RUTS

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Babylon brennt immer noch

„If you’re in a rut / You’ve got to get out of it / Out of it!“ („In a rut“, 1979)

Mit „Babylon’s burning“ und „Staring at the rude boys“ haben THE RUTS zwei der besten Punk-Songs aller Zeiten geschrieben, und gäbe es so was wie Gerechtigkeit, wären sie heute so bekannt wie THE CLASH und SEX PISTOLS. Zu Lebzeiten ihres einen frühen Drogentod gestorbenen Sängers Malcolm Owen veröffentlichte die Band gerade mal ein Album, und als sich angesichts der grandiosen Mixtur aus Dub und Reggae erster Erfolg einstellte, war auch schon wieder (fast) alles vorbei. Die jüngst erschienene Remix-Compilation zu „Babylon’s burning“ (aktuell würde sich ja auch ein Remake namens „Banlieu’s burning“ anbieten ...) nahmen wir zum Anlass, mit Gründungsmitglied Dave Ruffy ein kurzes Interview zu führen und einleitend die Geschichte von THE RUTS in Erinnerung zu rufen.


Gleich mit ihrer ersten Single und zu einer Zeit, in der Punk gerade mal Laufen gelernt hatte, machten THE RUTS klar, dass sie vor allem eines nicht wollten: Sich auf ausgetretenen Pfaden zu bewegen. Es verwundert deshalb kaum, dass „In a rut“ nicht etwa auf einem Punk-Label, sondern bei People Unite erschien, dem Label des gleichnamigen Musikerkollektivs um die befreundete Reggae-Combo MISTY IN ROOTS. Zusammengebracht wurden beide Bands von ihrem politischen Sendungsbewusstsein und Konzerten unter dem Banner „Rock Against Racism“, bei denen neben THE BUZZCOCKS, CRASS, SHAM 69, X-RAY SPEX, STIFF LITTLE FINGERS, STEEL PULSE und UB 40 auch THE CLASH auftraten, mit denen die RUTS ob ihrer frühen Verbundenheit zu Dub und Reggae zeitlebens verglichen werden sollten. Doch nicht nur der musikalische Werdegang lässt sich schon an der Debütsingle ablesen, sondern auch das tragische und viel zu frühe Ende der Band. Denn die Kehrseite des Ruhmes wird hier sinnigerweise durch die B-Seite von „In A Rut“ symbolisiert, durch den Song „H-Eyes“, einer warnenden Botschaft vor harten Drogen ...

Die Geschichte der RUTS ist eine Geschichte von Freunden. Malcolm Owen und Paul Fox wuchsen beide in Hayes auf, einem Vorort in Londons Westen, sie besuchten dieselbe Schule und Anfang der siebziger Jahre lebten sie einige Jahre in einer Hippiekommune auf der Isle Of Angelsey. Dort traf Paul seinen alten Schulfreund und Namensvetter Paul Mattocks, und die drei gründeten die Folkrock-Band ASLAN, deren musikalischer Output (zum Glück für die RUTS) nie auf Vinyl gepresst wurde. 1975 verabschiedeten sich die drei von ihrer Hippie-Vergangenheit und kehrten nach London zurück. Gerade rechtzeitig also, um von der Wucht, der sich aufbauenden ersten Punk-Welle mitgerissen zu werden.

Es war im August 1977, als Malcolm Owen ein Konzert der SEX PISTOLS besuchte und von der Energie dieser Musik so überwältigt war, dass er noch in der selben Nacht zum Telefonhörer griff und Paul Fox vorschlug, eine Punk-Band zu gründen. Dieser spielte zu jener Zeit zusammen mit Paul Mattocks und einem gewissen Dave Ruffy in der zehnköpfigen, kommerziellen Funk-Band HIT AND RUN und so konnten nicht nur umgehend die fehlenden Musiker rekrutiert, sondern gleich auch der erste Auftritt organisiert werden: Nur rund einen Monat später, am 16. September 1977 spielten THE RUTS einen umjubelten Auftritt im Target, einem Pub in ihrem Heimatort Hayes, als Vorband von HIT AND RUN.

Besagter Pub wurde inzwischen zu einem Drive-Thru-Restaurant umfunktioniert und auch die Originalbesetzung der RUTS, bestehend aus Owen (Gesang), Fox (Gitarre), Ruffy (Bass) und Mattocks (Schlagzeug) sollte nicht lange Bestand haben, da sich Paul Mattocks mit den schnellen Rhythmen des Punk nicht anfreunden konnte. Er tauschte also das „P“ von Punk lieber wieder in ein „F“ um und blieb als einziger der RUTS bei HIT AND RUN. Am wenigsten ungelegen kam dies Dave Ruffy, bot sich ihm doch dadurch die Gelegenheit, auf dem ihm ohnehin viel vertrauteren (und bequemeren) Schlagzeughocker Platz zu nehmen. Die vakante Stelle am Bass wurde mit John „Segs“ Jennings besetzt, einem HIT AND RUN-Roadie und – was weitaus wichtiger war – einem Stammkunden in Daves Plattenladen. Unklarheiten über die Geschwindigkeit des Punkrock waren bei dem neuen Mitglied der RUTS folglich nicht zu erwarten.

Was folgte, war ein rasanter Aufstieg, an dem die Radiolegende John Peel einen nicht unerheblichen Anteil hatte. Nicht nur, dass der im letzten Jahr verstorbene Moderator und DJ die Debütsingle „In a rut“häufig in seiner Show bei Radio One einsetzte, er lud seine damalige Lieblingsband (neben JOY DIVISION natürlich) auch zu insgesamt vier Sessions in sein Studio ein, zum ersten Mal im November 1978. Schließlich wurde Virgin auf THE RUTS aufmerksam und nahm sie im Frühjahr 1979 unter Vertrag. Die erste Veröffentlichung für das neue Label, „Babylon’s burning“, wurde zum größten Erfolg der jungen Band, schaffte es bis auf Platz sieben der UK-Charts, hielt sich dort elf Wochen lang und verhalf der Band zu zwei Auftritten bei Top Of The Pops. Der Song, der ursprünglich den Namen „London’s burning“ tragen sollte, passte wie die geballte Faust aufs Auge der Umbruchsstimmung im Land.

Auch auf ihrem Debütalbum „The Crack“, das im Oktober 1979 erschien, verloren THE RUTS nichts von ihrer Wut über die herrschenden politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse. Im Gegenteil, mit der deutlich Reggae-beeinflussten Singleauskopplung „Jah wars“ (bei der übrigens auch Owens Frau Rocky zu hören ist), legten sie ihren erhobenen Zeigefinger in genau die Wunde, welche die vorangegangenen Unruhen in Southall, einem Ort in der Nachbarschaft der RUTS, verursacht hatten. Es sollte ihre einzige Single sein, die nicht chartete, da sie von der BBC als „zu politisch“ empfunden und inoffiziell aus dem Programm verbannt wurde.

Trotzdem schien es, als könnte es für THE RUTS nicht besser laufen. Doch das exzessive Tourleben und die zunehmende Berühmtheit hinterließen ihre Spuren. Vor allem bei Malcolm Owen. Seine Ehe zerbrach und seine langjährige Heroinsucht geriet endgültig außer Kontrolle. Doch erst eine Rachenentzündung, die es ihm unmöglich machte zu singen, ließ ihn die laufende Tour abbrechen. Mit dem festen Vorsatz von der Drogensucht loszukommen, zog er sich in sein Elternhaus zurück. Malcolm Owen starb am 14. Juli 1980 im Alter von 26 Jahren an einer Überdosis. Er beendete sein Leben damit auf dieselbe Weise wie Sid Vicious, der ihn mit den SEX PISTOLS einst zum Punk gebracht hatte, und so, wie es die erste Single der RUTS vorausahnen ließ.

Die verbleibenden Mitglieder der RUTS konnten unter dem Namen RUTS D.C. (für „Da Capo“) nie an den Erfolg vergangener Tage anknüpfen. Malcolm Owen war einfach nicht zu ersetzen. Im August 1983 löste sich die Band schließlich auf. In den Folgejahren machte vor allem Dave Ruffy, durch Engagements bei AZTEC CAMERA, ADAM ANT oder ZION TRAIN noch einmal musikalisch auf sich aufmerksam.

„There’ll never be another RUTS.“
(Captain Sensible, THE DAMNED)


Dave, wie lautet deine Definition von Dub? Und warum und wie gehen Dub und Punk zusammen?
Nun, für mich entstammt Dub der jamaikanischen Idee, auf die B-Seite einer 45er eine „Version“ oder ein Instrumental der A-Seite zu machen. Zusammen mit dem Aufkommen der „Toaster“ hat sich das dann zu Dub entwickelt. Ich denke, dass die relaxte Atmosphäre von Dub/Reggae eine willkommene Alternative zum wilden Punkrock war.

In den späten Siebzigern, als THE CLASH und THE RUTS aktiv waren, galt die Verbindung von Dub/Reggae und Punk als etwas Neues und Aufregendes. Gab es noch andere Bands, die diesen Stil verfolgten und die man heute vergessen hat?
Ich schätze, da gab es ein paar, wie zum Beispiel THE MEMBERS. Sogar JONATHAN RICHMAN AND THE MODERN LOVERS hatten einen Hit mit „Egyptian reggae“. Zu dieser Zeit begannen die Grenzen zu verschwimmen.

Wenn Bands Dub und Rock kombinierten, dann geschah das meistens lediglich für ein Album („The Dub Album“) oder für Remixe. Liegt der Grund hierfür in der Natur des Dub?
Dub kommt eigentlich aus Jamaika, war dort aber nie wirklich erfolgreich, er wurde in England viel besser verstanden. Wir haben Glück gehabt, dass wir Neil Frazer (THE MAD PROFESSOR) und MISTY IN ROOTS getroffen haben. Wir hatten die gleichen Interessen: einen guten Vibe, anständiges Ganja und eine Abneigung gegenüber der Polizei. Wohlgemerkt: in England war Musik aus Jamaika immer groß. Meine allerersten Bands, in denen ich gespielt habe, machten Rocksteady, Ska und Soul.

Wie viel hat die Vermischung der Stile mit London als multikultureller Stadt zu tun? Das kalte, zubetonierte Berlin hat die EINSTÜRZENDEN NEUBAUTEN hervorgebracht, und die machen ja nicht gerade groovende Tanzmusik.
Wir hatten ziemlich viele Einwanderer von den Westindischen Inseln. Deren Rhythmus und Tanzstil war dem direkten britischen Stil gleichberechtigt. Die Kleidung der „Rude Boys“ in den 60ern hat den Style der Skinheads vollkommen beeinflusst. Die ursprünglichen Skins waren in keinerlei Weise rechts. Es ging nur um Mode und die Style-Sache.

Interessanterweise wurde Dub-Punk als eigene Stilrichtung nie groß, im Gegensatz zu beispielsweise Ska-Punk. Gab es da etwas Unvereinbares zwischen diesen beiden Stilrichtungen, das den Durchbruch verhindert hat?
Nein, ich denke, das Ska-Revival passte einfach in die Zeit, da die Musik so schnell und euphorisch war wie Punkrock und ein junges Publikum angesprochen hat. Dub hat dagegen eher ein bisschen ältere Leute angesprochen.

Selbst heute gibt es noch ein paar wenige Bands, die Dub mit Punk oder Rock kombinieren, meistens aber nur für einen einzelnen Song. Die einzigen aus diesem Bereich, die ich gehört habe und die gut waren, waren P.A.I.N.?. Hast du eine Ahnung, warum das so ist?
Da fällt mir nicht wirklich etwas ein.

Welcher der Remixe auf dem neuen Remix-Album gefällt dir am besten, und warum?
Ich mag den Night-Vision-Mix sehr. Auch der, den Mark Wallis und ich gemacht haben, ist ziemlich cool.

Was machst du heute, musikalisch und auch sonst?
Ich produziere Platten mit Mark Wallis. In den letzten Jahren haben wir Alben von THE STRANGLERS, ALABAMA 3, THE GO-BETWEENS, THE PROCLAIMERS und MOHAIR, der neuen Band der LEVELLERS gemacht.

Fast alle Bands von ’77 haben sich wiedervereinigt und sind beim „Holidays In The Sun“-Festival aufgetreten. Wieso haben die RUTS dort nie gespielt?
Aus zwei Gründen. Erstens: Schau niemals zurück! Ich bin stolz auf das, was die RUTS waren und erreicht haben. Wir waren der „Real Deal“ und die Erinnerung daran möchte ich mir nicht bei irgendeiner Nostalgieveranstaltung versauen. Und zweitens: Unser Sänger ist tot.