LARS HENKEL/REFLEKTORIUM

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Das Auge hört mit

Der Kölner Lars Henkel studierte in Aachen und an der Kunsthochschule für Medien in Köln und ist in den letzten Jahren durch diverse Covergestaltungen für Labels wie Scene Police, Music Is My Heroin, Snowboard-Designs für Ride und Animationsfilme wie zum Beispiel für Meret Becker bekannt geworden. Sein Facettenreichtum macht ihn gerade interessant und zeigt, dass er vor keinem Format zurückschreckt und nicht nur deshalb bereits internationale Anerkennung für seine Arbeiten genießt. Außerdem stammt von ihm das Cover der aktuellen Ox-Ausgabe nebst CD.

Wie und wann ist das Reflektorium-Kollektiv entstanden und welche Philosophie steckt dahinter?

Reflektorium ist ein Zusammenschluss von drei Leuten, die ähnliche Vorstellungen und Ziele in ihrer Arbeit haben. Es ist eher ein Kollektiv als eine Agentur. Es wurde vor sechs Jahren von Anja Struck, Mario Wagner und mir während der Studienzeit gegründet. Es ist interessant zu sehen, wie jeder von uns in den letzten Jahren immer mehr seine eigene Art entwickelt hat. In den Ausdrucksformen sind wir teilweise unterschiedlich, aber trotzdem gibt es noch sehr viele Gemeinsamkeiten.

Wer seid ihr im Einzelnen und wie sind die kreativen Schwerpunkte untereinander verteilt?

Anja dreht experimentelle Animationsfilme in Stopmotion-Technik. Ihr letzter Film „Allerleirauh“ mit der Musik von GOLDFRAPP ist eine freie Anlehnung an das gleichnamige Märchen der Gebrüder Grimm, der bei vielen Festivals im letzten Jahr Preise gewonnen hat. Ihre Filme spielen in einer verstaubten atmosphärischen Welt, in der unscheinbare und alltägliche Gegenstände ihr Eigenleben besitzen und einer surrealen Logik folgen. Marios Schwerpunkt liegt bei Illustration und Malerei. Großformatige Kollagen aus Fotos zusammen mit kräftigen Farben und grafischen Flächen spielen mit Versatzstücken heutiger Bilderwelten und erzeugen einen entrückten Einblick in scheinbar vertraute Situationen. Seine Arbeiten schmücken eine Reihe der letzten CD-Cover des NOTWIST-Labels Alien Transistor und wurden in Magazinen wie Spex oder Technology Review veröffentlicht. Und ich beschäftige mich viel mit Illustration und habe auch mit Animation gearbeitet. Es gibt Zeiten, in denen ich lieber zeichne, und es gibt Phasen, in denen mich mehr mit dem Computer beschäftige. Trotz unterschiedlicher Techniken gehen die Bilder inhaltlich meistens in eine ähnliche Richtung. Ich habe zum Beispiel eine zeitlang Snowboards für die Marke Ride entworfen oder habe das Erscheinungsbild der CD-Produktion „fragiles“ von Meret Becker entwickelt, was CD-Design, Homepage und Animationsfilme umfasst.

Wie hat alles begonnen?

An meine ersten Cover im HC-Bereich kam ich über Martin von Scene Police. Ich kenne ihn schon seit der Schulzeit und irgendwann hatte er die Idee, dass ich mal ein Cover für HUNTER GATHERER machen könnte. So habe ich ein paar Sachen für dieses Label gemacht. Daraus entwickelten sich auch andere Projekte, wie zum Beispiel mit Music Is My Heroin, den Jungs vom Enough-Fanzine beziehungsweise Go-Kart Records. In der letzten Zeit habe ich nur noch wenige Cover im HC-Bereich gemacht, aber dafür gibt es aber andere Jobs im Musikbereich, wie zum Beispiel die Projekte von Meret Becker.

Du hast ja auch schon recht viele Auszeichnungen und Preise gewonnen, aber ehrlich gesagt, was bringt dir so etwas persönlich? Bestätigt es nur deine Arbeit oder bekräftigt es dein Designer-Ego?

Na ja, so viele sind das auch nicht. Es gibt die unterschiedlichsten Auszeichnungen, und auf einige kann man bestimmt stolz sein. Grundsätzlich ist ein anerkannter Preis natürlich eine Bestätigung für die Arbeit. Gerade bei Aufträgen, bei denen der Kunde die erbrachte Qualität nicht würdigen kann, was gelegentlich vorkommt, ist es angenehm, wenn die Arbeit bei einem Wettbewerb erfolgreich ist. Aber meine persönliche Zufriedenheit hängt nicht von Wettbewerben ab. Sie sind immer ein gutes Forum, um Arbeiten zu präsentieren und zu verbreiten, um mögliche neuen Kunden zu erreichen – ein sehr wichtiger Aspekt für Selbständige.

Du hast ja schon eine große Bandbreite vorzuweisen, Snowboard-Designs, Musikvideos, Illustrationen für Magazine, Cover-Entwürfe, Vorlagen für Tätowierungen und so weiter. Du scheinst dich ja nicht auf ein Format festzulegen, was ich klasse finde. Was können wir als Nächstes von dir erwarten? Du erwähntest mal etwas von einer Actionfigur für eine Sammleredition in den USA ...

Ja genau, eine Sammelfigur aus Kunstharz, die ich frei entwerfen darf. Das wollte ich schon immer machen. Es ist natürlich nichts Weltbewegendes, aber ich kann mich unglaublich für unwichtigen Merchandise-Kram begeistern. So musste ich auch die kleinen Figuren von „Nightmare Before Christmas“ kaufen, die jetzt meine Wohnung bevölkern. Es gibt aber auch andere Projekte, mit denen ich mich beschäftige. Ich habe Lust, weitere Geschichten in der Art von „Blinde Waldminiatur“ zu machen. Das ist eine Kurzgeschichte, die ich vor kurzem für ein Magazin angefertigt habe. Sie handelt von einem Mann, der sich in einem Wald verläuft. Eine Art Comic, das aber keine klassische, narrative Geschichte erzählt, sondern mit freien Bildern und Texten subjektive Eindrücke vermittelt und bei dem Betrachter Assoziationen erzeugt. Ich versuche, in den Geschichten einen gewissen Spielraum für Interpretationsmöglichkeiten einzubauen. Der Leser kann so seine Imagination nutzen und eigene Erfahrungen einfließen lassen. Bei der Arbeit an dem Comic habe ich wieder entdeckt, welche Möglichkeiten dieses Medium bietet, um solche Geschichten zu erzählen. Deswegen möchte ich gerne in nächster Zeit mehr mit diesen Mitteln experimentieren und weitere grafische Erzählungen entwickeln.

Erkläre doch mal so deine Vorgehensweise. Du machst ja vieles analog, bevor du es im Computer als ein einheitliches Werk zusammenfügst.

Es gibt meistens zwei Vorgehensweisen. Entweder ich arbeite klassisch am Schreibtisch, indem ich zeichne, male und collagiere, oder ich arbeite am Computer. Dafür baue ich teilweise plastische Figuren und Objekte aus Holz oder anderen Materialien, die dann fotografiert und in Photoshop zusammengesetzt werden. Jede Arbeit fängt aber immer mit ausgiebigen Skizzen im Skizzenbuch an. Dort spiele ich verschiedene Variationen durch, bis ich von einer Idee überzeugt bin und dann das Motiv umsetzten kann. Inzwischen läuft jedes Bild irgendwann durch den Computer, teilweise nur, um Schrift einzubauen oder den Bildausschnitt zu bearbeiten. Aber es ist immer ganz wichtig, dass eine Arbeit nicht ausschließlich digital entsteht. Das wäre im Endergebnis sichtbar, die Ästhetik wäre zu glatt und auch der kreative Prozess würde darunter leiden. Man bekommt einen ganz anderen Bezug zur Arbeit, wenn man sie manuell bearbeitet und nicht nur die Maus über den Bildschirm schiebt.

Welche Bedeutung hat Musik während deiner Arbeit für dich? Lässt du dich gerne davon inspirieren? Und was sind deine musikalischen Haupteinflüsse dabei?

Musik hat wirklich eine große Bedeutung für die Arbeit, eigentlich läuft immer eine CD im Hintergrund. Sie hilft bei der Ideenfindung sowie beim Ausarbeiten. Sie verstärkt Emotionen und ermutigt, auf seine Intuition zu vertrauen. Die Art der Musik hat auch immer einen nicht zu unterschätzenden Einfluss au das Endergebnis. Meine musikalischen Haupteinflüsse liegen auf unterschiedlichen Gebieten. Früher habe ich viel HC- und Emo-Bands gehört, von denen ich heute immer noch einige mag, wie zum Beispiel SENSEFIELD, TEXAS IS THE REASON, BOY SETS FIRE, ELLIOTT, FUGAZI. Sonst höre ich noch gerne SPARKLEHORSE, NOTWIST, BOHREN UND DER CLUB OF GORE, A CAMP, RADIOHEAD, Beth Gibbons, TIED AND TICKLED TRIO, Edwin Morris, GODSPEED YOU BLACK EMPEROR, Nick Cave und so weiter.