NO USE FOR A NAME

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Lange nicht gehört und doch gemocht

1997 war ein Jahr, in dem sich vieles für mich änderte. Ein Freund gab mir den „Survival Of The Fattest“-Sampler von Fatwreck und machte mich somit mit Bands bekannt, von denen ich noch nie gehört hatte. Mein schwer in eine Achtklässlerin verliebtes Neuntklässler-Herz schlug zwar längst für BAD RELIGION, NOFX und DIE TOTEN HOSEN. Dass LAG WAGON, ME FIRST AND THE GIMME GIMMES und NO USE FOR A NAME überhaupt existierten, war mir bis dato aber entgangen. Nun, ab dem Hören dieses Samplers begleiteten diese Bands mich für eine ganze Weile. Ich versuchte, alle ihre Platten zu ergattern und die Bands so oft es ging live zu sehen. Auf den Konzerten tummelten sich regelmäßig über 1.000 Leute und ich schmiss mich freudig erregt und mit Dosenbier aufgetankt ins Getümmel. Mittlerweile ist meine Begeisterung für melodischen Punk, nun ja, etwas zurückgegangen. Nichtsdestotrotz überraschen mich die „damaligen“ Bands immer wieder. Zuletzt lieferten NO USE FOR A NAME mit „Keep Them Confused“ ein Album ab, das extrem gut ist. Die Platte beweist, dass NO USE FOR A NAME sich weiterentwickelt haben, dass sie aber nach wie vor energische und mitreißende Songs schreiben können. Während die vorherigen beiden Alben der Band „More Betterness“ und „Hard Rock Bottom“ ruhiger waren, vereint „Keep Them Confused“ ruhige NUFAN-Töne mit der alten Schnelligkeit und Energie der Band. Zudem sprechen die Kalifornier auf dem Album erstmals über Themen wie Politik und Religion. Genug Gründe also, um Sänger Tony Sly einmal persönlich zu sprechen.

Tony, NO USE FOR A NAME gibt es mittlerweile achtzehn Jahre, wie fühlst du dich?

Wenn ich darüber nachdenke, dass wir bereits seit 1987 gemeinsam Musik machen und wir heute 2005 haben, dann bin ich von mehreren Gefühlen erfüllt. Einerseits finde ich es komisch, andererseits großartig. Komisch finde ich es, weil die Zeit im Fluge vorüber ging und es mir so vorkommt, als wären meine Teenagertage, in denen wir NO USE FOR A NAME gründeten, gestern gewesen. Dem gegenüber steht, dass ich zur Zeit der Bandgründung dachte, cool, wenn du mit der Band ein paar Jahre über die Runden kommst, dann hast du was Nettes erlebt. Aus der Band wurde aber Lebensinhalt und -grundlage. Dass wir NUFAN solange am Leben erhalten, soviel Touren spielen und es zu mittlerweile acht Studioalben bringen würden, das habe ich damals nicht zu träumen gewagt.

Wie lief denn die Warped-Tour, die ihr dieses Jahr in den USA gespielt habt, für euch?
Die Tour lief gut, wobei ich auf ihr sehr deutlich gemerkt habe, dass sich das Publikum der Warped-Tour heute sehr von dem Publikum der Warped-Tour von vor fünf bis sieben Jahren unterscheidet. Das meine ich vollkommen wertfrei, aber es ist nun mal Tatsache, dass an der Tour teilnehmende Bands wie MY CHEMICAL ROMANCE, FALL OUT BOY und HAWTHRONE HEIGHTS ein ganz neues Publikum anziehen, das anders ist als das Publikum, das traditionellerweise zu Shows von Bands wie uns oder NOFX kommt. Daraus resultierte, dass wir auf der Warped-Tour vor vielen Leuten gespielt haben, die noch nie zuvor von uns gehört hatten.

Wie hat das auf euch gewirkt?
Im ersten Moment fühlte es sich komisch an, dass wir als eine Band, die die „Warped Tour“ schon des Öfteren gespielt hat und die eigentlich immer gut wegkam auf der Tour, nicht mehr zu den Bands gehörte, die ein Großteil des Publikum sehen wollte. Die Attraktionen, wenn du so willst, auf der Tour waren eben Bands wie MY CHEMICAL ROMANCE. Unsere Haltung änderte sich aber sehr schnell und die „Warped Tour“ wurde zu einem sehr schönen Erlebnis für uns. Denn wir merkten ziemlich schnell, dass sich die Leute auch für uns interessierten und wir nach und nach neue Fans auf der Tour gewinnen konnten.

Aber ist es nicht ein komisches Gefühl, wenn ihr als eigentlich längst etablierte Band wieder daran arbeiten müsst, euch neue Fans zu erspielen?
Nein, überhaupt nicht. Denn als Band wollen wir über unsere Fans hinaus auch die Leute ansprechen, denen NUFAN noch kein Begriff ist. Das war bei jedem unserer Alben bisher so und wird sich auch nicht ändern. Damit meine ich nicht, dass wir im Songwriting-Prozess bewusst daran arbeiten, dass dieser oder jener Song massenkompatibel ist. Vielmehr hoffen wir einfach, dass unsere Musik bewegend genug ist, dass sie auch jemanden anspricht, der noch keine Idee davon hat, wer oder was NO USE FOR A NAME eigentlich sind. Daher war es nicht schwer zu akzeptieren, dass wir uns die Aufmerksamkeit der Leute erspielen mussten.

„Keep Them Confused“, euer mittlerweile nicht mehr ganz neues Album, ist in meinen Augen viel emotionaler als eure vorangegangenen Alben, wie siehst du das?
Wir haben auf dem Album sehr viel mehr Emotionen zugelassen und ich denke auch, dass wir sehr viel tiefer gegangen sind als auf „Hard Rock Bottom“ und „More Betterness“, den beiden Vorgängeralben. Wir haben auf dem Album mehr von unseren Gefühlen nach außen gekehrt als zuvor, musikalisch wie auch textlich.

Gerade textlich habt ihr euch in eine andere Richtung entwickelt, nicht wahr?
Sicherlich. Ich habe früher fast nie über politische Dinge geschrieben. 2004 war aber ein Jahr, in dem in den USA ein komisches politisches Klima herrschte. Der ganze Wahlkampf mit Bush und Kerry, der in der Wiederwahl von Bush endete, hat mich sehr zum Schreiben inspiriert. Darüber hinaus bin ich letztes Jahr Vater geworden und die Geburt meiner Tochter brachte mich in eine ganz neue Situation. Auf einmal bist du derjenige, der dafür verantwortlich ist, dass deinem Kind nichts zustößt, der darauf aufpasst, dass sie zu einem Menschen wächst, der in der Gesellschaft bestehen kann. Das schließt ein, dass ich jetzt in der Position bin, ihr zu vermitteln, dass die Dinge, die die US-Regierung macht, nicht alle richtig sind und ich ihr später auch zeige, dass der Irak-Krieg unverantwortlich und falsch war. Die Aufgabe, Fiona dorthin zu führen, dass sie sich eine eigene Meinung bilden kann und dem, was ihr die Massenmedien später verkaufen werden, kritisch gegenüber steht, forcierte auch mein politisches Bewusstsein. Darüber hinaus machte ich mir Gedanken um religiöse Themen. So taten sich mir durch meine Situation als Vater neue Inspirationsquellen für die Songtexte auf.

„Keep Them Confused“ veranlasste viele Kritiker zu schreiben, NO USE FOR A NAME seien erwachsen geworden. Wie fasst du ein solches Urteil auf?
Oh Mann, ich hasse es, wenn über uns oder irgendeine andere Band geschrieben wird, dass sie erwachsen geworden wäre. Natürlich habe ich auch viele Male gelesen, dass über uns geschrieben wurde, wir seien erwachsen geworden. Das finde ich vollkommen unpassend, denn um eine solche Behauptung aufzustellen muss man uns persönlich kennen. Und genau das tut kaum ein Journalist. Jemand, der uns wirklich kennt, würde verstehen, dass wir unser Ding machen und immer danach streben, die besten uns möglichsten Songs zu schreiben und Bezeichnungen wie „erwachsen“ oder „nicht erwachsen“ bei NO USE FOR A NAME keine Rolle spielen.

Wie stehst du denn der wachsenden Popularität von Bands wie GOOD CHARLOTTE und MY CHEMICAL ROMANCE gegenüber?
Ich möchte betonen, dass sich meine Meinung auf die Musik der Bands bezieht, nicht auf sie persönlich und nicht auf ihren Erfolg. Dass GOOD CHARLOTTE, SIMPLE PLAN und MY CHEMICAL ROMANCE momentan sehr erfolgreich sind, stört mich nicht. Wir waren immer eine Underground-Band, deswegen kümmert es mich nicht, dass die Verkaufszahlen dieser Bands unsere weit übersteigen. Darüber hinaus kenne ich viele der Leute von GOOD CHARLOTTE und SIMPLE PLAN persönlich. Problematisch ist allerdings, dass sie in meinen Augen kaum musikalische Substanz haben. Nimm GOOD CHARLOTTE: sie haben kaum gute Songs geschrieben. Wenn die Leute sich aber erstmal an diesen sehr laschen und massentauglichen Sound gewöhnt haben, folgt, dass der Standard von Punkrock herabgesetzt wird.

Welche langfristigen Folgen wird das deiner Meinung nach haben?
Man kann die Fans nicht ewig an der Nase herum führen. Ihnen längerfristig einen niedrigen Standard schmackhaft zu machen, ist schwer beziehungsweise unmöglich. Daher denke ich, dass sich die Leute, sobald sie gemerkt haben, dass es einen Haufen populärer Pop-Punk-Bands gibt, die alle gleich klingen, wieder den Bands zuwenden werden, die Substanz haben und bessere Songs schreiben.

Wie kam es denn dazu, dass ihr Support auf einer der letzten SUM 41-Touren wart?
Weil SUM 41 und wir in den USA von der gleichen Konzertagentur gebucht werden. Unser dortiger Agent bot uns an, die Tour zu fahren, und da wir zu der Zeit gerade eine Bandpause machten, nachdem wir mit „Hard Rock Bottom“ zweimal durch Europa, zweimal durch die USA und zweimal in Japan getourt waren. Die Idee war, dass wir mit der SUM 41-Tour eine neue Art des Tourens ausprobieren wollten, einen Support-Slot hatten wir schließlich lange nicht mehr gespielt. SUM 41 entpuppten sich als wirklich nette Typen, die Tour lief gut und wir haben auf der Tour auch vor neuen Leuten gespielt und uns neue Fans erspielt. Der einzige Nachteil war, dass unsere Fans angepisst waren, dass wir die Tour gespielt haben. Was ich verstehen kann, denn ich erwarte von keinem NUFAN-Fan, dass er 20 Dollar zahlt, um ein halbstündiges Set von uns zu sehen.

Würdet ihr eine zweite derartige Tour spielen?
Nein, ich denke nicht. Versteh mich aber nicht falsch, ich bereue nicht, dass wir mit SUM 41 auf Tour waren.

Ich habe das Gefühl, dass die große Popularitätswelle des Melodypunk, die Mitte der 90er mit dem Erfolg von LAG WAGON, NOFX und nicht zuletzt mit euch ein Peak hatte, abklingt. Wie siehst du aus heutiger Sicht diese Zeit?
Dass GREEN DAY und OFFPSPRING in den 90ern über Nacht zu Stars der Musikwelt wurden, war in meinen Augen gut für Punkrock. Damals war es frisch, es gab das Internet noch nicht, so dass man weltweit noch nicht mit Hunderten von Bands konfrontiert war, die alle ähnlich klangen. Es war noch etwas Besonderes, GREEN DAY und OFFSPRING ermöglichten vielen den Einstieg in die Punkmusik. Ich denke, dass ihre Popularität auch den vor dir genannten Bands sehr geholfen hat. Wir sind mit OFFSPRING getourt und somit kann ich aus Erfahrung sagen, dass die Tour uns sehr viel gebracht hat. Die Leute konnten nach und nach neue Bands entdecken und sich mit der Musik und Ideologie auseinander setzen. Heute bist du nur einen Mausklick von Bands und Alben entfernt, du brauchst keine populären Bands mehr, die dich an den Underground heranführen. Deswegen erfüllen viele der heute populären Pop-Punk-Bands in meinen Augen keine solche Funktion, wie GREEN DAY und OFFSPRING es mit „Dookie“ und „Smash“ taten.