NOMEANSNO

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Leiser? No way!

Die Jahre ziehen bekanntlich auch an Punkrock-Legenden nicht spurlos vorbei, und mittlerweile sollte es wohl wirklich niemanden mehr vom Hocker hauen, wenn die eine oder andere Musikkapelle bereits ein Vierteljahrhundert auf dem Buckel hat. Neben DOA, ALICE DONUT und THE EX, denen man kürzlich ebenfalls zum silbernen Bühnenjubiläum gratulieren durfte, gaben sich auch NOMEANSNO dieses Jahr am 11.05. in Vancouver B.C., Kanada die Ehre, ihre musikalische Präsenz mit einem besonderen Konzert zu zelebrieren. Leider verschlug es die eishockeysüchtigen Kanadier im Juni diesen Jahres für nur zwei Konzerte in den südlichen Teil Deutschlands – was natürlich nicht heißt, dass man seine Freunde und Lieblingsband nicht auch in Frankfurt wieder sehen kann, um einige Worte mit ihnen zu wechseln. Eine neue Platte war schon letztes Jahr im Gespräch, und auch bei den HANSON BROTHERS tönte wieder lautstark der Tumult aus der Umkleidekabine – es war also mal wieder höchste Zeit mit den Herren ein lauschiges Schwätzchen zu halten.

Auf ihrer letzten Europatour im vergangenen Jahr präsentierten sie ihren Fans passend zu ihrem Jubiläum die Compilation „The People’s Choice“, welche annähernd die Verkörperung der perfekten Setlist für jedes NOMEANSNO-Konzert darstellt. Schön war dabei, dass die Band über zwei Jahre lang ihre treuen Anhänger hat entscheiden lassen, welche Songs zu dieser Zusammenstellung von NMN-Klassikern gehören sollen. Durch REMOVAL aus Kanada hatte ich bereits mehrere nette Treffen mit den Herren Wright und Holliston, und auch diesmal war es ein großes Hallo.

Wie gewohnt lieferten die Herren eine grandiose Show ab und rockten locker schwitzend zwei Stunden mit den rund 600 Zuhörern, die in die leicht aufgeheizte Halle des Café ExZess gekommen waren. Letztes Jahr hatte ich schon einmal die Gelegenheit, Rob Wright nach ihrem Konzert mit RIFU im Vorprogramm im Bahnhof Langendreer zu Bochum eine Stunde lang auszuquetschen. Daher hatte ich mich eigentlich diesmal interviewtechnisch auf seinen Bruder John eingeschossen. Jener vertröstete mich allerdings vor dem Konzert vehement auf einen späteren Zeitpunkt, an dem ich ihn natürlich dann erwartungsgemäß auch nicht mehr bewegen konnte, mir Frage und Antwort zu stehen.

Das erste NOMEANSNO-Konzert, an selbem Ort letztes Jahr zusammen mit REMOVAL als Support, war mir dabei noch allzu lebhaft im Gedächtnis. Schon da hatten beide Bands nach dem Konzert dem ein oder anderen Bier und Whisky zugesprochen und die ganze Nacht in der Au verbracht, am schönsten Kicker, den die Welt je gesehen hat. Und wie erwartet wurde diese Nacht am selben Ort mit John, Tonmeister Blair, Kört, einer Flasche Bourbon und Irish Whisky doch noch ein wenig länger.

Morgens fand ich mich am reich gedeckten Frühstückstisch wieder, um mir mit Mühe und Not zwei Kopfschmerztabletten einzuflößen. John war unüberhörbar noch im Reich der Schlagzeugerträume und entzog sich damit erneut meinen morgendlich unvorstellbar enthusiastischen Interview-Ambitionen. Mein Schädel nahm nach und nach wieder normale Ausmaße an, und ich begann mit Rob über seine neue Affinität, das Golfen, zu frotzeln. Da ich als Teenager mein Taschengeld auf einem Golfplatz verdient hatte, war es ein leichtes, ein wenig mit meinem Halbwissen zu glänzen. In Europa habe dieser Sport zwar eher ein negatives Image, gerade bei den alternativen, weltoffenen Punkern, aber das sei in Kanada nun mal ganz anders. Dort braucht man nun mal nicht tausende von Dollar zahlen, um auf einen Golfplatz zu spielen, da geht jeder Dritte mal ab und zu über den Platz. Die Golftasche mit dem passenden Schlägerset dürfe ab sofort auf keiner Tour fehlen, das lasse ihn leichter relaxen. Mittlerweile habe er die halbe Crew mit diesem Sport angesteckt, und sie würden sich jetzt schon recht fix in den Rastpausen die Bälle zuspielen.

Zu meinem Erstaunen wurde erst ziemlich spät bekannt, dass dieses Konzert in Frankfurt während der Europatour stattfinden sollte. Es waren wohl im Vorfeld einige Festivals in Kroatien, Slowenien und Italien geplant, und da eine Show wegbrach, hatte Smoeff aka Gjis (jahrelanger Booker und Freund der Herren) vor zwei Wochen den Gig in Frankfurt bestätigt. Er kümmerte sich auch um den CD- und T-Shirt-Verkauf auf dieser Tour. Da ich die Café-ExZess-Crew geschlossen auf dem Jello Biafra-Konzert in Köln angetroffen hatte, war ich schon einigermaßen über jenen NMN-Aufruhr im Bilde. Mein Ausflug zu Jellos Show mit den Melvins rief doch reges Interesse bei Rob hervor, übernachteten NMN doch noch kürzlich bei ihrem ehemaligen Labelboss in seinem Domizil in San Francisco. Ich versicherte, dass der alte Herr immer noch verstehe, ordentlich zu rocken, was bei meinem Gesprächspartner ein helles Lachen hervorrief. Wie Jello wohl eigens seinen Musikerkollegen verraten hatte, wolle er angeblich höchstens drei Shows die Woche in Europa spielen. Dies kommentierte Rob lakonisch breit grinsend mit „Oh, he is such a baby.“

Dabei sind John, Tom und Rob immer wieder froh, in den Van zu steigen und durch Europa zu tingeln, denn nirgendwo erreichen sie mehr Menschen mit ihrer Musik, speziell hier in Deutschland oder in Europa. „Man könne schon behaupten, dass Deutschland den Brotkorb des Band-Daseins darstellt“, meint Wright mit einem verschmitzten Lächeln und schiebt hinterher, deswegen würden sie auch den Leuten hier so oft auf die Nerven gehen. Die Menschen hier sind sehr offen, auch gerade für ihre besondere Art von Musik. Auch in Kanada sind ihre Shows recht gut besucht, da die Band allerdings gerade den Staus hier auf den deutschen Autobahnen so viel abgewinnen kann, freuen sich immer alle sehr auf die Zeit hier im alten Europa.

Zugegebenermaßen war die Musikszene von Anfang an NOMEANSNO recht wohl gesonnen, erzählt mir Rob, während er schon wieder in Richtung Golftasche schielt: „Im Vergleich zu anderen Bands, die ohne jeden Zweifel fabelhafte Musik machen, aber nie wirklich die Möglichkeit bekommen, vor den richtigen Leuten zu spielen, um bekannt zu werden, hatten wir es relativ leicht. Es läuft eben nichts in diesem Geschäft, ohne die richtigen Leute zu kennen.“ Sicherlich war da eine Menge Glück im Spiel, als sie Ende der siebziger Jahre des letzten Jahrtausends diese Frau aus Vancouver kennen lernten, die T-Shirts für Alternative Tentacles verkaufte und die Musik der Gebrüder Wright ziemlich gut fand. Damals arbeiteten gerade mal eine Hand voll Leute für AT. Sie erzählte dem guten Jello wohl immer und immer wieder von den Jungs aus Kanada, und als sie dann auf ihrer ersten US-Tour in San Francisco spielten, war auch Jello himself vor Ort mit 20 anderen Gästen. Das war sozusagen der Stein, der alles ins Rollen brachte. Alle bisherigen Shows auf dieser Tour waren nicht so berauschend – bis zu diesem einen Gig, der alles für die Band veränderte, fast vergleichbar mit einem Domino-Effekt.

Ohne Zweifel habe Jello nie einen Hehl aus seiner starken Persönlichkeit gemacht, aber es war immer eine Bereicherung, mit ihm zu arbeiten, und ein Vergnügen, sich immer wieder gegen ihn durchzusetzen. Er habe ihnen vieles ermöglicht und vieles beschleunigt. Lustigerweise wären NMN niemals ohne die holländische Regierung so schnell nach Europa gekommen, denn diese buchte sie für ein Festival, garantierte der noch unbekannten Band eine hohe Gage und ermöglichte somit, dass die Band die Flugtickets nach Europa überhaupt bezahlen konnte. Aber ebenso profitierten sie von Anfang an von ATs Kooperation mit Konkurrel, einem holländisches Label, das sie vollends in Europa unterstützte, und ihnen die besten Booker für diese Art von Musik zur Verfügung stellte.

Dass NOMEANSNO schon seit einer Weile an einer neuen CD herumwerkeln, hatte ich ja schon letztes Jahr von dem sympathischen Bassisten erfahren, der schon seit einiger Zeit bekennender Buddhist ist und ehrenamtlich einmal in der Woche in einem Tempel kocht. Diesmal kristallisierte sich allerdings heraus, dass sich ausschließlich Tom und John ans Musikschreiben begeben und Rob schlussendlich elf Songs vorgelegt hatten, die er nun nach und nach textlich verfeinern wolle. Rob schreibe zwar hauptsächlich die Texte zu den Songs, aber sonst kam erst der Text und dann die Musik. Er habe dabei schon einige Sachen im Kopf, aber sein Bruder sei in dieser Sache etwas ehrgeiziger als er selbst. John würde das Album am liebsten ohne Umschweife sofort rausbringen. Auch dass es die längste Zeitspanne ohne Platte sei, mache ihn selbst nicht besonders nervös, nach so vielen Platten wolle er exakt das machen, was er sich unter einen NMN-Album vorstellt. In allem wird das Album kompakter und es sollen mehr kürzere Songs zum Tragen kommen. Eigentlich könnte es eher ein neues HANSON BROTHERS-Album sein, nicht so düster wie so manche NMN-Platte.

Mich interessierte doch brennend, ob der Song „Mr. In-Between“, den sie bis jetzt ausschließlich live zum Besten geben, endlich auch mal die Chance bekommen würde, auf die CD zu kommen. In diesem Punkt könne er mich getrost beruhigen, denn geplant wäre es auf jeden Fall. Ursprünglich war es auch eher ein HANSON BROTHERS-Song, für den sie keinen passenden Text gefunden hatten. Für die Hansons haben sie dann doch dezidierte Pläne, obwohl es letztes Jahr noch hieß, die Hansons würden erstmal eine längere Auszeit nehmen. So soll es doch zu gegebener Zeit ein Weihnachtsalbum der Hockey-Roadies geben. Na prima, da hat das christliche Gejaule ein Ende und ich bin mir sicher, wir können auf die ein oder andere herzerwärmende Prügelhymne unterm Weihnachtsbaum hoffen.

Zu meinem Bedauern war Craig Bougie, ihr trinkfester Soundguy, nach über 18 Jahren diesmal nicht mit dabei. Blair Calibaba, REMOVALs Soundmeister, vertrat ihn vortrefflich, aber ungewöhnlich war es natürlich. „Craig versucht mal nach einiger Zeit, sein Leben in geregelte Bahnen zu lenken“, verriet mir Rob mit einem zwinkernden Auge – was nach fast 20 Jahren auf Tour natürlich eine nette und heilsame Erfahrung sein kann. Das war nun die zweite Tour ohne Craig, die erste durch die USA im Mai und April diesen Jahres war schon eine einmalige Erlebnis für alle. Nach dem 11. September waren sie nicht mehr dort gewesen, teils wegen der unzumutbaren Zuständen an den Grenzen für Bands mit Equipment und Merchandise, teils wegen der Verhaltensweisen der US-Regierung, die es durch idiotische Einreisebestimmungen fast unmöglich macht, Konzerte mit den Veranstaltern zu planen.
Insgesamt war es trotzdem eine fantastische Tour, bei der sie viele neue und überraschend junge Gesichter, aber ebenso die alten, vertrauten Leute gesehen haben, erwartet hätten sie nach den vier Jahren doch eher ein spärliches und zurückhaltendes Publikum. Jetzt zu Beginn der Europatour seien alle besonders optimistisch und motiviert, versichert er mir wieder mit diesem breiten Grinsen, wohl auch, weil der Tour noch eine Woche Urlaub mit Familien und Freunden folgen sollte. Unser Gespräch endete so abrupt wie es angefangen hatte, da Gitarrist Tom nicht ohne seine Lieblingshose (die er die Nacht zuvor im Café vergessen hatte) weiterfahren wollte und quengelnd vor dem Van patrouillierte. So hieß es für alle schleunigst an Bord.