CRO-MAGS & F.V.K.

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John Joseph: Seeker of the truth

Die CRO-MAGS aus New York City brachten 1986 mit "The Age Of Quarrel" ein Album heraus, das bis heute erheblichen Einfluss auf die Hardcore/Punk/Metal-Welt ausübt. Grund genug, um es zwanzig Jahre nach seinem Erscheinen noch einmal live auf Europas Bühnen zu präsentieren. Doch mit Sänger John Joseph und Drummer Mackie Jason fanden sich nur zwei der fünf Original-"Age Of Quarrel"-Musiker, die bereit waren, dieses Jubiläum zu feiern.



Hintergrund sind die ewigen Streitereien mit Bassist Harley Flanagan und Gitarrist Parris Michell Mayhew, die ihrerseits jahrelang als CRO-MAGS firmierten und durch die Lande zogen (sich mittlerweile aber ebenso überworfen haben). Nur der zweite CRO-MAGS-Gitarrist Doug Holland hielt sich stets von allem fern. Fakt ist, dass Harley die offiziellen Rechte am Bandnamen besitzt, weshalb John seine Bandversion nach einem Song der BAD BRAINS auch F.V.K., FEARLESS VAMPIRE KILLERS, nennt und dazu gleich noch eine Hand voll ihrer besten Lieder interpretiert. Als ehemaliger BAD BRAINS-Roadie gelingt ihm dies, auch wenn man es nicht für möglich hält, ausgesprochen gut. Überhaupt scheint Untätigkeit nicht seiner Lebensphilosophie zu entsprechen. Neben CRO-MAGS/F.V.K. hat John, der als erstes HC-Kid überhaupt der hinduistischen Glaubensrichtung Krishnas beitrat, gerade eine karitative Yogaschule in NYC mit aufgebaut, feilt am neuen Album seiner Band BLOODCLOT und arbeitete darüber hinaus die letzten Jahre intensiv an seinen Memoiren. Ganz schön viel und wohl auch einer der Gründe, warum die Veröffentlichung des heiß ersehnten Buches seit Monaten auf sich warten lässt. Leider, denn John hat einiges zu erzählen und tut dies auch ausgesprochen gerne. Seine erste Spoken Words-Lesung überhaupt letztes Jahr in Holland dauerte immerhin fünf Stunden, in denen aber nicht ein Zuhörer vorzeitig den Saal verließ. Denn, wie gesagt, John hat so einiges in seinem Leben erlebt. Vor der CRO-MAGS/F.V.K.-Show letztes Jahr in Bochum zusammen mit BETRAYED trafen wir uns zu einem anregenden Plausch.



Wie ist es, nach langer Zeit wieder auf europäischen Bühnen zu stehen?


Es ist ein wirklich tolles Gefühl, vor allem, dass so viele Fans zu den Shows kommen, obwohl ich das Wort "Fan" in Zusammenhang mit Hardcore eigentlich nicht so gerne gebrauche. Ich bevorzuge Freunde, denn das ist es, was die HC-Szene so besonders macht, ob nun in Budapest oder hier in Deutschland. Nur weil wir diejenigen sind, die auf der Bühne stehen, heißt das noch lange nicht, dass wir in irgendeiner Weise besser sind als die, die davor stehen. Die Kids sind genauso Teil der Musik wie die Bands selber. Sie sind es, die das Ganze aufrechterhalten und voranbringen.



Über dich und dein Leben erscheint demnächst ein von dir verfasstes Buch. Was hat es damit auf sich?

Mein Vater, ein professioneller Boxer, der aus Irland in die USA auswanderte, war zu Hause ein Mensch, dem des Öfteren sein Temperament durchging. Neben uns Kindern schlug er auch meine Mutter regelmäßig, so dass wir Kinder mit drei Jahren alle in Heime kamen. Später landete ich dann auf der Straße. Das Buch "The Evolution Of A Cro-Magnon" erzählt von dem spirituellen Weg, den ich über Musik, Vegetarismus und Yoga eingeschlagen habe und der mich von der Straße weggeführt und ins Leben zurückgebracht hat. All die Leute, die mit mir so aufwuchsen, sitzen entweder im Knast oder hängen an der Nadel. Mit der Musik habe ich eine Möglichkeit gefunden, die mich vor diesem Schicksal bewahrt hat. Etwas, das mein Lebenssinn sein würde. Mit Spiritualität meine ich aber keine dieser aufgesetzten Religionsdogmen. Es geht vielmehr darum, herauszufinden, was deine innerste Seele für einen Sinn für dich und dein Leben vorgesehen hat. Als ich mit vierzehn Jahren bei Minustemperaturen alleine unter einer New Yorker Brücke saß, musste ich mir zwangsläufig Gedanken darüber machen. Die Reflexionen, die ich mir seitdem über mich und mein Leben gemacht habe, trage ich in diesem Buch zusammen. Mein Freund Adam Yauch von den BEASTIE BOYS hat übrigens das Vorwort dazu verfasst. Außerdem arbeite ich zusammen mit meiner Co-Autorin Priscilla Sommer seit nunmehr sieben Jahren auch einem Filmdrehbuch, was auf den von uns als Kinder auf der Straße erlebten Ereignissen basiert. Patty Jenkins, Autorin und Regisseurin des Films "Monster", hat bereits ihr Interesse bekundet. Ich hoffe nur, dass wenn es mit einer Verfilmung klappen sollte, die Macher die Stimmung von damals auch einfangen können.



Wie bist du zur Spiritualität gekommen?

Meiner Ansicht nach bringt dich die höhere Macht, die du Krishna, Gott oder auch sonst wie nennen kannst, in bestimmte Situationen, die jeden von uns vor ihre Herausforderungen stellen und deren Überwindung uns dann zu dem macht, was wir wirklich sind. Wir alle haben das gleiche Schicksal: Jeder von uns möchte im Endeffekt nur dem natürlichen Kreis von Leben und Tod entfliehen. Jegliche Form von Krankheit, Schmerz oder auch das Leid, das wir anderen antun, all das sind die Prüfungen, denen wir uns täglich stellen müssen und die wir zu überwinden haben, um eine Form der Befreiung zu erfahren. Dafür gibt es natürlich kein Allheilmittel. Jeder muss selber entscheiden, welchen Weg er für richtig hält. Mein Weg hat sich zum Beispiel auf meinen Reisen nach Indien aufgetan. Jeder, der sich seinem Schicksal stellt, wird auf seinem Weg auf Menschen treffen, die ihn in gewisser Weise beeinflussen und Wissen vermitteln, das später nützlich sein wird. Für mich war die erste Begegnung mit HR wichtig, dem Sänger der BAD BRAINS. Er hat mich zum Vegetarismus gebracht und mir eine Lebensphilosophie gezeigt, von der ich damals nicht im Ansatz etwas wusste.



Spiritualität und Punkrock - wie passt das zusammen?

Leuten, die behaupten, dass Punkrock und Spiritualität nicht zusammenpassen, kann ich nur sagen: Your journey is incomplete! Mit der klassischen "Alles ist scheiße"-Punk-Einstellung erreicht man gar nichts. Dem Bewusstwerden der Verlogenheit der materialistischen Welt schloss sich bei mir schnell der Wille an, das Ganze auch in die Tat umzusetzen und wirklich etwas zu ändern. Und damit meine ich mich, denn die Welt werde ich nicht ändern können. Punkrock alleine kann dieses nächst höhere, philosophische Level nicht bieten. Die besten Beispiele sind doch so falsche Termini wie "Crew" oder "Szene", deren Mitglieder sich bislang irgendwann alle gegenseitig zerstört haben. Genau das ist "The Age Of Quarrel", das Zeitalter des Disputs. Bei der kleinsten Meinungsverschiedenheit gehen die Leute aufeinander los, und ohne spirituelle Wegweisung, wie auch immer die aussieht, werden wir das nicht lösen.



Wie kam es zu dem Treffen mit HR und den BAD BRAINS, deren Roadie du eine Zeitlang warst?

Ich bin in New York City geboren und aufgewachsen. Dort bin ich als Kind auch das erste Mal in den Knast gegangen, bevor ich mit achtzehn der Navy beitrat. Gesehen habe ich die BAD BRAINS das erste Mal in Norfolk, Virginia. Das muss im März oder April des Jahres 1980 gewesen sein, als sie in der Gegend ein paar Shows spielten. Richtig kennen gelernt habe ich sie dann etwas später in New York, nachdem ich die Navy als Fahnenflüchtiger verlassen hatte und polizeilich gesucht wurde.



Du hast die Navy als Deserteur verlassen und bist jahrelang erfolgreich untergetaucht. Trotzdem musstest du wegen deiner Fahnenflucht 1996 eine Haftstrafe von vier Monaten absitzen. Wie kam es dazu?

Daran sind wahrscheinlich meine ehemaligen Bandmitglieder schuld, die den Behörden gesteckt haben müssen, wo ich zu finden bin. Ich habe die CRO-MAGS 1987 verlassen, weil Harley Flanagan, den ich bis zu dem Zeitpunkt als Freund und Bruder angesehen hatte, nach unserer Tour einfach mit unserer Gage abgehauen ist. Ich komme also ohne Geld nach Hause und lande als Folge wieder auf der Straße, da ich meine Mietschulden nicht tilgen konnte und vom Vermieter rausgeschmissen werde. Da sind noch viele Rechnungen offen. Bis heute habe ich zum Beispiel kein Geld für spätere Veröffentlichungen von "The Age Of Quarrel" gesehen, obwohl ich hinten auf der Platte neben Harley als Verantwortlicher für die Texte namentlich genannt werde. Es macht mich wütend, dass die anderen unter dem Namen CRO-MAGS nach Europa kommen und Songs wie "Seekers of the truth" oder "World peace" spielen. Dafür bedeuten mir die Songs einfach zu viel. "It's the limit" zum Beispiel hieß "Kill the Ayatollah", bevor ich die Lyrics zu dem Song komplett überarbeitet habe! Es war ein Witz.



Sind das auch die Stimmen, die behaupten, du wärst gar nicht der Originalsänger der CRO-MAGS?

Zum allerersten Line-up gehörten zunächst einmal weder Parris Michel Mayhew noch Mackie Jason, sondern Dave Hahn, Manager der BAD BRAINS, Dave Stein, Harley und ich. Harley verbreitet gerne die Lüge, dass nicht ich, sondern Eric Casanova der erste Sänger war. Und das ist definitiv falsch! Wir lösten uns damals nach der Gründung Anfang der 80er Jahre relativ schnell wieder auf, woraufhin ich mich völlig zurückzog. Harley stand dann irgendwann in dem Krishnatempel, in dem ich lebte und wollte die Band wieder zusammenbringen. Ich lehnte ab und das war dann der Moment, als Eric Casanova für kurze Zeit das Mikrofon übernahm. Auch später legte Harley mich immer wieder rein. 1991 war ich durch ihn an einen Vertrag mit Century Media gebunden, aus dem ich nicht herauskam, da ich als einziger als Solokünstler aufgeführt war. Er tingelte derweil durch die USA und nahm das vorher erspielte Geld vom Bandkonto, ohne uns zu bezahlen. Was soll ich sagen, es war die Zeit, als er anfing, Heroin zu konsumieren. Ich wollte damals einfach nur wieder Musik mit meiner neuen Band BOTH WORLDS machen, was vertraglich aber nicht möglich war. Die Plattenfirma und wir einigten uns dann darauf, "Alpha Omega" trotzdem herauszubringen und darüber hinaus noch eine gemeinsame Tour zu machen, womit ich von allen Verpflichtungen ihnen gegenüber erlöst sein sollte. Die während der Studiosessions eingespielten Songs, die es nicht auf die Platte schafften, verkaufte Harley dann später auf dem Album "Near Death Experience". Natürlich ohne uns andere Beteiligte vorher zu fragen! Später gab es dann zwei Bands, die unter dem Namen CRO-MAGS firmierten: Ich und Mackie auf der einen und Harley und Parris auf der anderen Seite, worüber beide Seiten nicht allzu glücklich waren und worüber wir uns mehr als einmal heftig stritten. Und was glaubst du wohl, wie Harley und Co. versuchten, uns loszuwerden? Klar, die gehen zur Polizei und melden, dass ich sie verbal bedroht hätte. Und was finden die Beamten da in meiner Akte? Klar, den Haftbefehl wegen Fahnenflucht und schon bin ich am Arsch. Ich bekam damals einen Anruf des leitenden Polizeibeamten, der mich fragte, ob ich John Joseph McGeown wäre. Meinen Nachnamen kannten bis dahin aber nur die Bandmitglieder, weil ich sonst Gefahr lief, als Deserteur entdeckt und eingebuchtet zu werden. Deshalb glaube ich auch, dass sie es waren, die mich bei den Cops verpfiffen hatten.



Wie ist deine Beziehung zu Harley heute?

Als ich festgenommen wurde und schließlich im Knast saß, hatte Harley anscheinend ein schlechtes Gewissen. Er und die Jungs organisierten ein paar Shows, damit ich wenigstens die Anwaltskosten decken konnte. Ich saß die Zeit ab und regelte nach meiner Freilassung den Rest mit Harley persönlich, was ihm körperlich nicht allzu gut bekam, da ich ihm während unserer Auseinandersetzung ein paar Knochen brechen musste. Aber weißt du, was er vor ein paar Jahren wortwörtlich zu mir meinte, als wir zusammen mit den BAD BRAINS deren Songs spielten? Er sagte: "John, das hatte ich damals wirklich verdient!" Ganz so falsch kann meine Schuldzuweisung demnach nicht sein. Ich vergab ihm schließlich und versuchte, ihn wieder wie einen Bruder zu behandeln. Lud ihn und seine Freundin ab und an zum Essen ein. Als er auf dem Hellfest mit HARLEY'S WAR anfing, auf der Bühne Mist über andere Bands zu erzählen, liefen die Kids fast Amok und wollten ihn lynchen. Mir gab er vor ein paar Jahren den Rest, als er uns, obwohl wir eine Tour nach Australien und Japan gebucht und bereits die Flugtickets bezahlt hatten, einen Tag vor Abreise doch im Stich ließ.



Lass uns kurz noch über "The Age Of Quarrel" reden, ein Album, das bis heute eine große Wirkung auf die Bereiche Hardcore und Metal sowie ihre Anhänger ausübt und 1987 bei dem Majorlabel Profile in den USA erschien. Wie kam es zu der Zusammenarbeit?

Profile wurde während einer Show auf uns aufmerksam und wollte uns sofort unter Vertrag nehmen. Leider gab schon an diesem frühen Zeitpunkt unserer Karriere einen folgenschweren Interessenkonflikt, denn unser damaliger Manager Chris Williamson wollte dem Deal nur zustimmen, wenn ihm Raum für sein eigenes Label gegeben werden würde. Auf diese Weise entstand damals Rock Hotel, einer der ersten großen Reinfälle für uns als Band. Wir waren damals viel zu jung und unerfahren, um sein Anliegen hinter dem Plattendeal zu durchschauen. Dass wir mit dem Album auch eine Menge Metalheads ansprachen, liegt zum einen am Label selbst, das damals unter anderem auch MOTÖRHEAD im Programm hatte. Wir haben aber von Beginn an versucht, musikalisch unser verdammtes Ding durchzuziehen und das fanden eben viele attraktiv. Zu einer Show in New York kam damals zum Beispiel auch der Schauspieler Steve Buscemi. Hardcore ist eben nicht wie eine Miles Davis-Platte, der du zu Hause in deinem Stübchen am Kamin zuhörst.



Womit viele Leute bis heute Schwierigkeiten haben, ist der homophobe Touch des Innersleeves: In einem Atompilz sind neben Alkohol, Drogen und Gewalt auch ein schwules Paar gezeichnet, worunter der Satz "The age of quarrel" steht.

Die Gestaltung des Covers und des Innersleeves übernahm damals Alex "Uncle Al" Morris, Gitarrist bei MURPHY'S LAW. Wir hatten damals viele verrückte Ideen, waren jung und dumm. Schwulenfeindlich war das Ganze zwar nie gemeint, ich würde es heute aber wahrscheinlich anders machen.