KILAUEAS

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Surfen auf dem Vulkan

Die deutsche Surfmusik-Szene ist relativ überschaubar, und zu den interessantesten Bands gehören die KILAUEAS. Sie haben just ein für eine Surfband überraschend vielseitiges Album vorgelegt, das nicht nur Surfmusik-Freaks, sondern auch Strandkorb-Hasser begeistern dürfte. Mit seiner Variantenbreite stellt das neue Album „Profesor Volcanova“ das manchmal recht eingefahrene Surf-Genre zwar nicht auf den Kopf, hängt die Messlatte für ein gelungenes Surfalbum aber doch ziemlich hoch. Solche anspruchsvollen und neuen Klänge fordern dazu auf, ein paar Fragen zu stellen, um einem überraschenden und ungewöhnlichen Album ein wenig nachzuspüren und den Energiequellen der Powersurfmusicplayer auf den Grund zu gehen. Ich sprach mit Ralf von den KILAUEAS.

Die KILAUEAS haben vor einer Woche die Release-Party für ihr neues Album gemacht. Warst du mit den Reaktionen des Publikums zufrieden?

Ja, sehr. Man spürt auf der Bühne relativ schnell, was von Seiten des Publikums rüberkommt. Wenn du nach den ersten Tönen schon mit solch euphorischem Applaus belohnt wirst, ist das einfach eine schöne Sache. Das Stuttgarter Publikum ist seit einigen Jahren tief verwurzelt in dieser ganzen Rock’n’Roll-, Surf- und 60s-Garage-Ecke.

Habt ihr vorher schon ein paar „Publikumtests“ gemacht mit den neuen Stücken?
Bei manchen Songs denkt man schon beim Schreiben: ‚Ja, das wird ein Live-Knaller, ein Abtanzsong.‘. Letztendlich zeigt sich dies aber wirklich erst vor Publikum. Mancher Song, von dem wir viel hielten, funktionierte nur auf Platte und live nicht so richtig. Das meiste Material taugt aber hervorragend zum Toben und Tanzen. Das ist eben auch so ein Grundgedanke von uns: Musik für das Publikum, zum Abtanzen und Feiern.

Gibt es ein paar Dinge, die man über das Album wissen sollte?
Es ist unser drittes Album. Und es ist auch endlich einmal überall richtig gut zu bekommen, denn das letzte Album ‚Mundaka Calls‘ erschien nur in den USA. Bei unserem neuen Label Allscore bekommen wir eine Unterstützung wie nie zuvor. Wir sind sehr glücklich, wie das alles läuft mit dem neuen Album. Es war ein schönes Stück Arbeit, aber wir denken, es hat sich wirklich gelohnt. Wir haben weltweit schon viele positive Rückmeldungen bekommen, auch von Leuten, die instrumentale Surfmusik vorher eher belächelt haben. Ich denke, dass es bisher unser spannendstes und abwechslungsreichstes Album ist.

Gibt es für dich etwas entscheidend Neues auf dem Album?
Entscheidend neu war für uns, dass wir ‚gesungen‘ haben. Okay, es waren nur Chöre und ein paar versteckte Sprechpassagen. Aber das ist auf jeden Fall eine sinnvolle und atmosphärisch schöne Sache. Klar machen wir Instrumentalmusik, aber live schreien wir ja auch öfters mal zu den Songs. Das lockert auf, und die minimalen Vocal-Teile kommen dann umso prägnanter rüber. Ich finde, man sollte nicht so verbohrt sein und sagen: Wir machen ‚Instros‘, hier wird nicht gesungen. Das wäre etwas schwachsinnig, meiner Meinung nach. Ansonsten haben wir auch erstmals ein paar Samples in den Songs. Alles sehr minimal gehalten, aber effektiv. Entschieden neu für uns ist auch der gute Sound. Voll und warm, wie wir es wollten. Speziell bei Surf finde ich es sehr schwer, einen guten Studiosound hinzubekommen. Wir sind jedenfalls mehr als zufrieden mit dem Ergebnis.

„Profesor Volcanova“ ist ja ein ungewöhnliches Surfalbum. Wie siehst du im Vergleich die beiden Vorgänge?
Unsere erste Scheibe kann man stellenweise ja eher im Surfpunk ansiedeln, eben auch vom Sound her. Unsere letzte Scheibe ‚Mundaka Calls‘ ist, finde ich, auch ein ‚klassisches‘ Surfalbum. ‚Mundaka Calls‘ war so eine Art Vorstufe zur ‚Profesor Volcanova‘, wobei ‚Profesor Volcanova‘ für mich kein typisches Surfalbum ist. Manchmal empfinde ich es wie einen Soundtrack. Ich möchte ja jetzt nicht eingebildet klingen, aber ich denke, dass wir schon abwechslungsreicher klingen als die meisten Surfbands.

Habt ihr eine besondere Inspiration beim Songwriting? Jammt ihr zusammen?
Inspiration... Dazu sagt dir wahrscheinlich fast jeder Musiker, dass das Leben die Inspiration ist. Musik und Melodien entstehen bei mir aus Stimmungen heraus. Meistens entsteht eine gute Melodie oder ein Song, wenn man es gar nicht plant. Da kann ich jetzt aber nur für mich sprechen. Lustig finde ich ja auch dieses Phänomen: Wenn ich andere Sachen nur zum Spaß nachspielen möchte, spiele ich am Anfang meist irgendwas ‚Falsches‘. Aber genau dieses ‚Falsche‘ kann dann schnell zum neuen eigenen Song werden. Zusammen jammen? So ‚sessionmäßig‘? Nein, das ist nicht unser Ding, aber bei manchen Bands mag das sicher funktionieren.

Woher kommen die „spanischen Elemente“ auf dem Album?
Oha. Spanische Elemente. Nun, generell kann man sagen, dass bei Surfmusik viele Elemente mit einfließen. Die spanischen Elemente in der Surfmusik stammen aus den ganz frühen Sechzigern. Als es noch keine Stromgitarren an den kalifornischen Surfspots gab, feierten die eingewanderten Mexikaner mit ihren Lagerfeuergitarren an den Surfstränden. Eventuell entstand da ja auch die Surfmusik, wie wir sie kennen? Ein altes Surfstück wie ‚Latinia‘ kommt ja genau aus dieser Ecke. Es gibt noch einige andere klasse Surfstücke von damals, die auch diesen spannenden ‚Spanish Flair‘ haben. Ich denke auch, dass das bei uns unbewusst mit einfließt.

Wie lief’s im Studio?
Es war sehr spaßig. Klar ist Studioarbeit auch Stress, aber ich habe sie dieses Mal als sehr positiv empfunden. Mit jeder Platte wachsen ja die Erfahrungen, eben auch die mit der Studioarbeit. Jede Aufnahme hat ihre eigene Magie, ihre eigene Stimmung. Man wird professioneller, und man merkt dann auch ziemlich schnell, was funktioniert und was nicht. Wir hatten bei der letzten Platte zu viele Leute am Mischpult und dadurch zu viele Meinungen, was die Sounds anging. Diesmal war das alles entspannter.

Wo habt ihr die Aufnahmen gemacht?
In Hamburg im ‚Alien Network Studio‘. Sehr nett dort. Ein legendäres Hamburger Studio, in dem glaube ich auch die GOLDENEN ZITRONEN Entscheidendes aufgenommen haben, und eben viele andere Hamburg-Bands. Produzent war Thomas Ritter von den SPLASHDOWNS, ein netter Mensch. Es war wirklich sehr witzig mit ihm. Wir kannten ihn vorher nicht persönlich, ich hatte nur schon einige Platten gehört, die er produziert hatte, und wollte ihn unbedingt mit dabei haben. Es war sehr entspannt mit ihm zu arbeiten, da er auch eine sympathische Ruhe ausstrahlt.

Wie sieht es mit eurem Studioequipment aus? Unterscheidet es sich von der Ausstattung bei Liveauftritten?
Wir benutzten unsere Amps und Gitarren und Drums, die wir auch live einsetzen. Im Lauf der Jahre hat man ja nun endlich mal den Sound gefunden, den man möchte. Bei uns Surfmusikanten ist das ja immer was ganz Spezielles mit dem Sound.

Wie schreibt ihr die Songs und wie wählt ihr eure Coverversionen aus?
Es gibt keine feste Regel, nach der wir das machen. Meistens kommen Volker, unser Gitarrist, oder ich mit einer Idee für eine Melodie an. Dann wird einfach mal drauflos gespielt und es entwickelt sich dann recht schnell die Struktur, in die der Song geht. Manchmal habe ich einfach auch nur ein paar Harmonien, aber keine Melodie dazu. Wir spielen dann einfach mal mit diesen Harmonien los und nach ein paar Sekunden entsteht dann eine logisch dazugehörende Grundmelodie, die verfeinert und ausgearbeitet wird. Ich erinnere mich an den Song ‚Black sands‘ von der letzten Platte. Ich habe die Harmonien gespielt, Volker spontan eine Melodie dazu. Das war’s. Natürlich super, wenn es so locker läuft. Manche Songs brauchen aber auch zwei oder mehr Jahre Reifezeit, bis sie mal fertig gestellt werden. Ich habe auch ständig Ideen zu Songs. Ich habe auf Tapes eigentlich immer so zehn angefangene Ideen, die man bearbeiten kann. Generell gibt es bei uns aber kein Patentrezept, wie das funktioniert. Wenn die Stimmung einer Songidee greifbar ist, entwickelt es sich meistens zu einem Selbstläufer. Zu den Coverversionen: Wir legen Wert darauf, dass wir nicht die surftypischen Songs zum dreißigsten Mal auf Platte hauen. Ich meine, braucht noch irgendjemand eine dreitausendste Version von ‚Misirlou‘‚Pipeline‘, ‚Penetration‘ und solchen Songs? Von Volker kam auch die Idee zu ‚Blue drag‘ von Django Reinhardt. Das ist ja alter Zigeunerjazz. Herrlich. Wir haben es dann wirklich sehr lange umgearbeitet und einen Surfsong draus gemacht. Das macht schon Spaß, wirklich beinahe einen eigenen Song daraus zu basteln. Ansonsten habe ich so ziemlich alles, was es an Surfmusik gibt, von den 60s bis heute. Man entdeckt immer wieder verborgene Perlen.

Hast du ein paar Lieblinge?
THE ATLANTICS aus Australien sind schon mehr als beeindruckend. Das war kein ‚Standard‘-Surf. Musikalisch top, für die damalige Zeit unglaublich schnell und stellenweise hart, dazu innovative Arrangements. Die ATLANTICS waren glaube ich auch die ersten, die diese Band-Echo-Geräte auf Platte gebannt haben. Die alten Originalplatten sind sehr teuer, aber es gibt auch CDs davon. JIM MESSINA & THE JESTERS waren auch eine verdammt gute, unglaublich spritzige und harte Combo. Und es gibt eben auch, wie schon gesagt, viele gute Surf-Compilations mit altem Knallermaterial drauf. Mein Geheimtipp: ‚Diggin’ Out‘ oder die ‚Surf Creature‘-Reihe. Sonstige alte Favoriten: THE LIVELY ONES, THE NEW DIMENSIONS, THE AVENGERS VI, RANDY HOLDEN (THE FENDER IV), THE CHANTAYS ...

Und deine persönliche Top Ten?
Puh, das ist immer so eine Sache. Geschmack verändert sich ja zum Glück auch immer wieder. Aber gut finde ich ‚Bombora‘ und ‚Surfin’ And Stompin’‘ von THE ATLANTICS oder ‚The Dragsters‘ von JIM MESSINA & THE JESTERS. Von den neueren Bands gefallen mir ‚Dumb Loud Hollow Twang‘ von den THE BAMBI MOLESTERS, das ganze Zeug von TREMOLO BEER GUT, ‚Nebula One‘ von THE NEBULAS, ‚Fathomless‘ von den FATHOMS, ‚Espionage Garage‘ von THE SABOTEURS, ‚Interstellar Stomp‘ von THE SPACE COSSACKS und ‚Ride The First Wave‘ von den BITCH BOYS. Hmm, kennt die Scheiben jetzt irgendjemand?

Und jetzt noch ein ganz schräges Highlight der Surfmusik, das man eigentlich nur Feinden vorspielen darf und das bei einem Konzert ein wirklicher Saalfeger wäre?
Haha. Da fällt mir wirklich ein Stück ein: ‚Lucifer in coelis‘ vom SLAVA KUNST ORCHESTRA. Das ist auf dem ‚Surfbeat Behind The Iron Curtain‘-Sampler drauf. Das ist wirklich mehr als grauenvoll und erbärmlich. Wenn irgendetwas auf diesem Planeten das Wort Stromverschwendung verdient hat, dann dieses Stück. Mit diesem Stück würde man sich keine Freunde machen und kann froh sein, wenn man ohne körperliche Schäden heil nach Hause kommt. Ich habe auch schon gemerkt, dass wenige Menschen unsere Freude an japanischer Beatmusik teilen. Vielen stößt der japanische Gesang etwas sauer auf. Ignoranten. Wir überlegen immer mal wieder, ein oder zwei japanische Beat-Stücke mit japanischem Gesang ins Programm aufzunehmen. Ich denke, das wird noch passieren. Kleiner Tipp für DJs, wenn sie schnell nach Hause wollen: Besorgt euch die ‚Hot Nips‘-Compilations. Wir KILAUEAS lieben diese Scheiben. Auf Autobahnfahrten lässt sich dazu prima mitsingen. Das ist ohne Witz wirklich sehr cool und spaßig.