GOTTKAISER

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Von Jutebeuteln, Namedropping und Waschsalons

Wie kann man denn wenigstens namentlich noch auf sich aufmerksam machen? Subtil, intellektuell oder einfach ein wenig größenwahnsinnig. Nennen wir das Kind doch einfach mal GOTTKAISER. Das ist prägnant und gibt direkt mal die Marschroute vor: Nicht kleckern, sondern klotzen. Denn sind wir mal ehrlich, die Nachricht von einer weiteren neuen Hamburger Punkband lockt ja heutzutage keinen Hund mehr hinterm Ofen hervor, oder? Da könnte man natürlich mit der Vergangenheit prahlen gehen. Denn sind die Musikanten nicht grün hinter den Ohren und haben bereits einiges auf dem Kerbholz, dann hilft natürlich ein solches Namedropping der Journaille ungemein bei der Schubladisierung. Doch so richtig wohl fühlt man sich ja auch nicht dabei, mit dem Gestern hausieren zu gehen. Schließlich ist GOTTKAISER die Gegenwart und soll auch noch eine eigene, hoffentlich gute und erfolgreiche Zukunft haben. Also erwähne ich jetzt nur zu Anfang, zur groben Richtungseinschätzung, dass die einzelnen Bandmitglieder zuvor bereits in so namhaften Kapellen wie ... BUT ALIVE, COMBAT SHOCK, EMILS oder OHL mitgewirkt haben. Dadurch dürfte klar sein, dass hier keine Stümper und Möchtegerns am Werke sind, sondern Damen und Herren, die wissen, wo der Hase langläuft. Allerdings wird die Messlatte dadurch automatisch etwas höher angelegt, denn den Bonus des unbedarften Debütanten ist man jedenfalls los.

Doch gehen wir mal ins Detail und schauen kurz auf die Anfänge von GOTTKAISER. Sänger Fred und Gitarrist Hagen kannten sich bereits aus gemeinsamen Zeiten bei COMBAT SHOCK und überlegten sich eines Abends, doch wieder zusammen zu musizieren. Trommler Carsten war nach dem Ende der EMILS und COMBAT SHOCK mit seinen übrigen Bands wie OHL und SEXMACHINES völlig unterfordert und brauchte dringend neue Herausforderungen. Björn stand viel zu oft bei St. Pauli im Stadion rum und musste wieder ans Gitarrespielen gebracht werden. Und Bassistin Silvia fand man dann ganz klassisch über eine Kleinanzeige („Junge Frau zum Mitreisen gesucht“). Es konnte losgehen. Ein paar Stücke aus früheren Tagen mussten zum Warmwerden herhalten, schnell wurde aber klar, dass die neue Konstellation neben einem neuen Namen auch eines neuen Programms bedurfte.
So wurde fleißig komponiert und einstudiert, so dass im letzten Jahr mit „Die Jutebeutel-Polizei“ die erste selbst veröffentlichte Demo-CD von GOTTKAISER das Licht der Welt erblickte. Diese wurde schnell mehr als nur ein Achtungserfolg und zahlreiche Auftritte in und um Hamburg ließen die Popularität zumindest in der norddeutschen Szene schnell anwachsen. Legendär ist bereits der letztjährige Auftritt von GOTTKAISER im Rahmen des Hamburger Stadteilfestes „Altonale“ in einem Waschsalon, der aus allen Nähten zu platzen drohte, während außerdem draußen auf der Straße noch Hunderte von Straßenkötern einen Blick auf die Band zu erhaschen versuchten. Spätestens jetzt war GOTTKAISER in Hamburg etabliert.
Und womit begeistern GOTTKAISER nun ihr Publikum? Sie spielen Punkrock. Das schon mal vorneweg. Sie haben zwei Gitarristen, die ihr Handwerk mehr als gut beherrschen. Da gibt es auch mal Soli und Gitarrenläufe, die manche Metalband erblassen lassen würden. Sie haben mit Carsten sicherlich einen, wenn nicht gar den energetischsten Trommler der Hansestadt an der Schießbude sitzen. Und sie haben deutsche Texte. Deutschpunk also? Ach nö. Dazu gibt man sich sowohl musikalisch als auch textlich zu wenig den Klischees und Plattitüden dieses Genres hin. Stattdessen nimmt man gerne sich und die eigene Szene aufs Korn, ohne gleich den moralisierenden Zeigefinger auszupacken. Das überlassen sie dann lieber der „Jutebeutel-Polizei“, wie im Titeltrack ihrer Demo-CD. Wie heißt es da so schön: „Ich trage selbstgestrickte Sockenpracht, aller erster Wahl. Und der Baum, von dem die Wolle stammt, der tut mir ehrlich leid. Doch dass Dein Brot mit Wurst belegt ist, das kann ich nicht akzeptieren, denn das geht nun mal entschieden zu weit.“
Mit derartigen Vorwürfen kann man freitags auf dem Ottensener Wochenmarkt schon mal konfrontiert werden. Und dann stehst du da wie blöd und nicht abgeholt. Schön, wenn es dann eine Band wie GOTTKAISER gibt, die dir Trost spendet. Überhaupt ist Engstirnigkeit in der Szene etwas, was der Band gehörig gegen den Strich geht. Dogmatiker gehören daher wohl auch nicht zum primären Zielpublikum der Band. Lieber sollen Leute zu ihren Konzerten kommen, die das Herz am richtigen Fleck haben, durchaus kritisch der Welt gegenüber stehen, darüber hinaus aber auch wissen, dass mit einem verbohrten Weltbild auch nicht alles besser wird. Denn bei all dem Grau da draußen, vergessen GOTTKAISER nicht die schönen Seiten des Lebens. Und das macht die Band liebenswert.
Inzwischen haben sie ihren ersten richtigen Longplayer eingespielt und stehen mit diversen Labels in Verhandlung. Möglicherweise ist man sich bei Erscheinen dieses Pamphlets hier schon längst handelseinig geworden und die Geburt des Debüts liegt bereits in den ersten Wehen. Und spätestens dann werden GOTTKAISER verstärkt den Rest der Republik unsicher machen und auch der „Jutebeutel-Polizei“ in Bamberg, Nünchritz oder Ochtrup auf die Finger hauen. Zieht euch also warm an, es geht voran.