen sind in Ihren Geschichten tabu?

„Pornographie, Kinderpornographie, Kindermord, Schwarze Messen und die braune Soße – Neonazis. Damit will ich nichts zu tun haben.“

Ihre Romane wurden auch vertont. Die von Studio Braun produzierten Hörspiele waren zwar nicht im Sinne des Verlages, aber die Fangemeinde hatte ihre Freude daran, während die 2000er Edition sehr zeitgemäß ist.

„Das war damals zu der Zeit auch gar nicht schlecht gemacht. Ich möchte durchaus das Wort Kult benutzen. Wenn man weiß, wie die Hörspiele entstanden sind, kann man heute nur noch darüber lächeln. Heute werden Hörbücher ganz anders produziert, die nebenbei erwähnt, immer beliebter werden. Es wird viel mit der Akustik gearbeitet. Sounds werden aus den USA eingekauft. Ich gab auch meine Zustimmung, dass John Sinclair als Hörspiel moderner gemacht wird. Als ich zu Schreiben begann, gab es ja noch keine Computer im heutigen Sinne, geschweige denn Handys oder Internet.“

Was den rockigen Soundtrack der 2000er Hörbuch-Edition betrifft, sind Sie im Hörspielbereich so etwas wie John Carpenter im Horror-Film-Genre. Wie kam der Kontakt zu BLACKMAIL zustande?

„BLACKMAIL – keine Ahnung. Das war eine Sache von WortArt. Bei dieser Musik bin ich Laie. Meine Musik ist Klassik, die Oper, alte Rockmusik wie Elvis oder die ROLLING STONES und BEATLES. Als Backgroundmusik höre ich Klassik, zum Arbeiten WDR 2. Rockmusik würde mich zu sehr ablenken, zudem habe ich noch nie ein Rockkonzert besucht. John Carpenter habe ich übrigens mal kennen gelernt, da ich ein Buch über ihn mitgestaltet habe.“

John Sinclair erhält und erhielt man als Romanserie, als Taschenbuch, Hörspiel, PC-Spiel, Comic-Reihe, Mobil-Telefonspiel, TV-Serie ...

„Über letzteres breiten wir den großen Mantel des Schweigens. Ich habe dir Filmerei abgelehnt. Was dabei raus gekommen ist ... Im Rundfunk wurden einige Folgen der neuen Edition beim Südwestfunk gesendet. Weitere Ideen gibt es ja immer, aber das kostet alles Geld und der Käufer soll ja nicht überstrapaziert werden.“

Ich persönlich mag es, wenn der Hintergrund der Geschichten etwas mit Rockmusik, dem Bösen-Buben-Image, zu tun hat. Was assoziieren Sie mit dieser Musik?

„Auf die Gefahr hin, dass ich Sie jetzt beleidige, aber speziell diese Art von Musik ist für meine Ohren Krawall. Ich bin ein Freund der Melodie. Musik und Gesang muss Melodie haben. Man sollte also auch singen können. Das kommt daher, weil ich wahrscheinlich zu viel im Theater und in der Oper war und die Leute ohne elektronische Tricks singen mussten. Alte irische Folklore hört sich ganz nett an. Die harten Gruppen, die zudem das rechte Spektrum bedienen, lehne ich strikt ab.“

Gibt es in der Leserschaft Fans, die wie aus den Leserbriefen erkennbar ist, die den Background Ihrer Geschichten zu ernst nehmen?

„Ganz selten. Irgendwie haben wir doch selbst das alles mal zu ernst genommen. Ich hatte als Kind auch Angst, in den stockdunklen Keller des Sechsfamilienhauses zu gehen. Da gab’s nur trübes Licht. Da standen alte Metallaschenkübel und es gab zwei, drei Nebengänge, von denen ich mich fürchtete. Die Serie soll keine Angst machen, aber zur Krimispannung etwas Gänsehaut entstehen lassen. Es ist kein Horror, den ich des Jugendschutzes wegen schon nicht schreiben darf. Und was die Leserbriefe betreffen, schreiben mir meistens Frauen, die die Serie gerne lesen, weil sie nicht so brutal, sondern sehr menschlich ist. Für viele ein guter Grund, sich diese Art von Entspannung mit der Gänsehaut zu beschaffen.“

Die Musikbranche hat seit Jahren mit Umsatzeinbußen zu kämpfen. Wie haben sich die Verkaufszahlen in der John Sinclair-Reihe im Laufe der Jahre entwickelt?

„Die Verkäufe sind nicht mehr so hoch wie am Anfang. Alles eine Sache des Vertriebes. Ist es zu teuer, eine Kleinstadt zu bedienen, konzentriert man sich auf die Zentren. Klar, dass so auch die Auflage zurück geht.“

Werden John Sinclair-Romane übersetzt und im Ausland angeboten?

„Sie werden ins Tschechische und Niederländische übersetzt. Die Franzosen, Italiener und Spanier würden die Romane gerne nehmen, aber sie sind ihnen nicht brutal genug und es kommt zu wenig Sex darin vor. In Frankreich haben wir das mal versucht, aber es lief nicht.“

Herr Rellergerd, wie geht’s mit Ihnen persönlich weiter?

„Muss man mal gucken, nicht? Solange man mich noch gerne lesen möchte und ich weiterhin schreiben kann, werde ich weitermachen. Ideen sind genug da. Und so wird John Sinclair also auch weiterhin langsam altern.“
Vielen Dank für dieses Interview