POTATO FRITZ

Foto

Auf der Suche nach dem passenden Vergleich

Zum Glück gibt es noch Idealisten in unserer immer unüberschaubarer werdenden alternativen Musikwelt. Oder nennen wir sie einfach Freischaffende. Unabhängig Kreative. Die sich nicht vor einen Karren oder Logo spannen lassen und im Zeichen einer angesagten Marke ihre Outputs vermarkten wollen. Die immer noch der Meinung sind, es ist besser für wenig Verdienst viele Menschen mit seiner Kunst zu erreichen. Die auf den schnöden Mammon primär scheißen.

Eine solche Band ist POTATO FRITZ aus Hamburg. Angefangen als Noiserock-Band ließen POTATO FRITZ im Laufe der Zeit immer mehr Einflüsse von Pop bis Punk in ihre Musik und dies prägte somit den Sound. Angefangen hatte alles im Dunstkreis solch legendärer Hamburger Abrissschuppen wie dem „Heinz Karmers Tanzcafe“ oder dem „Caspers Ballroom“. Dort entstand zwischen vielen Bieren die Idee, nicht mehr nur über HÜSKER DÜ, GOD BULLIES und DINOSAUR JR. zu reden, sondern ihnen nachzueifern. Bereits nach drei Proben folgte der erste Auftritt im „Karmers“, der nicht nur die Band davon überzeugte weiterzumachen. Es folgten weitere, eher seltene Auftritte, zumeist in Hamburg, in den Läden und Clubs, wo man sich sowieso auf sein Feierabendbier traf. Und nach gut drei Jahren erschien sogar eine Single. Doch auch „Das ist sicherlich richtig“, so der Titel, sorgte nicht für eine größere Produktivität der Band. Es blieb schön beschaulich im Hause POTATO FRITZ.
Und so verging die Zeit. Die vier wackeren Hamburger musizieren inzwischen schon seit zehn Jahren zusammen und haben es nun zum Bandjubiläum endlich wahrgemacht und ihr Debütalbum veröffentlicht. Es heißt „Baumwolllitze“ und erschien jüngst bei Fidel Bastro Records, dem Label von Gitarrist und Sänger Bernd. An einem viel zu heißen Junitag traf ich mich mit Dr. Bolender (Gitarre), Err Jott (Schlagzeug), KKH Marquardt (Bass) und dem Dicken (Gitarre, Gesang). Zuerst wurden in den Katakomben der Astra-Stube lustige Fotos geschossen, danach ging es ans Eingemachte. Und das ist zuerst mal der so komisch anmutende Titel des Albums. „Baumwolllitze ist entstanden bei einer Probe hier“, so Schlagzeuger Err Jott, „weil mir just das Wort Baumwolllitze einfiel. Ganz einfach. In einem spastischen Einfall kam ich von Baumwollbeutel auf Baumwolllitze.“
Und schon eröffnet sich einem die Logik, mit der POTATO FRITZ zu Werke gehen. Ein Faible für interessante Namen scheinen sie außerdem nicht erst seit gestern zu haben. So spielte man zuvor schon in Bands, die auf VIERERKETTE, HRUBESCH YOUTH oder ÖDDELS hörten. Und überhaupt, woher kommt einem der komisch anmutende Name POTATO FRITZ noch mal bekannt vor? Richtig, es gab da in den 70er Jahren doch mal einen Western, in dem neben Hardy Krüger auch Paul Breitner mitspielte, seines Zeichens Fußballstar beim FC Bayern und Träger eines sehenswerten Afros. Doch Namen sind Schall und Rauch. Haken wir doch lieber noch einmal nach, wieso es zehn Jahre dauerte, bis endlich ein Album von POTATO FRITZ das Licht der Welt erblickte. „Erst mal hängt die lange Zeit damit zusammen, dass man einen finden muss, der das Ganze macht“, erklärt der Dicke bereitwillig. „Wir wollten nie ein Studio mieten, um dort aufzunehmen. Das sollte schon alles zusammen mit Freunden gemacht werden und nicht unter irgendeinem Zeitdruck entstehen, weil das Studio Unsummen an Geld verschlingt. Mir war es sehr wichtig, dass wir das in vertrauter Runde machen. Mit Menschen, die wissen, wie das Ganze mal klingen soll. Wir wollten ja keine superproduzierte Rockplatte machen, sondern einen gewissen Live-Charakter haben. Deshalb haben wir das Album letztendlich auch hier im Proberaum aufgenommen, was man ja noch nicht einmal unbedingt hört.“

Und Dr. Bolender ergänzt: „Früher hatten wir auch einfach noch nicht genug gute Lieder für ein Album zusammen. Wir proben ja auch nur maximal einmal im Monat, da dauert es, bis man genügend Stücke zusammen hat.“ Doch als dann endlich das Projekt Longplayer in Angriff genommen wurde, stellte sich auch die Frage nach der Covergestaltung. „Schacke, der Sänger von HAPPY GRINDCORE, hatte uns vorgeschlagen, Kontakt zu Jay Ryan aufzunehmen, weil er und auch ich die Sachen von ihm total super finden. Also haben wir ihn angemailt, unsere Sachen rübergeschickt, und plötzlich ging das ganz zügig. Außer einem Rough Mix der Platte kannte der ja gar nichts von uns. Der hat einfach mal so losgelegt. Bereits die ersten Entwürfe, die er uns geschickt hatte, fanden wir gut, doch es wuchs immer weiter, wurde farbig und am Ende waren wir alle begeistert“, erzählt der Dicke über die Entstehungsgeschichte.
Und so bekommt das Album gar einen internationalen Anstrich, der sonst für eine deutsche Band mit deutschen Texten eher schwer zu erreichen ist. Wieso überhaupt deutsche Texte, wollte ich in dem Zusammenhang mal wissen. Schließlich spielt man doch vornehmlich US-amerikanisch geprägte Musik. Hätte sich da das Englische nicht eher angeboten? „Wir haben da nie groß drüber nachgedacht“, gibt KKH Marquardt zu. „Es interessierte uns auch nie, internationale Ansprüche zu befriedigen.“ „Außerdem fiel das bislang bei den Konzerten wohl nie jemandem auf“, ergänzt Dr. Bolender. „Ich habe einem Kumpel während des Aufnahmeprozesses ein Lied von der Platte geschickt, und er hat geantwortet: ‚Bernd singt ja deutsch. Live ist das wohl nie zu verstehen‘.“ In diesem Zusammenhang muss sich der Sänger natürlich auch noch mal zu Wort melden: „Das liegt ganz einfach daran, dass ich bei den Aufnahmen zum ersten Mal versucht habe zu singen. Live ist das immer etwas holziger und da wird auch einfach mehr geschrieen.“

Das stellt scheinbar auch zahlreiche Rezensenten der Platte vor schwierige Aufgaben. Harte Gitarren, Rock und deutsche Texte – da wird man schnell mal in die Schublade Deutschpunk gesteckt. „Die Querverweise, die man da jetzt zu lesen bekommt, sind schon sehr an den Haaren herbeigezogen. DACKELBLUT, OMA HANS, BOXHAMSTERS und EA80 sind ja die wenigen deutschen Punkbands, die ich gut finde“, so der Dicke, „aber ich finde nicht, dass es da große Parallelen zu uns gibt.“ Auch Dr. Bolender wundert sich über so manchen Vergleich. „Da kommen echt die komischsten Sachen bei raus. Von Emo-Rock über die deutschen SONIC YOUTH bis hin zu TOCOTRONIC. Ich finde das ja interessant, wenn auch alles sehr abwegig.“ Und über den Vergleich zu SPORTFREUNDE STILLER hat sich die Band regelrecht geärgert. Schließlich bewegen sich POTATO FRITZ gewollt abseits des großen Geldes. Konsequent verwehrt sich die Band gegen das kommerzielle Ausschlachten des musikalischen Untergrunds: „Wenn ich sehe, dass da im Schanzenpark zwei Hamburger Indie-Bands spielen, und das Ganze elf Euro kostet, so finde ich das nach wie vor eine Frechheit. Ich rechne da immer noch manchmal in D-Mark und denke, das ist einfach zuviel. Wir haben unser Konzert mit zwei anderen Bands in der Astra-Stube für vier Euro gespielt und trotzdem nicht draufgezahlt“, ereifert sich der Dicke.

Und Recht hat er. Aus diesem Grund würden sich POTATO FRITZ auch niemals von irgendwelchen trendigen Szene-Marken sponsern lassen. „Wir haben ja das Glück“, so Dr. Bolender, „dass wir alle neben der Band ganz normale Jobs haben und daher nicht auf das Geld, was möglicherweise aus der Band rauszuholen wäre, angewiesen zu sein.“ Nur nicht unbedingt viel draufzahlen möchte man. Aber es ist halt ein Hobby, „und andere sammeln Briefmarken und stecken da all ihre Kohle rein.“ Bleibt zu hoffen, dass trotzdem einige Leute mit gutem Musikgeschmack und einer Vorliebe für das etwas andere ihr Geld in „Baumwolllitze“ investieren und somit den Weg dafür ebnen, dass POTATO FRITZ in zehn Jahren vielleicht einen Nachfolger raushauen werden.