RYE COALITION

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Sind nun mal eine große Rockband

Eigentlich sollte dieser Fünfer aus New York bereits fett im Geschäft sein, die großen Bühnen der Welt unsicher machen und Lahmärsche wie die STROKES oder die SUBWAYS aus den Charts treten. Der Majordeal mit Dreamworks war bereits ergattert (neun Jahre nach Bandgründung längst überfällig) und Touren mit den FOO FIGHTERS absolviert. Doch dann geschah folgendes: Während der Album-Aufnahmen mit Dave Grohl wurde Dreamworks/SKG an Universal/Vivendi verkauft, die mit Geffen verschmolzen, wobei eine Reihe an Bands von Dreamworks zu Interscope gewechselt sind. Zuerst wurde RYE COALITION nach Dreamworks/Geffen geschoben, dann zu Interscope, schließlich hatte niemand mehr Interesse, das Album zu veröffentlichen. Wie es dazu kam, warum die Band darüber nicht unglücklich ist, und über vieles mehr unterhielt ich mich mit Gitarrist Jon Gonelli im Rahmen der gerade absolvierten Tour durch Europas Clubs.


Die Dinge sind für euch gut gelaufen - dann plötzlich Stille und jetzt eine EP auf eurem neuen alten Label Gern Blandsten. Was ist passiert?


Keine der neuen Inkarnationen von Dreamworks war begeistert von der Platte, die wir aufgenommen hatten. Beide Labels, Dreamworks/Geffen und Interscope, wollten, dass wir unseren Sound überdenken und mehr Songs schreiben, von denen sie dachten, dass sie Hitpotenzial hätten. Aber das war noch nie unsere Sache. Wir machen, was wir wollen, wann immer wir es wollen, und niemand wird RYE COALITION jemals erzählen, wie sie zu klingen haben, oder welche Art von Songs sie schreiben sollen. Das widerspricht allem, wofür die Band steht. Man muss auch bedenken, dass nach dem Verkauf von Dreamworks keiner der Leute mehr dort arbeitete, die wir getroffen, die uns unterstützt und zu denen wir eine starke Beziehung aufgebaut hatten. Wir fanden, wir wären besser dran, wenn wir Dreamworks verlassen, das nun wirklich nicht mehr das Label ist, bei dem wir unterschrieben haben. Wir haben also gefragt, ob wir aus dem Vertrag entlassen werden können - und wir wurden entlassen. Wir haben auch gefragt, ob wir die vollen Rechte und die volle Kontrolle über unser Album bekommen können - und auch das wurde uns zugestanden. Das ist bei Majorlabels eine echte Seltenheit, und wir waren froh. Es hat aber bis ungefähr anderthalb Jahre nach den Aufnahmen gedauert, bis alles geregelt war.

Und dann haben Gern Blandsten einfach gesagt, sie machen das wieder mit euch?

Nachdem wir die Kontrolle über unser Album zurück hatten, wollten wir es sinnigerweise auf einem unabhängigen Label veröffentlichen, um die Kontrolle auch so weit wie möglich zu behalten. Gern Blandsten wird von Charles Maggio geführt, der schon früher Sachen von uns veröffentlicht hat. Wir vertrauen ihm völlig, er war immer ein Freund und eine große Unterstützung für RYE COALITION. Nachdem wir also diese ganze Majorlabel-Saga hinter uns gebracht haben, den Kampf um die Rechte an unseren Songs, war es nur logisch, dass wir den Kreis geschlossen und unsere "Chariots On Fire"-EP wieder dort veröffentlicht haben. Sie ist nur der Vorbote zu unserem lange überfälligen neuen Album namens "Curses", das im April kommt. Charles Maggio bringt nur raus, was ihm gefällt, er kümmert sich nicht um Dinge wie Etiketten und Genres, sondern um Dinge, die sich für ihn gut anhören. Das passt zu uns als Band, weil auch wir nur Musik machen, die uns gefällt, und nicht solche, von der wir glauben, dass die Leute sie hören wollen.

Ein neues Album ist also unterwegs, mit den Songs, die Dreamworks nicht veröffentlichen wollte?

Das sind die Songs, die wir mit Dave Grohl aufgenommen haben. Das Album wird zwölf Lieder enthalten, von denen drei schon auf "Chariots On Fire" sind, wobei die EP mit "Gone with the windshield" einen exklusiven Track hat.

Dave Grohl ist also ein Fan von euch? Wie kam das denn?

Wir haben ihn über seine Managementfirma gefragt, ob er unser neues Album produzieren will. Wir haben ihn dann im Oktober 2003 in New York getroffen und viele Tassen Kaffee lang mit ihm gesprochen. Unser Humor ist ziemlich ähnlich, ebenso wie unsere Herangehensweise an Aufnahmen und Kompositionen. Im November 2003 hat die Arbeit mit ihm begonnen, mit Dave Grohl und seiner rechten Hand, dem außergewöhnlichen Techniker Nick Rasculinecz. Wir hatten eine Masse an Demos, von denen wir meinten, dass sie ein großartiges Rockalbum ergeben würden. Grohl hatte einen gewissen Einfluss, indem er uns Vorschläge unterbreitete, wie man die Kompositionen straffen könnte. Er hat mit jedem einzelnen Mitglied von RYE COALITION gearbeitet, an Rhythmus und Melodie, wobei er selbst viel von anderen Musikern und Produzenten profitiert hat, mit denen er in seiner Karriere zahlreiche Alben aufgenommen hat. Auch für uns war es eine Lernerfahrung und einfach Luxus, drei Monate lang mit einem großartigen Musiker zusammen zu arbeiten und ein Kickass-Rock'n'Roll-Album aufzunehmen, ohne irgendwem Rechenschaft schuldig zu sein, außer uns.

Zwischen eurem ersten und dem letzten Album liegen ja Welten, musikalisch. Wie kommt denn so was?

Jedes Album unterscheidet sich vom vorhergehenden, im Herzen sind wir eine progressive Band. Wir wollen unser älteres Zeug nicht einfach aufwärmen, vielmehr soll jedes neue Album zeigen, wo wir als Musiker zu einem bestimmten Zeitpunkt stehen. Unser Ziel ist es, bessere Musiker zu werden, indem wir zusammen spielen und Alben machen, die sich für uns gut anhören und die wir selbst hören würden. Die Geschmäcker und Empfänglichkeiten der Leute ändern sich mit der Zeit. Von jetzt an werden unsere Alben ständige Versuche, unsere Kompositionen besser informiert zu gestalten. Oder schrulliger. Oder verrückter. Oder minimaler. Für mich ist genau das der Reiz dabei, in dieser Band zu spielen: keine Regeln und Fairplay. Außerdem muss es natürlich Spaß machen, die Songs auf der Bühne zu bringen. Wir sind eine High-Energy-Liveband, unsere Aufnahmen repräsentieren diese Erfahrung aber nicht völlig. RYE COALITION muss man am besten laut und live erleben. Im Zeitalter von Pro-Tools können das nicht viele Bands von sich behaupten.

Aber sogar unter diesen Umständen klingt der Song "Gone with the windshield" völlig anders als alles, was ich je von euch gehört habe.

Für diesen Song hat Dave Grohl den Rahmen entworfen. Eines Tages hat er ein selbst aufgenommenes Demo mit ins Studio gebracht, nur Schlagzeug, Bass und Gitarre. Wir mochten es, und er hat vorgeschlagen, dass wir versuchen könnten, es auf unsere Art aufnehmen. Wir dachten allerdings nicht, dass wir je dazu kommen würden, bei all den anderen Songs, die wir noch aufnehmen wollten. Wir haben einzelne Parts dazu aufgenommen, einen Text geschrieben, die Gitarren anders nuanciert, aber wir haben es beiseite geschoben und nie damit gerechnet, es je zu veröffentlichen. Für uns war es eher eine Erinnerung an unsere Zeit mit Dave Grohl. Ich bezeichne es gerne als unseren BADFINGER-Moment, so wie damals, als ihnen Paul McCartney "Come and get it" gab. Bridge und Refrain von "Gone with the windshield" klingen allerdings so unverwechselbar nach Dave Grohl, dass wir echte Probleme hatten, es rauszubringen. So etwas hatten wir vorher noch nie gemacht, aber genau das war schließlich der Grund, es doch zu tun. Und der Song eignet sich ja wunderbar als kleines Extra am Ende der EP.

Ihr betont den Spaß sehr stark bei dem, was ihr tut. Findest du, dass die Leute zu viel Wert auf Inhalte legen?

Spaß ist ein sehr wichtiger Faktor für uns und von jeher unsere Agenda gewesen, während wir live gespielt und dabei neue Leute kennen gelernt haben. An das Songwriting aber gehen wir sehr ernst heran und legen größten Wert auf Inhalte. Es ist harte Arbeit, bis die Songs so klingen, wie wir das wollen, was nicht heißt, dass das nicht auch Spaß machen kann. Gerade mit unseren Konzerten zollen wir dieser harten Arbeit Respekt. Häufig verstehen Leute unsere witzigen Liednamen und unseren boshaften Humor falsch und halten uns für eine ironische Band. Spaß haben, ist die Essenz des Rock'n'Roll, rebellisch sein und zu tun, was man will, wann immer man verdammt noch mal Lust dazu hat. Wir wollen die Leute auf unseren Konzerten dazu ermutigen, sich gehen zu lassen, den ganzen Scheiß zu vergessen, der sie im Alltag plagt. Das sollte das Ziel einer jeden großen Rock'n'Roll-Band sein, wie es RYE COALITION nun mal ist.

Mit dieser Einstellung grenzt ihr euch klar von der hippen, kopflastigen Emo-/Indie-Szene ab, in die man euch ja auch mal stecken wollte.

Das, was RYE COALITION ausmacht, kann man nirgends einordnen. Wir haben uns immer nur an der Peripherie all der Genres gesehen, in die man uns stecken wollte. Das Wesentliche an der Musik ist, dass sie alle Sprachen, alle Genres übersteigt - das spezifisch Musikalische an der Erfahrung ist, dass sie ohne Worte funktioniert. Ein Etikett auf Musik kleben bedeutet, jemandem die Möglichkeit zu nehmen, vollständig darin zu versinken und sich ihr auszuliefern. Zu dem Zeitpunkt, wo sich ein Musiker seiner Etikettierung zu sicher ist, wird er beginnen, Musik zu machen, die sich wenig von der Masse an schlechter Musik da draußen unterscheidet.

Ihr bezeichnet euch selbst als die "Hard Luck Five". Wieso?

Unser Glück hat sich über die Jahre ständig verändert, wie das Pendel einer Uhr, das hin und her schwingt. Ich denke, so wie sich die Dinge für uns im Jahr 2006 entwickeln, sollten wir uns ab jetzt "The Good Luck Five" nennen.

Die letzte Frage ist etwas heikel: Scheinbar seid ihr, speziell unter Interviewern, als arrogante Band verrufen. Wie kommt das denn, und was hältst du davon?

Nichts. Jeder, der uns persönlich kennt, weiß, dass wir ehrliche und dankbare Menschen sind. Sicher, jeder von uns hat seine Probleme, und jeder hat seine Fehler begangen, aber eine Band pauschal als arrogant zu bezeichnen, ohne das Mindeste über ihre individuellen Persönlichkeiten zu wissen, ist schlichtweg nichtig. Wenn du aber als Band live spielst, auf der Bühne stehst, dann vermittelst du automatisch die Botschaft: "Sieh dir meine Band an, ich finde, sie ist gut, und ich hätte liebend gern, dass du das genau so siehst." Sonst würde es keinen Sinn machen, live zu spielen oder Platten zu machen. Selbstvertrauen und Glaube an die eigene Band sind extrem wichtig, wenn du etwas erreichen und auch musikalisch wachsen willst. Wenn das jemand als Arroganz deutet, dann hat er einfach nicht verstanden, was es bedeutet Rock'n'Roll zu spielen und sein Herz und seine Seele einzubringen.