BOUNCING SOULS

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Punk ist Silber, sind sie Gold?

Ich bin mir sicher, dass es für jeden beziehungsweise jede mindestens eine Band gibt, die man als "speziell" bewertet, weil die Band in der Wahrnehmung des Menschen ganz besondere Züge hat. Eine Band, der ich eine spezielle Bedeutung beimesse, sind die BOUNCING SOULS. Für mein Gespür schafft es diese Band wie keine zweite, berührende Songs zu schreiben. Stücke, deren emotionaler Gehalt mich auf eine ganz bestimmte und schwer beschreibbare Weise anspricht und dazu führt, dass ich die Songs der Band schnell ins Herz schließe. Woran das liegt, das vermag ich nicht genau zu sagen. Vermutlich ist es das Zusammenspiel aus griffigen Hooklines, tollen Melodien und eingängigen Refrains, aus dem heraus meine spezielle Wahrnehmung des hochmelodischen Streetpunkrocks der Band entsteht. Stücke wie "True believers" oder "Anchors aweigh" sind in meinen Augen zeitlose Punkrock-Songs, denen trotz songwriterischer Einfachheit eine für mich außergewöhnliche Größe innewohnt. Nachdem das 2003er BOUNCING SOULS-Album "Anchors Aweigh" düsterer war, ist "The Gold Record", das neue Album der Band, munterer. Das Quartett aus New Jersey klingt hoffnungsvoller und weniger melancholisch als auf dem Vorgänger. Dennoch, gewisse nachdenkliche Momente sind geblieben, so dass sich etwas melancholischere Parts mit geradlinig-melodischen Punkrock-Elementen vereinen. Die BOUNCING SOULS erhalten sich damit ihren Ausnahmestatus und es wird wahrscheinlich eines der besten Punkrock-Alben des Sommers. Kurz vor Veröffentlichung sprach ich mit BOUNCING SOULS-Gitarrist Pete Steinkopf.


Pete, wie entstand "The Gold Record"?


Nachdem "Anchors Aweigh" erschien, tourten wir sehr viel und nahmen uns im Anschluss an die Touren eine Auszeit. Jeder von uns arbeitete an verschiedenen Dingen oder lebte einfach nur vor sich hin, bis wir uns im Sommer 2005 wieder zusammen rauften, um "The Gold Record" zu schreiben und aufzunehmen. Ab dann war es ein kollektiver Arbeitsprozess, zu dem wir alle unseren Teil beitrugen. Wir setzten uns keinerlei Druck aus und verspürten keine Erwartungen, die wir hätten erfüllen müssen. Alles in allem entwickelte sich das Album also recht automatisch und vor allem ohne jegliche Hektik.

Für mich präsentierte "Anchors Aweigh" die BOUNCING SOULS auf einem neuen Level, weil ihr auf dem Album den für euch bekannten Punkrock mit stark melancholischen Tönen vereint habt, was das Album toll machte. "The Gold Record" wirkt auf mich nun wie der nächste Schritt, der euch auf diesem Level ein Stück weiterführt. Wie siehst du das?

"Anchors Aweigh" entwickelte sich in der Tat zu einem sehr düsteren und melancholischen Album. "The Gold Record" stellt, und da stimme ich dir zu, den logischen nächsten Schritt dar. Denn mit diesem Album greifen wir wieder fröhlichere Themen auf und lassen somit unsere Songs wieder etwas lockerer und heiterer klingen, so wie auf unseren früheren Alben. Gleichzeitig findet man auf "The Gold Record" aber auch melancholische Momente, so dass es eine Brücke zwischen unserem letzten Album und seinen Vorgängern bildet, insgesamt aber mehr Hoffnung und Fröhlichkeit vermittelt. Unsere Alben stellen immer Momentaufnahmen dar, sie spiegeln wider, was zum Zeitpunkt der Arbeit an einem Album in unserem Leben passiert. Die Zeit um "Anchors Aweigh" war geprägt von weniger schönen Dingen, jetzt haben sich die Zeiten wieder zum Besseren entwickelt, so dass "The Gold Record" deutlich fröhlicher geraten ist.

Für das Album habt ihr mit "Lean on Sheena" ein tolles AVOID ONE THING-Cover aufgenommen. Das Stück ist noch nicht besonders alt und auch kein Punkrock-Klassiker, warum also dieser Song?

Weil wir diesen Song lieben. Ferner eignet sich die Songstruktur bestens, um dem Stück den für uns typischen Punkrock-Sound überzustülpen und ihm so einen deutlichen BOUNCING SOULS-Touch zu geben. Deswegen war es für uns unerheblich, dass das Original des Songs vor gerade einmal fünf Jahren erschienen ist. Dennoch hast du Recht, es ist kein Song, der einem als Klassiker oder Ähnliches ins Auge springt, wenn man nach ewas zum Covern geeigneten sucht.

Wie kam es zu dem Song "A letter from Iraq"?

Da muss ich etwas weiter ausholen und in der Antwort auch über unsere Website bouncingsouls.com sprechen. Also, alles fing damit an, dass wir in Deutschland auf Tour waren und in Schweinfurt ein paar dort stationierte amerikanische Soldaten trafen. Kurz danach flogen sie in den Irak, um dort eingesetzt zu werden. Diese Soldaten waren Punkrocker, BOUNCING SOULS-Fans. Da wir mit ihnen in Kontakt bleiben wollten, gaben wir ihnen unsere Adresse, so dass sie uns Briefe aus dem Irak schreiben konnten. Auf unserer Website eröffneten wir dann die "Letters from Iraq"-Sektion, in der wir die Briefe, die sie uns schrieben, veröffentlichten. Während sie nun im Irak waren, entwickelten sich alle von ihnen zu Gegnern des Krieges. Und jetzt, wo sie aus dem Irak zurück sind, sind alle von ihnen in Anti-Irak-Kriegs-Organisationen und versuchen, politische Arbeit gegen diesen Krieg zu leisten. Einen von ihnen trafen wir letztes Jahr, als wir an "The Gold Record" arbeiteten. Ihm erzählten wir, dass wir überlegten, einen Song zu schreiben, der das Thema Irak-Krieg behandelt. Uns fiel es schwer, einen geeigneten Text für den Song zu schreiben, weil wir nicht genau wussten, wie wir das Thema gerecht behandeln sollten. Als wir ihm das erzählten, bot er uns einen Text an, den er während seiner Zeit im Krieg geschrieben hatte. Seinen Text haben wir dann etwas an unseren Sound angepasst und so kam es zu dem Song.

Was meinst du damit, dass es euch schwer fiel, das Thema gerecht zu behandeln?

Es ist ein Antikriegs-Song und mir ist wichtig, dass du und alle anderen, die das Album hören, "A letter from Iraq" als solchen auffassen. Das ändert wiederum nichts daran, dass das, was die dort stationierten Soldaten erleben, mitunter harter Tobak ist. Uns ging es darum, die persönlichen Dinge, die die Soldaten dort erleben, zu beschreiben und daraus einen Antikriegs-Song entstehen zu lassen. Diese persönlichen Dinge konnten wir aber nur schwer selber schreiben, weil wir nicht dort waren. Daher eigneten sich die Worte, die der ehemalige Soldat geschrieben hatte, für den Song, weil sie die Erlebnisse sehr direkt und nachvollziehbar erzählen. Dass wir Schwierigkeiten hatten, die persönlichen Aspekte des Krieges einzufangen und daraus einen Antikriegs-Song entstehen zu lassen, das war mit meiner Aussage gemeint. Der Song soll aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass ich gewisse Dinge, die im Irak vorgehen, zum Beispiel die Geschehnisse in Abu Graibh, für abscheulich und ablehnenswert halte. Durch die Schilderung persönlicher Tragödien soll der Song ein Statement gegen diesen Krieg sein, das ist der einzige Zweck des Stückes.