COUNTRY TEASERS

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Arroganz, Gemeinheit, Feindseligkeit

Sie waren einst die vielleicht untypischste Band für Crypt Records, mit ihrem besoffenen Mix aus Country & Western und THE FALL. Wenn ich auch finde, dass sie von ihrer Attitüde her irgendwie doch ganz gut auf das Label gepasst haben ... Frontmann Ben E. Wallers, der mir auch die Fragen beantwortete, ist jedenfalls ein etwas kauziger, aber durchaus sympathischer Anzug und Cowboyhut tragender Zeitgenosse, der die Strukturen der Welt meiner Meinung nach um einiges mehr geblickt hat, als so manche im Klischee dahindümpelnde Punkrockband. Nach einer kurzen Station bei Fat Possum sind die COUNTRY TEASERS nun schon etwas länger bei dem Götterlabel In The Red Records gelandet, wo vor kurzem ihre neue Platte erschienen ist. Und da ich nicht nur finde, dass sich diese wunderbar in ihre bisherigen coolen Veröffentlichungen einreiht, sondern auch Mr. Wallers tiefschwarzen, Fragen aufwerfenden Humor mag, habe ich genau das gemacht: Fragen gestellt ...



Ben, ich denke, viele der Leser werden euch bestimmt gar nicht kennen, also: Stell dich, euch doch erst einmal vor.


Die COUNTRY TEASERS starteten 1993 und wurden durch einen Fehler von Crypt Records gesignt. Crypt war das einzige Label, an das ich ein Demo geschickt hatte. Ich wusste nicht, dass sie ein Retro-Garagepunk-Label waren, war aber froh, dass sie Jon Spencer rausgebracht haben, der zu der Zeit mein Held war. Ich entwickelte die CT nach dem Konzept von PUSSY GALORE.



Meist wird eure Musik als eine Mischung aus Country &Western und THE FALL bezeichnet, was ich generell auch ganz treffend finde. Wie zum Teufel kommt man auf so eine Kombination? Und ist dieser verstimmte, besoffen klingende Sound eigentlich Absicht?

PUSSY GALORE! Ich bin auf THE FALL gestoßen wie auf einen Zug, es brannte sich in mein Unterbewusstsein, war mein wichtigstes Musikgenre. Genau wie C&W, Hardcore, Funk, Rap und Gothic ist auch THE FALL ein musikalisches Genre - ich übertreibe dabei nicht. Und dann bin ich 1992 irgendwie an C&W geraten. Ich war besessen von Tammy Wynette und Dolly Parton, sogar von Johnny "Klischee" Cash, Okay, er ist noch großartig geworden, aber in seiner Glanzzeit war er ein lebendiges, festgefahrenes Klischee, musikalisch gesehen. Dann machte mir ein Typ namens Rob Utley ein Tape mit der CARTER FAMILY, THE MILLER SISTERS und anderem alten Kram, und ich war wirklich gefangen von Countrymusik. Ich sah eine Verbindung zwischen THE FALL, PUSSY GALORE und Country: Die Geschichte des Rock'n'Roll. Von der Melodie her sind die Riffs, die ich mag, wie Country-Riffs - alt, aber schwierig. Dieses verstimmte Zeug ist ein Versehen. Wir haben die Instrumente im Studio nicht wirklich gestimmt. Ich habe das Studio gehasst, war nicht in meinem Element. Wenn ich mit THE REBEL aufnehme, sind die Instrumente immer gestimmt, es sei denn, ich will einen Effekt, der wie verstimmt klingt. Diese CT-Alben sind alle Fehler, es ist ihre eigene Schuld, nicht ein bewusstes Vorhaben von mir. Sie haben sich selbst gemacht, nicht ich sie.



Eure neueste Platte auf ITR habt ihr nicht zu Hause in Großbritannien, sondern in einem Studio in den Staaten aufgenommen. Warum so ein weiter Weg?

Tja, wir kennen dort einfach mehr Leute, weil wir eben immer auf amerikanischen Labels waren. Fat Possum waren die ersten, die uns dafür bezahlt haben, durch die Staaten zu touren. Eine Booking-Agentur namens Kork waren auch Fans von uns. So haben sie die Kräfte vereint, und plötzlich waren wir eine amerikanische Band. Ich meine, ich hab immer mit einem amerikanischen Akzent gesungen, die Musik wurde sowieso in Amerika erfunden. Wir schauten uns nach einem netten Studio um, billig, wo wir übernachten konnten. Die Gegebenheiten waren genau das Richtige. Und es war in einer ruhigen Stadt, wo wir nicht abgelenkt werden konnten: Portland, Oregon.



ITR ist das erste Label, bei dem ihr mehr als zwei Alben rausgebracht habt. Seid ihr zu schwierig oder verkauft euch zu schlecht?

PUSSY GALORE! Wir verkaufen nicht genug Platten. In The Red haben sich gedacht, dass unsere Musik es trotzdem wert ist, rausgebracht zu werden. Larry Hardy macht seinem Beruf alle Ehre ... Aber ich denke nicht, dass wir schwierig sind. Wir sind vielleicht nicht professionell genug, ein bisschen faul und ein bisschen ignorant, was das Musikbusiness betrifft.



Verfolgst du mit den CT ein bestimmtes Konzept, eine bestimmte Idee? Was inspiriert dich? Eure Musik scheint mir oft wie eine musikalische Verweigerungshaltung ... Was hältst du von aktueller Undergroundmusik, Punk, Garage und so weiter? Und, welche Musik magst du?

PUSSY GALORE, yeah! Das Konzept ist Arroganz, Gemeinheit, Feindseligkeit, sein Publikum zu befremden, diejenigen einzuschüchtern, die man hasst, die Hassenden, die Spießer. Aber auch Selbsterniedrigung, seine eigenen Fehler zu enttarnen, geerbte Fehler des Reichs zu offenbaren, das in uns selbst enthalten ist. Ich bin inspiriert von all dem verschiedenen Zeug, das ich mir anhöre. Wenn ich mir beim Geschirrspülen LED ZEPPELIN anhöre, stelle ich mir, ganz davon eingenommen, vor, die ersten drei Songs live zu spielen. Ich mag zum Beispiel DATBLYGU, eine walisische Band, die BUTTHOLE SURFERS, SUPERTRAMP, ASSOCIATES, ABBA, BRAINBOMBS, BEATLES, CAPTAIN BEEFHEART, CAREY'S PROBLEM, THE CRAMPS, CARTER FAMILY, CHROME, DAF, Dizzee Rascal, DURAN DURAN, DEERHOOF, Eno, EURYTHMICS, THE FALL, FRANKIE GOES TO HOLLYWOOD, GORKY'S ZYGOTIC MYNCI, HAPPY MONDAYS, INK SPOTS, JOY DIVISION, KILLING JOKE, THE KINKS, LED ZEPPELIN, Ligeti, Morrissey, Colin Newman, Ol' Dirty Bastard, PINK FLOYD, QUASIMOTO, RESIDENTS, ROLLING STONES, RANCID HELLSPAWN, SIOUXSIE & THE BANSHEES, THE SHADOWRING, TALKING HEADS, ULTRAMAGNETIC MCS, VELVET UNDERGROUND, WINGS, X-MAL DEUTSCHLAND, YAZOO, THE ZOMBIES.



Bei jeder eurer Platten gehen mir einige Fragen durch den Kopf. Wie zum Beispiel stellst du auf "Empire Strikes Back" den Zusammenhang zwischen der "Star Wars"-Trilogie und Rassismus her? Bist du "Star Wars"-Fan?

Der Titel des Albums kommt von dem Foto auf der Plattenhülle. Ich war amüsiert darüber, dass ein Essayband über Rassismus sich nach dem Titel des "Star Wars"-Films benannt hat, ohne ihn auch nur einmal im Inhalt zu erwähnen, ohne um Erlaubnis zu fragen, ohne Quellenangabe. Nichts. Als ob das Buch die Existenz dieses gewaltigen Biests verschweigen wollte. Ich liebe die "Star Wars"-Filme. Es gibt eine simple Analogie, die zwischen "The Empire" und dem Königreich, zum Beispiel dem britischen, dem viktorianischem Überbleibsel besteht. Man kann es auch mit "Amerika versus Islam" in Verbindung bringen. Mein Lied "Mos E17ley" ist eine humoristische Referenz an die ethnische Vielfalt der Leute in meiner Nachbarschaft, vergleichbar mit der Kantine in der Stadt Mos Eisley in "Star Wars I". Sie sind eigentlich fast alle Inder, aber es ist dort wirklich gemischt und ziemlich fröhlich, oder jedenfalls war es so, als ich in Walthamstow gelebt habe. Die Postleitzahl ist E17. Ja, es ist ein schönes Beispiel für Integration, doch zu einer anderen Zeit oder anderswo in London ist es nicht so. Ich bezweifle sogar, dass Integration möglich ist. Bestimmte Arten von religiösen Gläubigen wollen heutzutage eine Trennung. Vielleicht haben sie ja Recht ... Kennst du viele schwarze Menschen? Ich hab das Gefühl, dass eigentlich niemand Integration will. Ich will sie schon, denke aber nicht, dass die Menschen bereit dazu sind. Warum zum Teufel werden Kinder getrennt? Jungs und Mädchen sollten von der Geburt an zusammen sein ...



Deine Texte haben meist einen sehr, ähm, schwarzen Humor, sind alles andere als p.c., sondern eher, na ja, sagen wir misanthropisch. Habt ihr noch nie Probleme mit irgendwelchen politischen Gruppen oder so bekommen?

Ich hatte dieses Problem noch nie. Die Leute wissen, dass ich Ironie benutze, oder dass ich einen Standpunkt gegen Rassismus, Sexismus und so weiter einnehme. Nur Leute, die nicht wirklich ein Gehirn haben, denken, ich sei ein Nazi. Nun, ich weiß nicht, vielleicht sprechen sie auch einfach nicht mit mir.



Was sagst du zu Leuten, die euch vorwerfen, bloß beschissene Kunststudenten zu sein, die beschissene Kunststudentenmusik machen?

Nun, ich kann mich nicht wirklich beschweren: Ich stehe auf Kunst, beschäftige mich ernsthaft mit Musik, nicht als Massenunterhaltung. Ich mag es lieber, wenn Dinge kompliziert sind. Ich mag Künstler viel lieber als Nichtkünstler ... Sie tendieren dazu, eine offenere Weltsicht zu haben. Wenn ich noch einem Euro-Punk begegne, der "das ist kein Punkrock!" über DEPECHE MODE, Elton John oder was ähnlich Gutes, Besseres als Punkrock sagt, der übrigens scheißlangweilig ist, werde ich ihn töten.



Wann kommt ihr noch mal auf Tour? Euch auf deutschen Bühnen zu sehen, ist ja so was wie eine Rarität ...

Wir sollten bald nach Berlin kommen, bloß der Drummer und ich, unter dem Namen THE REBEL. Schaut auf unsere Website, wo auch die COUNTRY TEASERS vertreten sind.



Du hast gerade dein Nebenprojekt THE REBEL erwähnt. Was gibt es sonst darüber zu berichten?

Nun, das sind nur ich und der Drummer, wir spielen aber dieselbe Musik, wie ich sie immer für die COUNTRY TEASERS schreibe. Es ist also ähnlich, bloß mit weniger Leuten. Wir spielen etwas mehr neuere Stücke. Und der Synthie ist sehr wichtig, Wir spielen mit Drums, Synthesizer, Gitarre und Gesang. Ich bin seit 1997 THE REBEL. Ich nehme Alben auf und dann spielen die COUNTRY TEASERS davon die besten Songs. So läuft das. Die COUNTRY TEASERS sind für mich also eigentlich das Nebenprojekt von THE REBEL.



Die Schlussfrage: Möchtest du wirklich jedes menschliche Leben zerstören, wie öfter schon mal textlich erwähnt?

Ja. Es ruiniert die Welt. Schau dich mal um und betrachte die Schönheit der Natur. Sie ist viel schöner als die Menschheit, aber die Menschheit droht, sie zu zerstören. Wer verdient, zerstört zu werden?! Nun, wir werden sehen. Vielleicht wird das Gute im Menschen das Schlechte überwinden. Aber es sieht nicht sehr hoffnungsvoll aus. Sie sind alle solche Wichser! Und ich bin einer von ihnen.