ROBOCOP KRAUS

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Was glauben Sie denn?

Die fünf Nürnberger, die sich, aus dem Schoß der Hardcore-Szene kommend, im Laufe der Jahre dem Pop zugewandt haben, setzten diesen Sommer mit „They Think They Are The Robocop Kraus“ (LADO/Epitaph) zweifelsfrei einen Meilenstein deutschen Indie-Pops. Es gibt weniger Gitarren zu hören als auf dem Vorgänger „Living With Other People“, dafür mehr Synthieklänge, Pop und vor allem viele Funk- und Discobeats. Nach Festivalauftritten in Frankreich und Spanien und vor einer ausgedehnten Clubtour durch Deutschland gaben THE ROBOCOP KRAUS ein „Heimspiel“ auf dem Nürnberger Brückenfestival. In einer kurzen Umbaupause, TOKYO SEX DESTRUCTION machten gerade Line-Check und hinterließen deutliche Nebengeräusche auf meinem Aufnahmegerät, unterhielt ich mich mit ROBOCOP-Sänger Thomas Lang über seinen Heimatbezug, Live-Erlebnisse und natürlich über das neue Album.

Ihr kommt aus Nürnberg, habt hier die Release-Party zu eurer neuen Platte gegeben, spielt aber auch auf großen Festivals und seid in ganz Europa und darüber hinaus unterwegs. Heute Abend tretet ihr auf einem von Freunden organisierten Festival auf. Wie fühlt es sich an, „zu Hause“ zu spielen?


„Ich bin in Nürnberg immer besonders aufgeregt. So ein Heimspiel ist etwas wirklich Schönes, aber auch Anstrengendes. Heute stehen zum Beispiel meine Eltern im Publikum, und auch die 74-jährige Cousine meines Vaters, die einzige Musikbegeisterte in meiner Familie. Vor den Eltern zu spielen und vor vielen Freunden, das macht das Ganze zu etwas Besonderem und Schönem, aber ich bin eben immer voll aufgeregt.“

LOISIRS, eine französische Postpunkband, haben mir THE ROBOCOP KRAUS als Referenzband genannt. Wie reagieren denn Bands und auch das Publikum außerhalb Deutschlands auf euch?

„Also weil du LOISIRS ansprichst: Frankreich ist total super. Greg, der das Label der LOISIRS macht, organisiert auch unsere Shows in Frankreich, daher besteht also eine Verbindung. In Frankreich läuft einiges auf einer tollen Punkrock-D.I.Y.-Basis, da kommen auch richtig viele Leute auf die Konzerte. Gerade waren wir auch in Spanien, wo wir vorherige Woche auf Benicàssim, einem großen Indie- und Elektronik-Festival, gespielt und unseren krassesten Auftritt aller Zeiten erlebt haben. Wir hatten das Glück, nachts um eins zu spielen, und es waren vier- oder fünftausend Leute da, die total am Ausflippen waren. Ich habe so etwas noch nie erlebt mit unserer Band. Uns kannte, glaube ich, keiner, aber es war die richtige Zeit und alle wollten feiern. Es ist unglaublich dankbar, vor Spaniern zu spielen, die Party wollen, wenn man ihnen die richtige Musik für den Augenblick geben kann.“

Woher habt ihr Einflüsse oder nehmt eure Inspiration? Sind es die 80er Jahre und die TALKING HEADS oder ist es doch eher die Punk- und Hardcore-Szene?

„Man kann das alles gar nicht auf einen Nenner bringen. Wer uns schon länger kennt, weiß auch, dass wir stark im Hardcore und Punkrock unterwegs waren, und die Musik auch gehört haben, das hat uns bestimmt beeinflusst. Aber mittlerweile höre ich sehr viele verschiedene Sachen, die TALKING HEADS finde ich ganz toll. Aber es gibt auch ganz anderes Zeug: Wer mich gerade wahnsinnig beeindruckt, ist Daniel Johnston, ein Typ ganz allein mit seinem Klavier. Der ist irgendwann auf einem LSD-Trip hängen geblieben und hat daraufhin eine Frau aus einem Fenster geworfen, weil er glaubte, sie sei Satan. Er ist in seinem Leben, glaube ich, überhaupt nicht selbstständig, schreibt aber ganz anrührende Musik. Entweder über Satan oder über eine Frau, in die er mit 15 Jahren verliebt war. Man ist meiner Meinung nach nie so nah an dem Denken und Schaffen eines Musikers dran, wie wenn man die Platten von Daniel Johnston hört. Ist ein großer Tipp von mir ... Aber um auf deine eigentliche Frage zurückzukommen, wir sind fünf verschiedene Leute und hören auch ganz unterschiedliche Musik. Du kommst aus einer recht klar begrenzten Punkrock-Szene heraus, die toll und geil ist, aber irgendwann entdeckst du noch andere Musik, die genauso super ist. Ich finde diese Vielfalt spannend.“

Ihr seid mit eurem neuen Album „They Think They Are The Robocop Kraus“ einen weiteren Schritt in Richtung Pop und klarere Strukturen gegangen. Ein bewusster Schritt oder logische Konsequenz?

„Ich hatte heute schon ein Interview, in dem ich genau diese Frage gestellt bekam. Jetzt behaupte ich einfach das Gegenteil dessen, was ich eben gesagt habe: Es war ein bewusster Schritt, haha. Nein, es ist immer sehr schwer zu sagen. Man kann das nicht trennen, was einfach passiert, wie man Musik spielt, empfindet und selbst hört, von dem, was man bewusst an seiner eigenen Musik ändert. Uns war aber auf jeden Fall bewusst, dass wir bei dieser Platte reduzieren. Es war uns ganz wichtig, auf den Punkt zu kommen und überflüssige Sachen auch raus zu schmeißen. Die Grundidee des Songs ist wichtig. Das sind dann natürlich klarere Strukturen, das ist dann eben vielleicht mehr ‚Pop‘. Aber das ist für mich auch kein Schimpfwort mehr. Vor fünf Jahren hätte ich Pop anders bewertet als jetzt. Es kommt wohl darauf an, was man unter Pop versteht.“

Ihr habt die neue Platte mit Produzent Pelle Gunnerfeldt (HIVES, INTERNATIONAL NOISE CONSPIRACY) in Stockholm aufgenommen. Wie war das?

„Es war gar nicht anders, als bei den Platten zuvor. Wir hatten wie die meisten Musiker Paranoia davor, dass einer auf dich zukommt und alles ändern will. So war es aber überhaupt nicht. Wir sind mit fertigen Songs nach Stockholm gekommen, die fand er toll, und so haben wir sie schließlich auch aufgenommen.“

Meine letzte Frage richtet sich an den Albumtitel: Glaubt ihr denn, ihr seid THE ROBOCOP KRAUS?

„Haha ... Der Albumtitel richtet sich an euch, nicht an uns. Er wirft eine Frage auf, und steht gleichzeitig im Zusammenhang mit der vorangegangen EP ‚Who Do They Think They Are?‘, da er andere anspricht.“