HIGHSCORE

Wer sich nicht nur mit den bekannten Bands aus den Staaten beschäftigt, sondern auch ein Ohr für die heimische HC-Szene hat, stößt fast unweigerlich irgendwann auch auf HIGHSCORE. Mit ihrem oft an MINOR THREAT erinnernden Stil begeistern HIGHSCORE (Volker Schlüter, Schlagzeug, Matthias Volke und Jobst Eggert an den Gitarren, Matthias Borgmann, Bass und Sebastian Stronzik, Mikro) auch Leute weit über das typische "Old School-HC-Publikum" hinaus. Ich unterhielt mich mit Seb, Jobst und Matthias B.

Euch gibt es jetzt seit 1997, ihr habt von eurem Demotape über 1500 Stück verkauft und eure 1999 auf La Familia" erschienene Single hat sich genauso gut verkauft und wurde durchweg begeistert aufgenommen. Wie ist das,wenn man sofort sowohl beim Publikum als auch bei den "Kritikern" einschlägt, während andere Bands jahrelang spielen müssen um dann vielleicht irgendwann Anerkennung zu erhalten?


Seb:
Tja, ging schon irgendwie alles recht flott mit der Band. Aber ich kann auch nicht sagen, was wir anders als andere gemacht haben. Persönlich habe ich vorher noch nie in einer Band gespielt, auch wenn es doch einige Versuche gab etwas auf die Beine zu stellen. Mit HIGHSCORE haben wir ja auch keine einzige Show gespielt, bevor das Demotape fertig war. Das blöde Teil war dann auch schon 400x verkauft bevor uns jemand spielen sah. Ich weiß nicht wie das alles kam. Irgendwie passte alles: die richtige Einstellung und der richtige Sound zur richtigen Zeit?
Jobst: Ganz "objektiv" gesehen sind weder unsere Musik noch unsere Texte wirklich etwas Besonderes. Aber vielleicht kommt bei uns so etwas rüber wie "Ehrlichkeit". Wir sind eine Band, in der es überhaupt nicht um "Image" geht. Wir geben nicht vor besonders cool, schlau oder sexy zu sein, sondern sind halt eben die fünf ganz normalen Typen, die wir sind - mit all unseren Fehlern, Stärken, Schwächen, Ängsten und Ansprüchen. Wenn uns jemand cool, schlau oder sexy findet, gut - dann sind wir es eben. Aber darum geht es primär nicht. Bei Musik im Jahr 2000 geht häufig darum, und leider ist das im Hardcore/Punk extrem der Fall, sich darzustellen; ein bestimmtes Image darzustellen, dass in irgendeiner Art und in irgendeiner Szene cool ist. Bei HIGHSCORE geht es nicht um all das. Wir wollen nicht primär uns darstellen, sondern viel eher versuchen, etwas von unseren Ideen und Gedanken darzustellen. Ich hoffe, dass der Unterschied irgendwie klar ist. Natürlich machen wir auch Musik, die zum Sing-Along einlädt und versuchen bei Konzerten Spaß mit allen im Publikum zu haben. Vielleicht ist das ein weiterer Grund. Matthias und ich spielen ja nun schon seit Jahren in anderen Bands, die halt nie so "erfolgreich" waren/sind wie HIGHSCORE. Schon eigenartig irgendwie... Auf einer ganz anderen Ebene würde ich aber auch gern noch mal betonen, dass das mit unserer "Popularität" nicht so extrem ist, wie sich das vielleicht Einige jetzt vorstellen. Es ist nach wie vor so, dass wir wissen, wie es ist vor 20 Leuten zu spielen, die sich im Prinzip nicht für uns interessieren. Das ist auch nicht selten und ich bin schon auch irgendwie froh darüber, weil wir dadurch genau wissen, dass wir diese ganze Sache zuallererst für uns selbst machen bzw. weil wir Bock da drauf haben. Und das ist ganz unabhängig davon, ob jetzt 2000 Leute unsere Platte kaufen oder nur 16.

Ihr wohnt in Münster, Göttingen und Berlin, spielt aber fast jedes Wochenende irgendwo in Deutschland, wobei einige Bandmitglieder auch noch in anderen Bands aktiv sind, die ebenfalls häufig auftreten. Wie bekommt ihr das alles unter einen Hut?

Matthias: Konkret sieht unsere Band-Praxis wohl schon anders aus als bei anderen Bands. Das heisst, wir proben so gut wie nie, es gibt kein kontinuierliches Arbeiten an musikalischen Ideen und wir reden infolge dessen aber auch nicht den ganzen Tag über Musik oder unsere Bandkarriere. Ich finde es schon unbefriedigend, dass wir so lange brauchen, um z.B. ein neues Release rauszubringen, es gehen viele Idee verloren oder lassen sich nicht in der Form verwirklichen. Andererseits haben wir dadurch vielleicht aber ein ganz anderes Selbstverständnis, vieles läuft so punkiger und spontaner ab, mit einer ganz anderen Form von Leidenschaft, wenn du verstehst, was ich meine. Wenn du 500 km fährst um mit deiner Band zu proben, denkt du sehr genau darüber nach, was dir die ganze Sache bedeutet.

Während andere SxE Old School-Bands vorwiegend über SxE philosophieren und ihre eigene Drogenfreiheit abfeiern, beschäftigt ihr euch in euren Texten vornehmlich mit politischen Dingen und gesellschaftlichen Phänomenen und Entwicklungen. Wie wichtig ist das für euch?

Jobst: Lässt sich wohl auch nicht einheitlich beantworten. SxE ist für fast alle von uns schon ein sehr wichtiges Thema. Veganismus beispielsweise ist uns allen wichtig. Trotzdem singen wir nicht wirklich darüber. Warum? Vielleicht weil einige Dinge, die uns wichtig sind, auf einer persönlicheren, alltäglicheren Ebene stattfinden. Zumindest ist das bei mit beim Thema Straight Edge und Veganismus der Fall. Im Prinzip fände ich es schon cool, wenn die ganze Welt sxe und vegan wäre, aber das sind beides Sachen, die ich niemanden vorschreiben will. Ganz grob gegen Nazis zu sein, ist im Gegensatz dazu schon etwas, was für mich innerhalb der Punk/HC-Szene selbstverständlich sein sollte und das ich auch verlange.
Seb: Ich würde gerne über SxE-Dinge singen, ist halt ultra simpel, leider ist HIGHSCORE gar keine reine SxE-Band. Nein, also SxE ist eine wirklich sehr persönliche Sache und beschäftigt uns, abgesehen von dem Coolheitsfaktor, nicht besonders. Mensch kann als Edger halt cool rumposen, das ist aber auch schon alles. Ich selbst würde mich bestimmt nicht als politischen Menschen bezeichnen. Ich bin in keinster weise in irgendeiner politischen Gruppe aktiv. Für mich ist einfach nur wichtig, dass alle ihre Freiheiten ausleben können, ohne die Freiheiten anderer dadurch einzuschränken. Ist ein simples Prinzip, und ich versuche mein Leben danach zu leben. Dabei bin ich aber manchmal recht intolerant, wenn andere Menschen das völlig anders sehen und ihr Dasein auf Kosten anderer fristen. Darüber mache ich dann auch manchmal Texte. Es sind oft auch persönliche Erfahrungen, die verarbeitet werden.
Matthias: In der Tat sind wir als Band weder ein theoretischer Diskussionszirkel noch eine politische Aktionseinheit. Trotzdem finde ich es wichtig, ohne Sebs ehrlich vorgetragene Position verteidigen zu wollen, den Begriff "Politik" weiter zu fassen. Hardcore sollte eine Gegenkultur sein, ein Sprachrohr für Ideen und eine Plattform für Kommunikation. In diesem Sinne finde ich es auch wichtig den Begriff des "Politischen" für sich zu beanspruchen und nicht nur dem politischen Gegner zu überlassen. Das "simple Prinzip", von dem Seb spricht, steht ja selbst seit Jahrhunderten im Zentrum politischer Kämpfe, und auch der heutige Kapitalismus ist weit davon entfernt, globale Verhältnisse zu schaffen, in denen die Menschen ihre "Freiheiten" ausleben können. Eher das Gegenteil ist der Fall. Darüber hinaus ist die Trennung zwischen "Politik" und dem "eigenen, persönlichen Leben" in einer so komplexen Gesellschaft wie der heutigen natürlich eine reine Konstruktion. Darüber sollten wir uns keine Illusionen machen...

Die Texte sind ja auch durchweg recht kämpferisch gehalten. Was haltet ihr denn von der zunehmenden Entpolitisierung der Gesellschaft und auch von Teilen der Punk und HC-Szene? Wie reagiert ihr z.B. auf HC-Kids, die mit Politik nichts zu tun haben wollen? Seht ihr euch als politische Band oder steht der reine Spaßgedanke eher im Vordergrund?


Jobst: Warum wird eigentlich immer so sehr zwischen "Spaß" und "Politik" getrennt? Natürlich sehe ich uns als Band mit politischem Anspruch, aber gleichzeitig und nicht weniger als eine Band, die Spaß haben will und auch Spaß verbreiten will. Der Blick auf die ganze Scheiße, die in gesellschaftlichen und zwischenmenschlichen Beziehungen abläuft, ist schon für mich persönlich wichtig und essentiell für Veränderung, sowohl auf persönlicher als auch auf politischer Ebene. Die Augen ständig für "wichtige" Sachen offen zu haben ist für mich auch ein wichtiger Aspekt von Straight Edge. Logischerweise denken wir nicht nur über politische Sachen nach und sind ständig die total ernsten und betroffenen Typen, aber wenn man als Band schon die Möglichkeit hat zumindest relativ oberflächlich auf bestimmte Sachen hinzuweisen, dann kann man diese Möglichkeit ja auch nutzen. Ob tatsächlich viel bei den Leuten hängen bleibt, kann ich schlecht sagen. Abgesehen davon kann in vereinfachten Ansagen auf Bühnen nicht wirklich viel rübergebracht werden. Vielleicht ist das schon eher der Fall bei anderen Sachen, die wir in Platten bzw. Interviews schreiben.
Um aber noch mal zum Thema Spaß zu kommen: für mich ist es schon extrem viel Spaß in HIGHSCORE zu spielen und mit den Jungs aufzutreten, und ich glaube auch, dass man uns auf der Bühne ansieht, dass wir verdammt viel Spaß daran haben, zusammen zu spielen. Vielleicht ist das ein weiterer Grund dafür, dass uns viele Leute - gerade auch solche, die sonst eher nicht so klassischen Old School-Hardcore hören - mögen. Viele Bands nehmen sich viel zu ernst und scheinen auch beim Rocken nicht so extrem Spaß zu haben... im Normalfall ist das bei uns schon anders, auch wenn nicht jedes Konzert supergeil ist.

Ich denke auch nicht, dass Politik und Spaß zwei Bereiche sind, die sich gegenseitig ausschließen. Viele Leute haben aber leider dieses Bild und sind nur an neuen Platten oder dem letzten Szene-Tratsch interessiert. Kommen denn z.B. Reaktionen darauf, dass ihr auf Konzerten Infos zur "Kein Mensch ist illegal"-Kampagne verteilt, oder generell zu euren Aussagen?

Matthias: Die Rückmeldungen, die wir bekommen sind in der Regel positiv, was etwa die Texte in der Platte betreffen oder eben solche Flyer wie zur "Kein Mensch ist illegal"-Kampagne. Jobst hatte auch mal zum Ieper-Festival einen inhaltlichen Flyer gemacht und es waren schon viele Leute, die uns darauf angesprochen oder uns geschrieben haben. So was ist natürlich nicht repräsentativ. Die Leute, denen es am Arsch vorbei geht, melden sich logischerweise nicht. Zum Thema "Spaß/Politik" kann ich nur sagen, dass daskein Widerspruch sein muss. Trotzdem ist uns so etwas wie ein kultureller Kontext wichtig. Aber ein linker, emanzipatorischer Kontext muss halt immer wieder neu geschaffen werden, gerade dann, wenn die Konzerte nicht in Zusammenhängen wie Autonome Jugendzentren etc. stattfinden. Das ist natürlich um so schwieriger, da sich die Hardcore/Punk-Szene hauptsächlich über Musik definiert.

Wie sieht es mit neuen Veröffentlichungen oder Tourneen aus? Irgendwelche sonstigen Pläne für die Zukunft?

Matthias: Wir haben gerade unsere neue 12" "New fuel" auf Bushido Records veröffentlicht. Dann haben wir schon vor einiger Zeit Songs für eine US Compilation aufgenommen, die aber frühesten in 2 Monaten am Start seien wird. Wenn alles glatt läuft, wollen wir dann alle unsere Aufnahmen zusammen als CD veröffentlichen, in Europa auf Bushido und für die Staaten will Max Hirax von SPAZZ bzw. WHAT HAPPENS NEXT? die CD auf seinem Label rausbringen, auf dem auch schon die Compilation erscheint. Daneben spielen wir natürlich immer Konzerte, auch wenn das aufgrund der räumlichen Distanz der Bandmitglieder nicht so einfach ist. Naja, und dann spielen wir mit dem Gedanken im Sommer mit LANDSCAPE zusammen in Japan zu touren. Aber das ist alles noch nicht ausgereift. An sich wollten wir schon lange eine eigene Homepage erstellen, aber irgendwie hatten wir bisher keine Zeit für solche Spielereien. Vielleicht kann man sich ja in Zukunft dort über HIGHSCORE informieren.

OK, vielen Dank für das Interview.