YELLOW PRESS

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San Mateo - San Francisco - Regensburg

Auch wenn er kurz angebunden ist und nicht ernst bleiben kann - er ist irgendwie ein netter Kerl, der Steven L. Chamberlain. Chaotisch, aber liebenswert. Und irgendwie kennzeichnet das auch die Band, in der er spielt, die Band namens THE YELLOW PRESS, die so hip sein könnte, wenn sie es nur zuließe und sich selbst ein bisschen ernster nähme. Auf der anderen Seite ist es wahrscheinlich genau das, was das Quartett ausmacht, das sich so wenig um das schert, was angesagt ist, sondern lieber tut, was am meisten Spaß bringt. Kurz vor der ausgedehnten Europatour gibt es eine Menge, worüber geredet werden muss: über das erste Album namens "Comfortable Curses" beispielsweise, das kürzlich auf Day After erschienen ist; oder über Stevens Umzug aus dem angesagten San Francisco in das vergleichsweise beschauliche Regensburg an der Donau. Eben jener Herr Chamberlain beantwortete auch meine Fragen, wie gesagt, knapp und unernst, dafür aber überraschte er mit abstrusen Kenntnissen deutscher Sprache, Kultur, Geschichte und Geografie. Vor allem aber offenbarte er große Schwächen im Umgang mit dem Recht - wenn man ihm denn glauben darf.


So nebenbei: Was bedeutet eigentlich das "L." in deinem Namen?


Das "L" steht für "Lick it up", von der amerikanischen Rockgruppe KISS.

Okay, Steven "Lick it up" Chamberlain, wie ich gehört habe, ziehst du von San Francisco nach Regensburg. Normalerweise flüchtet man aus der Provinz in eine coole Stadt, so wie du einst aus San Mateo nach San Francisco, und nicht umgekehrt ...

Um ehrlich zu sein, die Band war meine Versuche leid, alles zu kontrollieren, und so sind wir zu dem Schluss gekommen, dass eine Fernbeziehung unseren Zwecken dienlicher wäre. Ich habe als kleiner Junge in Deutschland gelebt und fand, es wäre nun Zeit für einen neuen Versuch, zumal ich diesmal mehr Dingen frönen kann als nur Überraschungseiern. Was Provinzen und Metropolen angeht: Für mich ist keine Stadt cool, wenn sie nicht mindestens einmal Schauplatz eines Reichstags gewesen ist. Also da.

Und was ist mit der großen Entfernung zwischen dir und dem Rest deiner Band? Wie funktioniert das?

Die Proben werden weiterhin in San Francisco stattfinden, mit Hilfe einiger Roboter, die wir letzten Sommer gebaut haben. Tourneen werden wir vermutlich persönlich spielen müssen, aber wir arbeiten auch da an einer Lösung.

Und wie wirst du dich im fremden Land verständlich machen?

Ich schätze, ich muss einfach laut genug sprechen, wie denn sonst, (dann auf Deutsch:) Hast du 'ne Meise?

Euer Debüt in Deutschland bestand aus einer Zusammenstellung früherer EPs auf X-Mist. Wie kam es dazu?

Unsere ersten beiden EPs lagen ungefähr ein Jahr lang in den USA gerichtlich unter Verschluss. Ich bin unwissentlich einen mündlichen Vertrag mit einer Managerin von Pink eingegangen ... wahrscheinlich wollten die ein paar Punk-Punkte für irgendein Sublabel sammeln. Dieser mündliche Vertrag hat es für uns unmöglich gemacht, in den USA etwas zu veröffentlichen. Na ja, die anderen aus der Band haben mir keine Vorwürfe gemacht: die Managerin war ziemlich hübsch, und ich ziemlich betrunken.

Und wie ist der Abend mit der Managerin ausgegangen?

Ich bin nicht befugt, über diese Liaison zu reden.

Aha ... Nachdem ihr eine lange Zeit nach einem Label gesucht habt, seid ihr nun auf Day After gelandet. Wie kam das?

Das war pures Glück. Ich glaube Niels, unser Booker von Selma Booking, hatte da seine Hände im Spiel, indem er Mira unsere Musik vorgestellt hat. Wie auch immer, es ist natürlich eine riesige Sache für uns.

"Bad blood" ist ein Song, der es von euren frühen EPs aufs Album geschafft hat, allerdings in einer anderen Tonart. Wieso diese Entscheidung?

Aufgrund einiger juristischer Vorkommnisse in der Vergangenheit sind wir nun verpflichtet, "Bad blood" auf allen unsere zukünftigen Veröffentlichungen zu platzieren. Ich habe den Fehler gemacht und bin im Studio vom ursprünglichen Text abgewichen. Unglücklicherweise habe ich ein paar Worte aus einem Song von Kool Keith gesungen. Keiths Anwälte sind eingeschritten, und deshalb ist "Bad blood" auf unserem letzten Album.

Ich finde, eure Songs sind mit der Zeit immer eingängiger geworden. Entwickelt ihr euch weg von der Punk-Attitüde?

Was das Songwriting angeht, gehen wir dahin, wo das Geld ist. Wenn Klaus Meine vor dir steht und dir sagt, du sollst noch einen Refrain vor die Strophe packen, dann kriegt Herr Meine seinen verdammten Refrain. Verstehst du, was ich meine?

Offenbar seid ihr recht erfolgreich hier in Europa, möglicherweise sogar erfolgreicher als in deiner früheren Heimat. Kannst du das bestätigen?

Ich denke, ganz gut läuft es in der Gruppe der fünfundvierzig- bis sechzigjährigen der gemäßigten Pop-Demographie. Aber sogar unter diesen sind wir nur in Esslingen wirklich berühmt. Ich bin mir ziemlich sicher, außerhalb von Esslingen kümmert sich kein Arsch um uns.

Mir scheint, du stehst innerhalb der Band und in deren Außendarstellung stark im Mittelpunkt. Ist die Band dein Baby?

THE YELLOW PRESS ist das Baby einer gewissen Mrs Esmerelda Merryweather aus El Cerrito, Kalifornien. Tausend Dank, Esme.

Meine letzte Frage: Meintest du das alles ernst?

Absolut.

Na, vielen Dank. Das war ja ungeheuer aufschlussreich.