KATE MOSH

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Ganz besonders etikettenkritisch

Lasst euch nicht abschrecken: Gemosht wird hier nicht, die Berliner machen sich nur gerne einen Spaß aus der Erwartungshaltung der Menschen. Also noch mal unvoreingenommen weiter lesen und vor allem hören, denn die Genialität des Debütalbums "Breakfast Epiphanies", das an die sagenhaften Q AND NOT U erinnert, lässt sich lautmalerisch zwischen den Zeilen wahrnehmen. Vielleicht will ich euch aber auch nur zum Lesen überreden. Nun ja, euer Schaden wird's nicht sein, versprochen.


Der Name KATE MOSH löst ja doch eine gewisse Erwartungshaltung aus, führte er mal dazu, dass ihr in Kontexte gebucht wurdet, in die ihr eigentlich nicht hundertprozentig reinpasst? Wie reagiert man, wenn man deplatziert wirkt?


Vor allem löst der Name oft den Wunsch aus, ganz besonders etikettenkritisch oder sehr gegenwitzig zu schreiben. Und natürlich tauchen in Reviews und im Gespräch schon mal Assoziationsfelder auf, in denen wir uns nicht oder nur bedingt sehen. Mit Konzerten ist uns das netterweise noch nicht passiert, und wenn wir uns irgendwo unwohl fühlten, lag das eigentlich nie am Rahmenprogramm oder am auf andere Musik programmierten Publikum. Außerdem sehen wir ja selbst auch, wer uns wohin buchen will, und können uns dementsprechend zusammenreimen, was uns erwartet. Bei den AEROGRAMME-Konzerten habe ich manchmal geglaubt, dass unsere Tanzlastigkeit dem einen oder anderen Metal-Melancholiker vielleicht sauer aufstoßen könnte. Aber da hilft erstens nur durchziehen und zweitens dann die Einsicht, dass man sein Publikum auch bitteschön nicht unterschätzen sollte. Und schon gar nicht das Publikum von AEROGRAMME.

Haben euch die Support-Slots für SPARTA und AEROGRAMME denn sehr viel Gutes beschert? Wie war so das persönliche Verhältnis zu den jeweiligen Gruppen und in welchem Rahmen seid ihr unterwegs gewesen?

Zunächst haben wir natürlich vor Leuten gespielt, die sonst vielleicht nicht ohne weiteres auf unsere Konzerte gekommen wären, und sind da auf reichlich positive Resonanz gestoßen. Gut fürs Ego, gut für die Zukunft. Dann haben wir im Publikum und in den Bands Freunde und, auf welcher Ebene auch immer, Partner gefunden. Natürlich sind wir und SPARTA uns bei den zwei gemeinsamen Shows nicht gerade supernahe gekommen. Aber wir haben einander gefallen, wir haben uns unterhalten, wir touren gern wieder und gern umfangreicher miteinander. Die vier Shows mit AEROGRAMME, das kurze Feiern mit ihnen nach der Tour und die Wiedersehen in Glasgow und London vor kurzem haben da sicher mehr Herzlichkeit geschaffen. Ich liebe diese Band ja sehr und freue mich darauf, sie recht bald wieder zu sehen. Ansonsten jedoch redet man nicht über abwesende Menschen. Schon gar nicht über die guten.

Euer Albumtitel "Breakfast Epiphanies" mutet beinahe kryptisch an, inwieweit ist die Musik als Herausforderung für den Hörer gedacht?

Am ehesten geht es uns vielleicht darum, unsere Musik an vorschnellen Urteilen und Prägungen vorbeizumogeln. Unser Umgang mit Musik, aber auch mit Titeln und Referenzen lässt viele Leute recht schnell mit Standpunkten und Meinungen aus der Hüfte kommen. Es ist uns dann wichtig und macht uns ebenso großen Spaß, diese herauszufordern und zu umgehen, um dann im unerwarteten Moment plötzlich zu zünden und zu berühren, auf der Tanzfläche, beim Malern, beim Frühstück. Wir fordern die Bereitschaft, die eigene Meinung zu prüfen und zu verändern. Wenn das funktioniert und der Prozess dann noch allen Beteiligten Spaß und Action und Ergriffenheit beschert, sind wir schon fast zufrieden. Im Übrigen finde ich den Albumtitel herzlich unkryptisch. Mir drängen sich schön viele unterschiedliche und für sich jeweils doch sehr eindeutige und klare Assoziationen auf, wo ich mich jedoch hüten werde, sie jedem unter die Nase zu reiben.

Was erwartet ihr euch persönlich von "Breakfast Epiphanies"?

Wir hoffen, dass möglichst viele Leute dazu tanzen oder explodieren oder küssen oder mal drüber reden können, und dass es allen in guter Erinnerung bleibt.

Euer neues Album ist für mich ein deutlicher Bruch mit eurem bisherigen Stil. Ging dieser konzeptionell und geplant oder eher intuitiv und spontan vor sich?

Wohl letzteres, so wie sich auch Songwriting und Bandzusammensetzung eher von selbst veränderten und offener wurden. Ein radikaler Bruch war dabei nicht geplant und meiner Meinung nach hat es ihn so auch nicht gegeben. Der Kern wurde in verschiedene Richtungen erweitert und dabei sicher auch ein wenig verschoben, doch für mich ist "Breakfast Epiphanies" ebenso KATE MOSH wie "Life Is Funfair", nur eben umfangreicher und mit weniger Anfänger- und dafür anmutigen Folgefehlern.

Wie würdet ihr eure Arbeitshaltung als Band beschreiben? Habt ihr Ambitionen, die Gruppe hauptberuflich zu betreiben, oder denkt ihr da im Traum nicht dran?

Die Band frisst viel Zeit und torpediert viele Pläne. Wir sind aber meistens bereit, andere Lebenswege für sie aufzugeben und unsere Zeit auffressen zu lassen. Wir wollen Musik machen und das oft und gut und ständig, und das funktioniert halt nicht so irgendwie nebenbei. Zumindest nicht auf Dauer und nicht, wenn das Herz und der Kopf sowieso ständig bei dieser Sache sind.

Eure Tour wird von einem namhaften Autohersteller gesponsert. Wie kam es dazu und wie passt das mit D.I.Y. und Kapitalismuskritik zusammen?

Wir fahren mit den Autos des Systems, um das System irgendwann zu überholen. Wir verpesten es mit seinen eigenen Abgasen. Und so weiter. Schlussendlich haben wir den Bus der Volkswagen-Soundfoundation sehr gern genommen, weil er uns viele Kosten und Umstände erspart hat. Für mich hat Autofahren generell nicht viel mit Kapitalismuskritik zu tun. Da mussten wir dann auch nicht groß drüber nachdenken, ob wir jetzt das Soundfoundation-Logo auf unserer Seite vertreten können. Wir verstehen das Ganze auch weniger als Werbespektakel mit uns als Protagonisten, sondern eher als Probefahrt für uns. "Na", sagt der Konzern, "fährt sich doch gut, oder? Wollt ihr euch nicht einfach einen kaufen?" Es gibt da eher andere Angebote, die wir ablehnen, die einen höchstens kurzzeitigen finanziellen Vorteil schaffen, wo betreffende Organisationen oder Konzerne ein bisschen Geld springen lassen, weiterhin aber keinen Finger rühren und man am Ende selbst der Gelackmeierte ist. Generell prüfen wir sehr ausführlich, welche Angebote für uns okay gehen und welche nicht.

Auf einem Konzert habt ihr den Versuch unternommen, eure Musik mit einem Beamer optisch zu begleiten. Wo seht ihr die Vorteile?

Das Publikum kann auch mal woanders hingucken und ist auch in ruhigen Passagen vom Geblitze und Geblinke gefesselt genug, um sich Gespräche für die Zeit nach dem Konzert aufzuheben. Außerdem sieht es gut aus und spielt schön mit dem eigenen Erleben. Bei besagtem Konzert ging es ja nicht darum, den Liedern mit schmucken Videos noch mehr Bedeutung aufzupflanzen. Vielmehr wurde ja live gefilmtes Material verändert, geloopt, zerstückelt, neu zusammengesetzt und mit anderem Bildmaterial gekoppelt, um für andere Perspektiven und Eindrücke zu sorgen. Wir hätten das gern häufiger gemacht und gern auch mit auf Touren genommen, aber da standen uns halt Zeitmangel und andere Pläne im Wege.

"U is the loneliest letter" erinnert mich an "One", im Original von Harry Nilsson, (aber auch durch THREE DOG NIGHT bekannt, wo es heißt "One is the loneliest number"). Machen solche Querverweise das Album zur Kritikerplatte? Habt ihr Angst davor, zu einer Kritikerband zu werden?

Zweimal "Vielleicht" und "Ich glaube nicht". So glaube ich zum Beispiel nicht, dass ein solches Hintergrundwissen nötig ist, um diesem oder anderen Songtiteln oder Textzeilen Sinn zu geben. Und ebenso wenig, dass dieses Hintergrundwissen Kritikereigentum ist. Im Idealfall funktionieren die Zitate und Variationen auch losgelöst von ihren ursprünglichen Konzepten. Und im anderen Idealfall haben sie aufregenden Sex mit ihnen und klauen und geben sich gegenseitig Bedeutungen. In Idealfall drei fühlt man sich angenehm an Dagewesenes erinnert und ist umso mehr dazu bereit, sich Neuigkeiten um die Ohren hauen zu lassen. Eine Win-Win-Win-Situation, wenn man alle nicht so idealen Fälle einfach mal ignoriert.

Euer Album hat melancholische Züge und klingt gar nicht hektisch nach Berlin und Großstadt. Woran liegt das?

Zunächst einmal wollten wir ja kein Großstadtalbum machen, obwohl uns die Stadt als solche sicher stark beeinflusst. Vor allem aber gehen Hektik und Melancholie gern Hand in Hand, überspielen oder bedingen sich auf die eine oder andere Art. Und zu guter Letzt weinen und seufzen wir ja nicht die ganze Zeit, sondern sind ziemlich rasant melancholisch.

Ihr seid im Künstlerkollektiv Sinnbus aktiv. Was genau kann man sich darunter vorstellen?

Sinnbus ist ein Label, eine Plattform, ein Freundeskreis und ein Treffpunkt für Leute mit Topinteressen, eine Gemeinschaft von guten Menschen und besten Bands. Man veröffentlicht Platten, man organisiert Veranstaltungen, man umarmt sich zur Begrüßung und schafft gemeinsam gute Erfahrungen. Als KATE MOSH haben wir das Label mitgestartet und -gestaltet und werden auch nach dem Wechsel zu Nois-o-lution dort präsent sein und schön mitmachen. Aktiv sind dort vor allem Thom und ich, organisieren und schaffen und kooperieren und stecken unsere Zeit in Musik und Veranstaltungen, von denen wir meinen, dass es sie geben muss.

Ihr seid viel mit deutschsprachigen Gruppen unterwegs, singt aber auf Englisch. Wächst angesichts so erfolgreicher Gruppen wie TOMTE und KETTCAR nicht die Verlockung, selbst deutsch zu singen?

Genauso viel oder wenig wie die Verlockung, plötzlich mit Wiebusch-Stimme zu singen oder Tomte-esk herumzushuffeln. Wir finden Englisch als Popsprache gut und bleiben dabei, bis uns Worte und Sätze über den Weg laufen, die gut klingen und sich gut singen lassen und die eigentlich nur so gesagt und gesungen werden können. Solange all diese Sätze und Worte vor allem Daniel Spindler (von DELBO) zufliegen, werden wir schön bei unseren Leisten bleiben.