HAMMERHAI

Seit Anfang ist die zweite Platte der Hannoveraner HAMMERHAI raus, trägt den Titel "... schlägt zurück!" und ist im Vergleich zum Vorgänger "Erledigt" eine positive Überraschung in der ansonsten etwas eintönig gewordenen deutschen Ska-Landschaft. Knapp 100 Gigs absolvierte das Sextett seit 1997 mit ihrer Ska-Dampframme, was soviel bedeutet wie Off-Beat-Groove als Basis, gemixt mit Punkrock, Reggae und schwerer Gitarrenmusik ohne Verwendung einer Bläsersektion, dafür jedoch mit Schweineorgel und Mundharmonika. Ihren Plattenrelease nahm ich zum Anlass, um mit Sänger Sölti und Gitarrist Tim dieses Interview zu führen.

Wie kommt man zu einem so seltsamen Bandnamen wie HAMMERHAI und wie habt ihr euch kennengelernt?


Tim: "Der Hammerhai ist ein überaus mächtiger Raubfisch, der auf der ganzen Welt gefürchtet wird. In Hamburg wurden wir mal Zeuge, wie ein Pittbull, der seinem Stöckchen hinterher schwamm, von einem Hammerhai in Fetzen gerissen wurde. Gefressen hat er ihn natürlich nicht, denn Hammerhaie verfügen über einen ausgeprägten Geschmackssinn. Danach sind wir mit dem Hammerhai um die Häuser gezogen und er erwies sich als ein überaus unterhaltsamer und trinkfreudiger Zeitgenosse. Viele Zufälle führten zu dieser Konstellation, dass wir ausgerechnet mit diesen sechs Personen an den Hammerhai gerieten."

Ihr seht euch in erster Linie als Skaband, auch wenn ihr euch mehr denn je Crossover-, Hip-Hop-, Rap- bis hin zu Metalelementen bedient.


Sölti: "Wir spielen tatsächlich viel mit den Stilen, wobei das Off-Beat-Element der rote Faden bei einer ziemlich dynamischen Achterbahnfahrt ist, bei der sich treibender Ska-Punk mit relaxtem Reggae abwechseln kann."

Welche Musik habt ihr vor HAMMERHAI gespielt? Vielleicht wird dann klar, warum sich die Musik von euch so sehr von den meisten Skapunkbands unterscheidet.

Tim: "Würde man bekannte Bands heranziehen, um unsere musikalische Vergangenheit zu charakterisieren und die Zutaten für den HAMMERHAI-Cocktail zu definieren, so käme ein Mix aus den DUBLINERS, VICTIMS FAMILY, TILT, RAMMSTEIN und den BOSSTONES heraus. Das war so absurd, dass HAMMERHAI nur schwer nach hinten oder voll nach vorne gehen konnte. Schnell war klar, dass viel Potential in der Band steckt."

Welche wesentlichen Unterschiede gab es bei den Aufnahmen zu eurem neuen Werk "... schlägt zurück!" verglichen mit dem Debütalbum?

Tim: "Die Aufnahmen sind bei Sascha im Gate Studio in Wolfsburg entstanden. Darüber hinaus war dies ein gelungener Versuch mit Overdubs zu arbeiten.

Sölti: "Wir dachten uns, dass wir nach drei Studiosessions im Institut für Wohlklangforschung mal in ein anderes Studio gehen, damit man nicht zu bequem wird."

Eure Texte sind bissiger denn je, dennoch immer mit etwas Selbstironie verbunden. Verbirgt sich eigentlich hinter jedem Song eine wahre Geschichte?

Sölti: "Ein gewisser Weltzweifel kann den Texten nicht abgesprochen werden, wobei das Erzählen von tatsächlich erlebten und frei erfundenen Geschichten sich ungefähr die Waage hält. Die Betrachtung von solchen Storys aus einem ironisch/sarkastischen Blickwinkel macht alles ein bisschen idyllischer als es ist. Aber in Zeiten, wo alles cooler, fetter, bombastischer sein muss, finde ich inhaltsvolle Kleinode schöner. Ich persönlich bezeichne "...schlägt zurück!" gerne als unsere Kriegsplatte, weil das ganze Jahr von der Grundstimmung her sehr düster war. Dieser vermeintliche Widerspruch erweckt den Eindruck, die Texte sind besonders bissig."

Ihr habt 1998 eine Split-Ep mit NO RESPECT rausgebracht, die ja auch auf Nasty Vinyl sind. Wie kam eigentlich der Kontakt zu Nasty Vinyl und die Beziehung bzgl. der Plattenreleases auf Vinyl mit den Zinekollegen vom Plastic Bomb zustande, und mit welchen Bands pflegt ihr sonst näheren Kontakt?

Tim: "Wir sind Freunde von SCATTERGUN, mit denen wir auch schon eine Menge Konzerte gespielt haben, aber einen ständigen Kontakt aufrecht zu halten ist doch relativ schwer. Jeder fährt doch seinen eigenen Film. Mit NO RESPECT ist das noch schwieriger, da sie einfach nicht auf den Konzerten erschienen, auf denen wir mit ihnen zusammen spielen sollten - schöne Grüsse nach Göttingen. Mit RANTANPLAN haben wir auch einige Sachen zusammen gemacht, aber in der Regel spielen wir immer wieder mit neuen Bands."

Sölti: "Horst und Isleif von Nasty Vinyl kenne ich schon eine Weile, da lag es nahe, zusammen Platten rauszubringen. Die Bomber kamen dann mit der ersten LP noch dazu und wir freuen uns, dass wir auch bei "...schlägt zurück!" Vinyl und CD am Start haben."

HAMMERHAI haben 1999 sehr viel live gespielt. Werdet ihr in diesem Jahr auch wieder so häufig auf deutschen Bühnen bzw. auch mal im benachbarten Ausland zu sehen sein?


Tim: "1999 waren wir knapp 50 mal auf der Bühne zu sehen. 2000 werden es aus verschiedenen Gründen vielleicht weniger Gigs sein. Im Herbst planen wir eine kleine Tour vom 26.10. bis 5.11. - Clubs können sich hierfür noch melden. Im Rahmen dieser Tour werden wir auch vielleicht mal nach Österreich, Benelux oder in die Schweiz fahren, aber näher geplant ist da noch nichts. Wir sind alle sehr gespannt auf die Reaktionen im Ausland."

Welche Leute besuchen typische HAMMERHAI-Konzerte? Zitat: "Ska ohne Bläser, Punk ohne Iro? Deutsche Texte ohne Nickelbrille?" Ich denke, es ist nicht unbedingt einfach, mal keine Klischees zu bedienen, oder schätzen gerade das die Besucher an euch?

Tim: "Klischees sind in der Ska- und Punkszene immer noch sehr beliebt und angesagt. Ab und zu verfallen wir natürlich in bestimmte musikalische Muster, da auch wir das Rad nicht mehr neu erfinden können. Doch die Mischung ist uns hier sehr wichtig. Mich persönlich nervt es tierisch, wenn ich zwei oder drei ähnlich klingende Ska- oder Punkbands hintereinander höre. Diese Einstellung spiegelt sich bei den Bands, mit denen wir spielen, und bei dem Publikum wieder, das bei uns wirklich so breit gefächert ist, wie ich das bei kaum einer anderen Liveband gesehen habe. Wir freuen uns auch besonders über das relativ junge Publikum, welches uns beehrt. Seit letztem Jahr häufen sich die Konzerte, bei denen wir alleine auf die Bühne gehen."

Gibt es eigentlich aufgrund eurer musikalischen Vielfalt Kontakte zur entsprechenden Szene oder stosst ihr bei Puristen eher auf Ablehnung?

Tim: "Was zur Hölle ist "die Szene"? Die Szene, in der wir uns beweg,en ist undefiniert und das ist ihre grosse Stärke. Wir werden auf politische Konzerte eingeladen und haben da etwas mitzuteilen. Auf Hardcorekonzerten ist bei uns Platz zum Stagediven und auf Ska-Konzerten tanzen die Leute zu unseren ruhigen Nummern. Auf HAMMERHAI-Konzerten treffen sich die unterschiedlichsten Menschen und erkennen, dass zusammen Spass haben keine Szenegebundenheit erfordert. Es gibt natürlich auch eine Menge Leute, die genau diese Szene brauchen, um sie am Leben erhalten, und das ist auch gut so."

Was haltet ihr von der deutschen Ska/Punkszene, wenn ihr euch in eurem Info selbst den Ausnahmestatus zuweist, indem ihr euch als "rauheste aller Skapunkbands" bezeichnet?

Sölti: "Unsere musikalische Bandbreite und der Druck mit dem wir härtere Nummern spielen stehen schon für sich, mit dem textlichen Anspruch zusammen ist das schon ein ganz eigenes Ding. Den Ausdruck "rauheste aller Skapunkbands" hat jemand über uns geschrieben, das hat uns sehr gefallen. Es gibt in allen Szenen mehr schlechte als gute Bands, aber trotzdem gibt´s immer noch so viele gute Bands, dass die Liste zu lang werden würde. Ausnahmestatus für HAMMERHAI... - finde ich in Ordnung, weil wir einen sehr eigenen Weg gehen. So haben wir beispielsweise ein finanziell attraktiveres Angebot für die neue Platte ausgeschlagen, weil uns die künstlerische Selbstbestimmung sehr wichtig ist."

Tim: "Na super! Geld in den Wind schiessen und sich darüber freuen, sich stundenlang um jedes Wort im Booklet streiten zu dürfen!"

Danke für das Interview!