SPEAR OF DESTINY

Foto

Do you believe in the westworld?

Die Geschichte von Kirk Brandon beginnt in den frühen achtziger Jahren mit THEATRE OF HATE, einer Band, die von Paul Lester, dem stellvertretenden Herausgeber des Uncut Magazine, einst als "missing link between THE CLASH and JOY DIVISION" bezeichnet wurde. Deren Album "Westworld" schaffte es 1982 in die britischen TOP 20 und die Band spielte im Vorprogramm von U2 im Wembley-Stadion. Aus jener politisch geprägten Post-Punk-Band, deren Gitarrist Billy Duffy sowie der 1991 verstorbene Drummer Nigel Preston nach der Trennung von THEATRE OF HATE bei THE CULT aufschlugen, entstand 1982 SPEAR OF DESTINY: mit Kirk Brandon als James Dean - so wurde er seiner Zeit auf der Titelseite einer Ausgabe des NME geadelt - der aufkommenden Gothic- und Wave-Clique. SPEAR OF DESTINY hatten weitaus mehr Pop-Appeal vorzuweisen, mit teilweise Soul- angehauchten Background-Sängerinnen wie im Song "All my love", ohne ihre politische Grundhaltung zu vernachlässigen. Der Song "Mickey" widmete sich beispielsweise der Problematik des Falklandkrieges. Die Musik war und ist geprägt durch Kirk Brandons signifikante Stimme. Anfang der neunziger Jahre war Brandon dann erneut unter dem Ticket THEATRE OF HATE unterwegs, veröffentlichte in der Folge auch Solo-Platten. Ende 2005 erschien das nunmehr zehnte SPEAR OF DESTINY-Album, "Loadestone", auf Brandons eigenem Label Eastersnow. Im Frühsommer tourte Brandon zusammen mit GENE LOVES JEZEBEL durch Deutschland. Grund genug, ihm ein paar Fragen zu stellen.


Paul Lester betonte einmal in den Linernotes zu einer SPEAR OF DESTINY-Compilation die Parallelen des Übergangs von JOY DIVISION zu NEW ORDER zu der Entwicklung von THEATRE OF HATE zu SPEAR OF DESTINY. Gibt es für dich Ähnlichkeiten in der Entwicklung der genannten Bands? Ich frage auch vor dem Hintergrund deiner Coverversion von "Transmission" von JOY DIVISION - oder sollte ich Hommage sagen? -, die sich auf deinem neuen Album "Loadestone" findet. Was hat dich dazu inspiriert?

Nun, beide waren Post-Punk-Bands, die natürlich auch zur gleichen Zeit aktiv waren. Ich denke aber, was sie wirklich verbindet, ist, dass sie nicht einfach nur Bands waren, sondern für eine sehr charakteristische Lebenseinstellung standen. Es klingt sicherlich nicht übertrieben, wenn ich sage, beide Bands standen auch für ein hohes Maß an Authentizität und Glaubwürdigkeit. Glücklicherweise konnte auch eine stets zu Verfälschungen neigende Musikindustrie - gerade in diesen beiden Fällen - das Wahrhaftige nicht demontieren. Überzeugung ist nun gerade etwas, was man nicht herstellen oder gar kaufen kann. Ein oder zwei Jahre nach dem traurigen Tod von Curtis beschäftigte ich mich sehr intensiv mit dem Werk von JOY DIVISION. Insofern ist die Coverversion von "Transmission" ein Tribut an JOY DIVISION und soll die Erinnerung an diese Band am Leben erhalten.

Ich habe gehört, Peter Hook von NEW ORDER spielte "Transmisson" in seiner Radiosendung in Manchester und war wohl sehr begeistert von deiner Interpretation. Das muss dich sehr stolz machen?

Ja, er spielt sie ab und an und natürlich macht mich das sehr glücklich und ich bin stolz darauf. Ich habe in dem Stück ein abweichendes Intro und Outro verarbeitet, musste aber feststellen, dass mir der Gesangspart nicht leicht von der Hand gegangen ist. Letztlich habe ich ein Shure 58-Mikro verwendet und den Gesangspart live im Studio aufgenommen.

Zur Erklärung: Das Shure SM 58 ist ein dynamisches Mikrofon für Lead- und Back-up-Gesang bei Live-Auftritten mit einem integrierten Filter, der Atem- und Windgeräusche verhindert.

Genau. Und Chris Bell, der Original-Drummer von SPEAR OF DESTINY, hat eine Art Verschmelzung verschiedener Drumbeats von JOY DIVISION eingespielt. Das Ganze wurde direkt und ohne Nachbearbeitung auf Band produziert. Natürlich klingt das anders als beim Original, aber so wollte ich es auch. Ich wollte keine Kopie des Gesangsparts von Ian Curtis - letztlich wäre ich sowieso nicht an das Original herangekommen. Immerhin, die JOY DIVISION-Fansites äußerten sich sehr positiv zu dieser Version und das sind ja vermutlich die schwierigsten Kritiker.

Es gibt Gerüchte, dass die KAISER CHIEFS sich ganz offen zu SPEAR OF DESTINY als einen zentralen Einfluss bekennen, obgleich ich keine großartigen Ähnlichkeiten wahrnehmen kann. Bist du damit glücklich?

Sowohl die KAISER CHIEFS als auch THE BRAVERY benennen SPEAR OF DESTINY als einen zentralen Einfluss. Natürlich ist das in Ordnung, wenn sie sich hierzu berufen fühlen, und ich empfinde es als normal, wenn diese jüngeren Bands ihre Einflüsse offenbaren, obgleich ich letztlich der Auffassung bin, dass wir doch unterschiedlich sind. Generell sollte man aus seinen Inspirationsquellen keinen Hehl machen. Offensichtlich gibt es gegenwärtig ein neues Interesse an SPEAR OF DESTINY und Teil dessen ist wohl auch, dass wir in diversen Credits jüngerer Bands auftauchen.

Vor einigen Jahren warst du mit Belinda Carlisle - unter anderem Sängerin bei THE GO-GO's - auf Tour, was ich, um ehrlich zu sein, merkwürdig fand. Und nun tourst du mit deinen musikalischen Zeitgenossen GENE LOVES JEZEBEL. Wie seid ihr zusammengekommen?

Die Sache mit Belinda Carlisle kam zustande, weil wir bei der gleichen Konzertagentur waren und der Agent dies für eine gute Idee gehalten hat. Merkwürdig? Ja, definitiv merkwürdig. Auf einmal stand ich auf großen Bühnen vor einer Vielzahl von Leuten, die vermutlich eher weggelaufen wären, anstatt sich mit den tendenziell dunklen Inhalten meiner Songs zu beschäftigen. Ich denke, für die war ich lediglich eine Art Verrückter - bizarr und durchgeknallt. Man sollte das vermutlich besser nicht mehr erwähnen. GENE LOVES JEZEBEL sind alte Freunde von mir und wir teilen uns den gleichen Drummer, Chris Bell. Es ist großartig mit ihnen auf Tour zu sein. Jay Ashton von GENE LOVES JEZEBEL ist ein sehr humorvoller Mensch, irgendwie mit der Attitüde einer Fernsehpersönlichkeit, der die anderen ständig zum Lachen bringt. Vielleicht werden wir eines Tages wieder mit ihnen durch Deutschland touren.

Unumstritten ist wohl, dass Mick Jones bei seinen Produktionen für THE LIBERTINES gute Arbeit geleistet hat, aber zu Zeiten von THEATRE OF HATE waren wohl einige Fans etwas enttäuscht von seiner Arbeit dort. Es wird oft konstatiert, dass Mick Jones einige der Dub-Effekte und Ideen von eurem Album später bei seinem Projekt BIG AUDIO DYNAMITE wieder verwendete. Wie wichtig ist es dir, einen "typischen" SPEAR OF DESTINY-Sound hinzubekommen?

THEATRE OF HATE waren live eine wirklich wilde Band - dunkel und archaisch auf der einen Seite, andererseits hatte die Band auch ihre schönen Momente. Letztlich bestimmte auch eine Vielzahl destruktiver Elemente ihr Erscheinungsbild. Aber für einen wirklich kurzen Moment waren wir möglicherweise die wichtigste Band in England. Wir stiegen wie eine Rakete auf, um anschließend wie ein gefallener Engel wieder auf der Erde aufzuschlagen - nicht jeder überlebt das. Mick Jones von THE CLASH produzierte beide Alben von THEATRE OF HATE, sowohl "Westworld" als auch "Aria Of The Devil". Er machte damals so viele neue Sachen, verarbeitet Filmsoundtracks in Songs, hantierte mit Dub-Effekten und spielte Loops gleichzeitig vor- und rückwärts ein. Heute mag das alles normal sein, damals war er damit seiner Zeit weit voraus. Unendlich viele Leute haben das kopiert. Vieles davon findet sich in der Tat wieder auf seinem Debütalbum mit BIG AUDIO DYNAMITE - im Übrigen ein ganz hervorragendes Album. Was den Sound von SPEAR OF DESTINY anbelangt, überlasse ich das meist dem Zufall, weil ich etwas Neues nicht mit einer klar strukturierten Vorstellung im vornherein bestimmen und festlegen will. Es kommt wie es kommt - ob gut oder schlecht. Mit "Loadestone", dem neuen Album, bin ich sehr glücklich, weil sich hier viele Aspekte vereinen. Obgleich viele der Auffassung sind, dass es ein sehr dunkles Album geworden ist, teile ich diese Einschätzung nicht. Ich denke, die Songs haben einfach eine gewisse Direktheit und Authentizität. Es ist wohl das beste Album, das ich je gemacht habe. Letztlich sollen das aber andere beurteilen.

Songs wie "Rebel without a brain", "Do you believe in the westworld?" oder "Propaganda" - ein Stück, welches sich, so hast du es einst formuliert, mit einer Art "Pavlov's dog"-Reflex in Bezug auf die Massenmedien beschäftigt - sind sehr politisch geprägt. Welche zeitgemäßen politischen Inhalte beeinflussen dich und wie finden sie Eingang in deine Texte?

Es lohnt, sich darüber Gedanken zu machen, dass viele Science-Fiction-Autoren Vorhersagen getroffen haben, die sich im Nachhinein bewahrheitet haben. Wir haben gegenwärtig die Stufe einer rein unternehmerisch geprägten Realität erreicht und bewegen uns in einem Endstadium, das durch Kriege um knappe Ressourcen geprägt ist - all das hat ein beängstigendes Ausmaß erlangt. Die Kriegstreiber vermitteln uns den Eindruck, dass Kriege in der Zukunft niemals enden werden. Die Medien wollen uns immer noch glauben lassen, dass der Krieg im Nahen Osten zu "gewinnen" ist und moralisch legitimiert und richtig ist. Einige Regierungen agieren hier völlig autonom und willkürlich. Welches Jahr schreiben wir denn eigentlich? "1984"? Für mich ist "Palestine", ein Stück über die Menschen im Nahen Osten, der politischste Song auf "Loadestone". Natürlich machen mir diese Entwicklungen auch Angst, aber ich versuche sie auch auszublenden. Letztlich ist es doch so: entweder du verdrängst oder du wirst konsequent, greifst zur Waffe, um dich für eine Sache stark zu machen - mit dem Risiko selbst darin umzukommen.

In den letzten Jahren gab es viele Reunions - beispielsweise die von GANG OF FOUR -, die meiner Einschätzung nach ein wenig den Umstand widerspiegeln, dass viele junge Bands wie beispielsweise FRANZ FERDINAND, MAXIMO PARK oder die ARTIC MONKEYS sich auf die Wurzeln von Post-Punk berufen und sich im Geiste der Genre-Protagonisten wie JOY DIVISION, GANG OF FOUR, THE CHAMELEONS oder eben SPEAR OF DESTINY sehen. Böse Zungen sind da schnell mit dem Vorwurf des simplen Plagiats unterwegs. Siehst du das ähnlich?

Ich denke, jeder sollte seine Entfaltungsmöglichkeiten haben. Wenn du etwas darstellen oder jemandem nacheifern willst, meinetwegen, da kann ich nur sagen: "Well go ahead punk ... a working class hero is something to be".

Dein neues Album "Loadestone" ist auf deinem Label Eastersnow erschienen. Wie ist es dazu gekommen?

Wir haben mittlerweile sehr viele von unseren Sachen auf dem Label veröffentlicht - es ist natürlich ein Label, das dem Independent-Gedanken geschuldet ist. Es erlaubt uns einfach, mit einem anderen Freiheitsgrad zu arbeiten und an die Projekte heranzugehen.

THE CULT haben sich vor Jahren etwas zurückgezogen. Ich habe die weitere Entwicklung deines ehemaligen - zu Zeiten von THEATRE OF HATE - Wegbegleiters Billy Duffy nicht weiterverfolgt. Ian Astbury ist vor kurzem noch mit Mitgliedern von THE DOORS auf Tour gewesen und hat den Gesangspart von Jim Morrison übernommen. Bist du mit Billy noch in Kontakt? James Stevenson - Gitarrist bei GENE LOVES JEZEBEL - hat ja auch bereits als Tour-Gitarrist mit THE CULT gearbeitet.

Billy und Ian sind immer noch Freunde. Billy war kürzlich mit mir auf Tour und zwar mit dem Projekt DEAD MEN WALKING. Wir spielten einige Songs von THEATRE OF HATE und es war einfach großartig, wieder mit Billy auf Tour zu sein. Mittelweile sprechen wir sogar über eine THEATRE OF HATE-Tour im nächsten Jahr anlässlich des Erscheinens von "Westworld" vor 25 Jahren. Und was den alten Gauner James Stevenson anbelangt, der hat doch schon bei so vielen Bands gespielt: THE CULT, GENE LOVES JEZEBEL, THE ALARM und CHELSEA.

Gibt es Pläne für die Zukunft?

Gegenwärtig genieße ich es mehr denn je, Songs zu schreiben und auf der Bühne zu stehen. Es sieht so aus, als ob wir im September mit einer anderen Band wieder in Deutschland auf Tour sein werden. Die Reaktionen hier waren großartig und es war ohnehin lange überfällig, hier wieder live zu spielen. Wir bekamen so viel positive Resonanz. Vermutlich werden wir Anfang September einige Shows in den Staaten spielen - also, uns stehen bewegte Zeiten bevor.