LESS THAN JAKE

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What were you looking for, normality?

Ich erinnere mich noch sehr gut daran, wie mir ein guter Freund das "Cinema Beer Nuts"-Video von Hopeless Records, das Mitte der 90er erschienen sein muss, in die Hand drückte. Er wies mich auf eine neue, wahnsinnig gute Bands namens LESS THAN JAKE hin, die mit ihrem Videoclip "Automatic" auf dem Video zu sehen war. Damals steckte ich in der Primetime der Pubertät, liebte amerikanischen Melody-Punk und schloss LESS THAN JAKE auf der Stelle ins Herz. Zehn Jahre sind seitdem vergangen und in dieser Zeit hat sich mein Musikgeschmack zwar etwas verändert, die Alben, die LESS THAN JAKE während der zehn besagten Jahre veröffentlichten, gefielen mir aber immer gut. Die Band versteht es, Ska und Punkrock zu einer energischen Mischung zu fusionieren. Ihre spaßigen Stücke vermitteln eine angenehme Leichtigkeit, ihre melancholischen Songs sind oftmals mit einer gewissen Nachdenklichkeit beladen, so dass mich an dieser Band nicht nur ihre Catchyness und ihr Melodiegefühl, sondern auch das Gespür für Stimmungen begeistern. Und während "Borders And Boundaries", 2000, und "Anthem", 2003, eher melancholische LTJ-Alben waren, stellt "In With The Crowd", das neue Album des Fünfers aus Florida, wieder positive Stimmungen in den Vordergrund. Viele der zwölf Songs sind gelungene Ohrwürmer, die von der Catchyness und der Energie der frühen LESS THAN JAKE-Alben leben. Grund genug, einmal mit LTJ-Drummer und Fueled By Ramen-Labelboss Vinnie zu sprechen.


Vinnie, euer letztes Ox-Interview gab Budy, euer Posaunist, im Jahr 2000, als euer einziges Fat Wreck-Album "Borders And Boundaries" erschien. Kurz nach dem Release seid ihr mit BON JOVI auf Amerika-Tour gegangen, wie war das?


Du wirst lachen, es war lustig und hat mir eine Menge Spaß gemacht. Immer wieder konfrontieren mich Leute mit der provozierenden Frage, warum zum Geier wir eine solche Tour gefahren sind? Dem entgegne ich immer wieder, warum hätten wir es nicht machen sollen? Bei LESS THAN JAKE ging es von jeher darum, Dinge zu tun, die ungewöhnlich sind, Dinge, die niemand von einer Punkrock-Band erwartet. Die BON JOVI-Tour war eines dieser ungewöhnlichen Dinge, die LESS THAN JAKE gemacht haben. Unsere Split-Platte mit MEGADETH und die SLAYER-7", auf der die Songs rückwärts zu hören sind, sind weitere solche Dinge. Die BON JOVI-Tour war das absolute Gegenteil von den Touren, die wir normalerweise spielen. Das war cool und lustig.

Als "Borders And Boundaries" erschien, war die Geschichte im Umlauf, dass Fat Mike und du um das Album gespielt hättet, du verlorem hast und ihr deswegen das Album auf Fat Wreck machen musstet. Die Geschichte ist doch vollkommener Scheiß, oder?

Haha, ganz richtig. Die Geschichte stimmt nicht. Ich weiß, sie wurde in sehr vielen Interviews erzählt, fand daher ihren Weg in die Medien und wurde zu einem kleinen Mythos. Auf der Warped-Tour gibt es jeden Abend Pokerrunden, wo Bands gegeneinander spielen können. Mike und ich haben ein paar Mal gespielt, aber dass er Fat Wreck und ich unser damals kommendes Album einsetzten, ist völliger Quatsch. Irgendwer hat sich das als Scherz ausgedacht und es machte die Runde.

Euer neues Album "In With The Crowd" ist, nachdem ihr Fat Wreck verlassen habt, euer zweites für Warner. Im Gegensatz zu "Anthem", eurem Warner-Debüt, klingt es sehr viel frischer und energischer.

Danke, genau das wollten wir erreichen. Sowohl für "Borders And Boundaries" als auch für "Anthem" haben wir sehr viele Songs geschrieben, mehr als 30 pro Album. Das Problem mit beiden Alben war aber, dass wir diese 30 Songs geschrieben und nicht noch mal überarbeitet haben. Nachdem eine erste Songversion fertig war, änderten wir kaum noch etwas an ihr. Bei "In With The Crowd" sind wir anders vorgegangen und haben uns intensiver mit den Songs auseinandergesetzt und sie wiederholt überarbeitet.

Habt ihr dabei ein gewisses Ziel verfolgt?

Ja, "In With The Crowd" sollte in der Tradition früher LESS THAN JAKE-Alben stehen. "Losing Streak", ein frühes LESS THAN JAKE-Album, ist sehr catchy, energisch und melodisch. "Borders And Boundaries" sowie "Anthem" haben bei weitem nicht so viele Hooks und catchy Songparts. Auf "In With The Crowd" wollten wir zurück zu Songs, die von vielen Hooklines und Catchyness dominiert sind. Das war eine Maxime, die wir der Arbeit am Album zugrunde gelegt haben.

Dennoch ist das Album kein verspätetes "Losing Streak Vol. 2", dafür ist "In With The Crowd" zu versiert und zu vielseitig.

Das wollte ich auch gar nicht gesagt haben, sondern nur, dass wir uns beim Songwriting mehr an unseren frühen Alben orientiert haben, als bei "Borders ..." und "Anthem". In meinen Augen ist "In With The Crowd" eine Synthese aller LESS THAN JAKE-Alben. Das Album hat Züge von allen unseren Schaffensphasen.

Was mich im Zusammenhang mit "In With The Crowd" irritierte, ist, dass von Warner Music Watermarked-Vorab-CDs versendet wurden. Auf meiner CD steht mein Name und der Hinweis, dass jeder Song einen individuellen Code besitzt, so dass gegebenenfalls im Internet gefundene Songdateien auf mich zurückgeführt werden könnten ...

Entschuldige, dass ich dich unterbreche, aber ich sehe, dass du darauf hinaus willst, warum wir so etwas machen. Lass mich dir folgendes sagen: Ich stehe nicht dahinter und in meinen Augen verarscht Warner sich damit selber. Denn Warner Amerika versendete Watermarked-Kopien des Albums an sehr viele Leute, die niemals ein Album von uns hätten haben sollen. Da waren haufenweise auf Rap, Soul und R&B spezialisierte Musikläden und andere Institutionen dabei, die nichts mit LESS THAN JAKE zu tun haben. Warner hätte sich die Leute heraus suchen sollen, die für LTJ relevant sind, ihnen eine richtige CD schicken und fertig. Außerdem, durch die Stream-Funktionen im Internet kann sich jeder, der etwas PC-Knowhow hat, das Album ohnehin auf Festplatte ziehen, mp3s machen und sie ins Internet stellen. Von daher sind Watermarked-Kopien völliger Bullshit.

Bleibt die Frage, warum ihr das mit euch machen lasst?

Wir sind nun mal auf Warner und wir als LESS THAN JAKE können nicht die Vorgehensweise eines Konzerns verändern. Warner hat eine Rechtsabteilung, sie bestimmt diesen Umgang mit Pressekopien unserer Alben, auch wenn sie sich keinen Gefallen damit tun.

Bei Fueled By Ramen bist du selber Labelboss. Hat die Art, wie Labels mit dir als Musiker umgegangen sind, die Weise geformt, wie du als Labelboss mit deinen Bands umgehst?

Auf jeden Fall! Ich habe mit den FBR-Bands genau solche Diskussionen, wie LESS THAN JAKE - bei voller kreativer Kontrolle - mit Warner bei jedem neuen Album haben. Und ich finde das legitim, denn bei Fueled By Ramen bin ich der Geldgeber. Deswegen spreche ich oft mit den Bands darüber, in welche Richtung sie gehen wollen und wo ich die Band gerne gehen sehen würde. Ich steuere nicht die musikalische Ausrichtung der Bands, sondern äußere in Diskussionen nur meine Visionen und Wünsche. Weiterhin sind wir eines der wenigen Indielabels, das seine Bands bezahlt. Viele Indies verstecken gerne, dass sie ihren Bands keinen Pfennig zahlen. Und davon halte ich gar nichts.