HARMFUL

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„An das Konzert wirst du dich erinnern, an den Arbeitstag nicht.“

Mai 2005, Klangstation Bonn. HARMFUL finden sich unweit ihrer Geburtsstation Troisdorf zum Rocken ein. Bassist Chris nimmt sich vorher etwas Zeit für ein Gespräch („Halbe Stunde? Mann, ich muss noch das Merch aufbauen ...“)

Chris, eure neue Platte strahlt ja richtig. Waren dreizehn Jahre Verweigerung genug?

„Haha! Nee, nee. Das melodiöse Element, das jetzt so viele Leute anspricht, haben wir schon seit vielen Alben drin gehabt. Bloß sind wir auf dem letzten Album ‚Sanguine‘ wieder ein Stück zurückgegangen, wieder härter geworden ...“

... aber die Platte ist ja auch bei der Kritik ziemlich durchgefallen.

„Wenn man es im Kontext aller Alben sieht, war es nicht das Album, was es hätte sein können. ‚Sis Masis‘ wäre nach der ‚Wromantic‘ eher logisch gewesen. Aber da kamen auch andere Umstände dazu, Labelwechsel, etc.“

Wobei ihr den Noise-Stempel ja nicht loswerdet. Bei jedem Album ist es den Leuten aufs Neue aufgefallen: „Huch, die haben ja Melodien!“. So, als wäre es vorher immer Krach gewesen. Vielleicht hätten sie mal früher hören sollen?

„Ja, das Gefühl haben wir schon im Nachhinein. Okay, für die ersten beiden Scheiben mag das stimmen. Da war der Gesang auch noch nicht so wichtig. Aber seit der ‚Counterbalance‘ haben wir schon immer mit Melodien gespielt. Ich meine, was ist denn UNSANE, wenn wir schon Noise sind? Und manchmal denkst du dann schon: Leute, habt ihr das jetzt verpasst, oder was? Bei der neuen Platte war aber auch die Produktion sehr wichtig und hat viel Einfluss genommen.“

Die hat ja Kurt Ebelhäuser gemacht. Da gab es so Statements, dass es bei den Aufnahmen von Kurts Seite hieß: „Alles, was nicht typisch HARMFUL ist, muss raus!“ Das lässt sich ja auch so deuten, dass da der Herr Underground-Star-Produzent kommt und mal sagt, wo es lang geht.

„Kurt ist immer mit Herz und Seele dabei, er ist ja auch Komponist. Das ist schon so, dass er sein Songwriting anwendet und da weiterhilft. Aber wenn man es jetzt hört, sind da schon sehr viele Elemente drin, die HARMFUL sind, wo wir beim Aufnehmen dachten, das passt ja nicht so richtig, aber im Nachhinein dann schon. Und jetzt klingt es schon irgendwie neu. Viele Songs hat Kurt gar nicht angerührt. Das war dann schon ein Kampf, wenn wir meinten, es muss drauf.“

Wie viele Outtakes habt ihr denn übrig?

„So dreißig bis vierzig. Aber etliche sind auch nur Fragmente, ohne Gesang. Wir denken, dass ein Song recht schnell passieren kann. Genauso hörst du ihn ja auch. Als Band hörst du ihn fünfzigmal, aber als Hörer hörst du ihn nur dann fünfzigmal, wenn er geil ist.“

Magie?

„Ja, Aren kommt manchmal mit was rein, und Nico und ich spielen dann diesen Rhythmus dazu, oder diesen. Und dann gibt es die Momente, wo es beim ersten oder zweiten Anlauf knallt, wo wir dann fast ausflippen vor Euphorie. Es muss schon schnell gehen, das sind meistens die besten Sachen.“

Ist das auch das, was ihr auf die Bühne bringen wollt?

„Ich will schon mehr geben, als nur die reine Musik. Aber das kommt einfach. Die besten Gigs sind die, wo du nachher denkst, Mann, bei dem und dem Song, was ist denn da gewesen, hab ich ja gar nichts mehr mitgekriegt ... Das ist ein tolles Gefühl, ein magischer Moment.“

Eure Tourpläne sehen immer krass aus. Aber in der letzten Zeit auch wieder so, als müsstet ihr zwischendurch arbeiten. Ihr habt schon normale Jobs, oder?

„Ja klar, ich mache zum Beispiel mit Computern rum. Aber die Musik hat immer Priorität gehabt. Wir haben noch nie was absagen müssen, weil wir hätten arbeiten müssen. Ich meine, wenn du mit SLAYER oder PRONG spielen kannst, kannst du nicht sagen: ‚Geht jetzt nicht, ich muss arbeiten.‘ Denn so eine Gelegenheit kriegst du vielleicht nie wieder. Und an das Konzert wirst du dich erinnern, an den Arbeitstag nicht mehr. Manchmal ist das schwer, wir kommen ja aus guten Verhältnissen und waren nie Punks, wollten nie die totalen Außenseiter sein. Aber wir haben immer die Liebe zur Musik gehabt, und die wollten wir teilen. Wichtig ist halt, dass man sich nicht von irgendwas abhängig macht. Wir wollten immer nur unser Ding machen. Und nie so klingen, als ob wir plötzlich davon leben müssten.“

Dann war es auch nicht so das Problem, nach all der Zeit was Neues zu probieren?

„Genau. Das kann uns wirklich niemand vorwerfen. Wir haben es durchgezogen. Uns war wichtig, dass wir ausloten, was die Band noch kann, mehr als vorher. Wir wollten sehen, ob wir noch eine Zukunft haben.“

Das zeigt sich ja auch im Artwork. Das Cover ist nun wirklich nicht mein Fall, aber es passt zur Musik.

„Ich mag eigentlich auch keine Gesichter auf Covern, ganz generell. Aber manchmal steckst du in einer Sache fest, wo du alleine nicht mehr weiterweißt. Dann brauchst du vielleicht nur einen Freund, der sagt, probier doch mal das und das. So war das bei dem Album, und da musste auch was Neues für das Cover her. Wir mögen die sterilen Sachen von vorher immer noch. Aber zu der Platte hätte das nicht gepasst. Das Bergpanorama, das auf der Innenseite ist, mag ich sehr. Das hätte ich gern als Bühnenhintergrund, haha.“

Du hast mal gesagt, ein Held ist für dich jemand, der Dinge aus Überzeugung tut. Das klang ein bisschen wie: „Ich kann ja schlecht sagen, ich bin mein eigener Held ...“

„Haha. Na ja, natürlich bin ich schon ein bisschen stolz auf uns. Wir sind fast 13 Jahre zusammen, immer in derselben Besetzung, haben sechs Alben gemacht. So lange halten manchmal keine Freundschaften, auch ohne Band. Ich bewundere Leute, die sagen: ‚Ich lebe mein Ding, scheiß auf Geld oder ob ich in einer verranzten Bude wohnen muss oder ab und zu der Kühlschrank mufft.‘ Die Musik stand immer ganz oben. Und das ist auch gut, so wollte ich das immer machen.“