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Über Musik mit und ohne Seele

Die fünf Jungs aus Seattle verwirklichen seit 2004 konsequent ihren Plan, der geregelten Arbeit zu entkommen, und zwar so erfolgreich, dass ihr zweites Album "Disconnecting" prompt bei dem Traditionslabel Revelation veröffentlicht wurde. Leute, die Hardcore gerne melodisch mögen, Fans von GO IT ALONE oder IN MY EYES, sollten weiter lesen.

Wie fühlt es sich an, als Junge auf der Bühne zu stehen?

Andy (Drums):
Es ist okay. Ich sehe da keinen Unterschied.

Dan (Vocals): Um ehrlich zu sein, ich verstehe die Frage nicht. Was bedeutet das?

Es werden sehr viele weibliche Musikerinnen gefragt, wie es sich anfühlt, auf der Bühne zu stehen.

Dan:
Das ist eine dumme Frage. Also ein Mädchen zu fragen, wie es sich auf der Bühne als Mädchen fühlt. Es ist egal, ob du ein Mädchen oder ein Junge bist. Jetzt verstehe ich, warum du die Frage gestellt hast.

Was bedeutet Hardcore für euch? Alle reden darüber, aber ich möchte eine Definition haben.

Dan:
Hardcore bedeut ... uhm was für eine komische Frage. Hardcore ist die Musik, die ich gehört habe, als ich aufgewachsen bin. Hardcore ist diese harte, schnelle Musik wie Punkrockmusik, die von ein paar weißen Vorstadt-Kids gespielt wird.

Männlichen weißen Vorstadt-Kids?

Dan:
Ja, genau, haha. Ich sehe keinen großen Unterschied zwischen Hardcore und Punk. Es ist harte, energiegeladene, angepisste Musik, die der Person etwas bedeutet, die sie schreibt. Ich glaube, du kannst eine Menge Sachen "Hardcore" nennen, aber es hängt davon ab, wie du dich innerlich fühlst. Ich bin in einer Hardcore-Band, weil die Musik, die ich mache, sich nach Hardcore anfühlt.

Okay. Ich habe gehört, dass Collin, euer Gitarrist, keine Musik hört ...

Dan:
Neben meiner Familie kenne ich Collin am längsten. Der Mann hört zwar Musik, aber er hört Musik ohne Seele.

Was ist denn Musik ohne Seele? Ich nehme an, es ist kein Hardcore?

Dan:
Das ist Musik, die du hörst und vergisst. Du kannst dir alles anhören und es ist einfach egal.

Andy: Collin ist einfach gestrickt. Er schläft gerne, mag Brot und Fleisch.

Danny, ich habe gehört, dass du Probleme mit deiner Stimme hattest und etwas dagegen tun musstest?

Danny:
Ich bin nicht besonders clever und habe nicht sehr gut auf meine Stimme aufgepasst. Bevor du anfängst zu singen, solltest du deine Stimme ordentlich aufwärmen und nicht solche Dinge machen, wie viel Softdrinks oder Kaffee trinken. Aber ich habe das gemacht. Wir waren auf Tour und haben ungefähr 45 Shows gespielt. Ich kam nach Hause und hatte kaputte Stimmbänder. Ich habe dann für ungefähr ein oder zwei Monate aufgehört zu sprechen. Einer meiner Freunde, Greg Benneck, musste eine lange Therapie deswegen machen und er hat mir sehr geholfen.

Wie sieht das bei dir aus, Andy? Hast du mal probiert zu schreien?

Andy:
Ja, aber ich bin da total schlecht drin. Deswegen habe ich mich für die Drums entschieden. Der Monat, in dem Danny nicht gesprochen hat, war einer der besten in meinem Leben.

Ihr seid aus Seattle. Du hast es ja bereits gesagt, die Deutschen hassen NIRVANA?

Dan:
Nein, das hab ich nicht so gesagt, wir wollten eigentlich ein NIRVANA-Cover spielen, aber die Leute waren davon nicht so angetan, also haben wir es gelassen.

Warum spielt ihr dann in einer Hardcore-Band, wenn Grunge so gut ist?

Dan:
Erstens, weil es gar nicht mehr populär ist, und zweitens mag ich Grunge zwar, aber ich fühle dabei nicht das, was ich bei Hardcore fühle. Deswegen habe ich mich dazu entschlossen, diese Musik zu spielen, weil für mich keine andere Musik diese Intensität erreicht. Außerdem ist es nicht so schwer, in einer Hardcore-Band zu singen, ich bin nicht der beste Sänger, wie man hören kann, und hätte einfach keinen guten Grunge-Sänger abgegeben.

Ihr seid das erste Mal auf Tour hier, habt ihr denn schon Groupies gesehen?

Andy:
Ich hab keine gesehen.

Dan: Wir touren zum vierten Mal mit SHOOK ONES und keine der beiden Bands hatte Groupies. Vielleicht bei den größeren Bands ...

Wann werdet ihr mit dem Scheiß hier aufhören?

Dan:
Hast du gesagt "mit dem Scheiß"? Wow.

Ja, ihr wisst schon, Zeit erwachsen zu werden und so.

Dan:
Hoffentlich nicht so bald, aber an irgendeinem Punkt werden wir es wohl müssen. Ich habe alles gemacht, wie ich es tun sollte. Ich bin zum College gegangen, habe es zu Ende gebracht und ich finde, ich habe es mir verdient, ein wenig zu touren und nicht erwachsen zu werden.

Was ist eine "Small town disease", wie es in einem eurer Song heißt?

Dan:
"Small town disease" ist ein Gefühl. Wenn eine Person in einer kleinen Vorstadt aufwächst und dort nicht raus kann und sich gefangen fühlt. Konkret dreht sich der Song um die Stadt, in der mein Bruder, Collin und ich aufgewachsen sind.

Wenn du in einer kleinen Stadt aufgewachsen bist, wie bist du mit Hardcore in Verbindung gekommen? Lebt man dort nicht eher isoliert?

Dan:
Die Stadt, in der ich aufgewachsen bin, war auf jeden Fall mehr im Grünen. Aber auch nur eine halbe Stunde von Seattle entfernt und deswegen konnte man immer einen Bus nehmen und wir sind dann in einen Plattenladen gegangen und haben eingekauft.

Dein älterer Bruder hat doch bei CHAMPION gespielt und er hat nichts damit zu tun, dass du in die Hardcore-Szene reingerutscht bist?

Dan:
Doch, doch. Also wenn mein Bruder nicht gewesen wäre, dann würde ich heute sicherlich nicht Hardcore hören. Er ist älter, er war derjenige, der die ersten Platten nach Hause gebracht hat.

Eine typische Elternfrage: mit deinen ganzen Tattoos, welchen Job möchtest du denn später ausüben?

Dan:
Das ist wirklich eine typische Elternfrage. In den USA ist das kaum noch ein Thema, so alltäglich ist es. Du läufst die Straße runter und siehst Leute, die bis auf ihren gesleaveten Arm total normal aussehen. In jedem Job, in dem ich mir vorstellen kann zu arbeiten, glaube ich, dass Tatts kein Thema sind.

Collin: Ich war letztes Jahr Aushilfslehrer in der Highschool und die Angestellten und Schüler hatten Tattoos. Ich habe Grundschullehrer und Direktoren kennen gelernt, die Tattoos hatten. Man sollte sie nur nicht zur Schau stellen und am Arbeitsplatz professionell rüber kommen.

Andy, warum hast du keine Tattoos?

Andy:
Ich habe welche auf meinem Bein.

Collin: Als seine Mutter es herausgefunden hat, hat sie ihn geschlagen.

Andy: Nein, nein ... also das ist so gewesen: meine Mutter und mein Bruder hatten einen Streit, er wollte sich ein Tattoo machen, ich stand einfach nur dabei und er hat gesagt: "Andy hat ein Tattoo, das er seit drei Monaten vor dir versteckt." Ich dachte nur: "Scheiße." Meine Mutter war echt wütend und ich habe ihr dann mein Tattoo gezeigt. Als ich das Hosenbein wieder runtergekrempelt hatte und hoch kam, hat sie mir eine gelangt.

Huch, und was denkt deine Mutter darüber, dass du jetzt auf Tour bist?

Andy:
Meine Eltern unterstützen mich sehr. Meine Mutter hat nur große Angst, dass ich so weit weg bin. Aber sie ist froh, dass ich was von der Welt sehe. Ich bin in auch in einer kleinen Stadt aufgewachsen und sie wollte nicht, dass ich dort festsitze.

Wie ich jetzt feststellen konnte, seid ihr immer für einen Spaß zu haben. Eure Texte sind aber viel ernster ...

Dan:
Ein Grund, warum wir so viele Witze machen, ist sicherlich, weil unsere Songs ernst sind. Sie bedeuten uns eine Menge, aber um nicht überrollt zu werden und uns selbst zu wichtig zu nehmen, nehmen wir einiges auf die leichte Schulter.