U.K. SUBS

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Good wine of sound

Punk-Veteran Charlie Harper, seit dreißig Jahren Sänger der britischen Punkband U.K. SUBS, feiert im April seinen 63. Geburtstag. Obwohl die U.K. SUBS nie zur ersten Garde gehörten, steuert Kapitän Charlie Harper dieses Schiff seit dreißig Jahren unbeirrt durch die Clubs der Welt. Wie jedes Jahr im Januar gastierten die U.K. SUBS auch diesmal wieder in der Hamburger Fabrik. Good old Charlie war nicht nur in Plauderlaune, sondern griff zu meiner Überraschung während des Interviews auch zur Akustikgitarre, und nachdem das Aufnahmegerät ausgeschaltet war, wurden sogar noch alte U.K. SUBS-Songs wie "Barbies dead", "Tomorrows girls" oder "Stranglehold" angespielt.





Charlie, dieses Jahr jährt sich zum 30. Mal der erste U.K. SUBS-Auftritt. Wie ist das für dich?


Also es war letztes Jahr bereits sehr spannend, denn das war der Jahrestag unserer Gründung. Als es dann soweit war, war es aber nur Arbeit, denn alles, was du benötigt hast, die T-Shirts zum Beispiel, war nicht fertig. Es war wirklich verdammt harte Arbeit, alles fertig zu bekommen. Ich konzentriere mich da lieber auf die Konzerte. Ich möchte sichergehen, dass alles in dieser Hinsicht gut läuft. Es ist in erster Linie wichtig, eine gute Show abzuliefern, alles andere ist erst mal zweitrangig.



Es gibt verschiedene Line-ups, so habt ihr in Großbritannien eine andere Besetzung als in den USA/Europa/Kanada ...

Gerade haben wir allerdings das gleiche Line-up wie bei der US-Tournee. Wir hatten über Weihnachten eine fünfwöchige Tournee und da hatten wir drei unterschiedliche Gitarristen - auf einer Tour! Einer war so sehr mit Alkohol und Drogen beschäftigt, dass wir ihn direkt nach einem großen Festival nach Hause geschickt haben. Dann hatten wir einen Gitarristen, der versuchte, Nicky komplett zu imitieren. Er trug Tarnhosen, er tat alles, was Nicky macht, er hatte selbst die gleiche Gitarre wie Nicky. Aber soundmäßig, da war er zu sehr in Pedale verliebt, in Effekte und so weiter, es klang alles zu mechanisch. Wir haben beschlossen, das ist nicht das Richtige. Und dann hatten wir jemanden, der spielt sehr natürlich, Jet, ein japanischer Freund. Er spielt sehr dynamisch, eine Gibson Les Paul Junior, so wie Johnny Thunders. Wir mögen ihn, aber ein Teil des Publikums mochte ihn nicht, denn es klingt mit ihm etwas anders, es ist nicht unser typischer Sound. Dieser Johnny Thunders-Sound geht eher zurück auf die ganz frühen Tage, als wir noch gar keinen Punk spielten. Einige Leute lieben es und einige können damit gar nichts anfangen. Es ist wirklich schwer, alle Leute zufrieden zu stellen, aber egal, um welches Line-up es sich handelt, du kannst eine schlechte oder aber auch eine verrückte Show abliefern.



Läuft es im Heimatland wirklich gut, ohne Nicky Garrett aufzutreten?

Es gibt das Nicky-Garrett-Oldschool-Punk-Camp und gibt das Newschool-Camp mit Alan Campbell, denn Alan ist ein extrem talentierter Musiker. Die eine Hälfte der Leute mag Alan Campbell, die andere mag lieber Nicky Garrett. Alan spielt aber wegen seiner Familie immer weniger gern. Aber es gibt nur ein paar Musiker, die sein Level erreichen.



Bei über 200 Konzerten im Jahr, und das seit dreißig Jahren, habt ihr, wenn ich richtig rechne, einen Song wie "C.I.D." bisher über 6.000-mal gespielt.

Wenn du meinst, haha. Was viele Leute nicht mitkriegen ist, dass ich diesen Song jede Nacht unterschiedlich singe, und auch die Halle klingt unterschiedlich. Wir ich bereits sagte, spiele ich in England mit einem anderen Line-up, Nicky klingt anders, es ist alles sehr lebendig und verändert sich, es ist niemals gleich. Es ist auch eine Herausforderung, das Beste herauszuholen, denn wenn "C.I.D." gut klingt, ist er wirklich großartig und das versuchen wir jede Nacht. Wenn es klappt, fühlt sich jeder großartig, nicht nur das Publikum, wir auch.



Haben die Songs für dich über die Jahre eine andere Bedeutung bekommen?

Für mich nicht, aber es passiert bei den Leuten. Es ist das Publikum, das zu uns kommt und sagt: Mensch, Charlie, bei "Warhead" hast du es vorausgesagt, bereits Jahre, bevor es passierte ...



Und gibt es Songs, die du absolut nicht mehr spielen möchtest, die aber vielleicht vom Publikum gewünscht werden?

Es ist eher so, dass es viele Songs gibt, die ich spielen möchte, aber die Band macht nicht mit. Bei den unterschiedlichen Line-ups versuche ich, dass alle ihre Favoriten spielen können. Ich möchte nicht, dass die Band Songs spielt, die sie nicht mag.



Es gibt das Gerücht, die U.K. SUBS würden nur touren, weil sie dabei so viele T-Shirts verkaufen und so gut am Merchandising verdienen.

Nein, haha, das war nur als Witz gemeint. Ich habe vergessen, welche Band dafür verantwortlich war, vielleicht war es OUZO? Wir waren jedenfalls früher mal zusammen auf Tournee und da haben wir diese Witze gemacht, die Musik ist Mist, aber die T-Shirts sind klasse. Und ich denke mir, das haben dann wohl einige Leute zu ernst genommen. Aber wir verkaufen viel, besonders T-Shirts, und ganz besonders viele, wenn nicht sogar die meisten, in Hamburg. Es ist eher so, dass wir ohne die T-Shirts nicht auf Tour gehen könnten. Wir haben eben keine Plattenfirmen, keinen Manager oder sonst einen, der uns hilft. Wir sind eine komplett unabhängige D.I.Y.-Band, deshalb ist Merchandise für uns so von Bedeutung.



Sind die unterschiedlichen Lizenzen und Rechteinhaber der Songs ein generelles Problem für euch?

Das ist ein weiterer negativer Punkt in der U.K. SUBS-Geschichte, denn unsere ersten Plattenfirmen verkaufen die Rechte immer weiter an andere, die neue Platten veröffentlichen. Vor zehn Jahren, und das ist wirklich erstaunlich, da hatten wir mit ganz vielen Veröffentlichungen quasi aus dem Nichts heraus zu kämpfen. Unser Label wollte deshalb nichts veröffentlichen, weil es eben diese ganzen anderen Platten gab. Es gibt eine gute günstige Compilation, ein wirklich gutes Paket, die wurde im letzten Jahr veröffentlicht. Es gibt schließlich eine komplett neue Generation Punkrocker.



Du vergibst die Albumtitel von A bis Z, ich habe bei den ganzen verschiedenen Titeln aber mittlerweile den Überblick verloren. Wie weit seid ihr im Alphabet?

Wir sind jetzt bei W angelangt und arbeiten an einem Album mit dem Titel "Work In Progress". Das aktuelle Album trägt den Titel "Complete Riot" und wurde auf Nickys Label New Red Archives veröffentlicht und beinhaltet die beiden letzten aufgenommenen Alben "Quintessentials" und "Riot".



Noch mal zu den alten Songs: Ich denke, ein Grund dafür, dass ihr vorwiegend die alten Songs spielt, ist vielleicht auch, dass ihr sie nicht mehr extra proben müsst.

Ja, stimmt, das ist in der Tat ein Problem. Wir arbeiten hart daran, es ist schon wirklich schwierig, alle zusammen in ein Studio zu bekommen. Nicky lebt in San Francisco, das ist wirklich sehr weit entfernt, und Alvin lebt in Frankreich.



Wenn über den 77er Punk gesprochen wird, denkt man an die SEX PISTOLS, CLASH, BUZZCOCKS und so weiter, aber nicht an U.K, SUBS, obwohl ihr auch seit 1977 dabei seid. Woran liegt das?

Daran, dass es diese Bands bereits lange gab und sie bereits erfolgreich waren. Als sie mit den Europa-, USA- oder Englandtourneen starteten, wurde dies natürlich auch von der Presse begleitet. Wir haben zu dieser Zeit in London begonnen und alle, die wissen wollten, was es mit Punkrock auf sich hat, kamen aus der ganzen Welt nach London, um zu sehen, was dort passiert, und dort gab es die U.K. SUBS. Die Leute sagten, wir haben etwas über die SEX PISTOLS gelesen, aber ihr seid die erste Punkband, die wir live gesehen haben. Wir repräsentierten den wirklichen Punkrock.



Du hast ja schon früher Musik gemacht, was war dein Wendepunkt, dein Auslöser, um mit Punkrock zu beginnen? In dem neuen Buch "Punk Rock" von John Robb sagt du, es war ein Konzert der NEW YORK DOLLS, in einem anderen Interview hast du gesagt, es wäre ein DAMNED-Konzert gewesen.

Beides ist richtig. Die NEW YORK DOLLS waren etwas, was lange vor Punkrock begann. Ich hatte damals eine Band, die so ähnlich klang, und das war für mich der Beginn. Wir hatten damals viel Rhythm & Blues im Programm, waren also keine reine Punkband, aber als ich dann im Roxy DAMNED sah, hat mich das überzeugt. Ich habe dann meine Band überredet, zu einem weiteren Konzert von DAMNED mitzukommen. Danach sagten sie, wir wollen auch Punkrock machen. Ich sagte dann, gut, wir machen weiter und spielen Punkrock. Nach einem Jahr oder noch im selben Jahr traf ich dann auf Nicky und wir fingen an, eigene Songs zu schreiben. Irgendwie passierte alles zur richtigen Zeit, am richtigen Ort.



Die ersten U.K. SUBS-Aufnahmen, waren das John Peel Sessions?

Ja, John Peel war derjenige, der uns ermunterte, weiter zu spielen, und danach war es für uns einfach, einen Plattenvertrag zu bekommen, denn die Plattenfirmen kannten seine Sendung. John Peel spielte uns häufig und überredete uns dann, eine Platte aufzunehmen.



In den frühen 70er Jahren warst du als Straßenmusiker sogar in Südfrankreich und Spanien unterwegs ...

Ja ... Es gibt übrigens ein neues Soloprojekt, U.K. SUBS-Songs mit Akustikgitarre. Ich habe extra meine Gitarre mitgenommen, um etwas zu üben. Hör mal, dies hier ist neu: (Charlie Harper spielt einen Song auf seiner Akustikgitarre) ... Das ist so Hillybilly-Zeug ...



Zum Schluss noch die Frage, wie du mit dem Älterwerden umgehst?

Du musst nicht alt werden und du musst nicht aufhören abends auszugehen oder was auch immer. Du musst nichts beenden, du lebst einfach so weiter wie bisher. Viele Leute haben dann eine Familie, ziehen sich dann zurück. Ich finde das durchaus gut, Kinder können einen jung halten, du kannst mit ihnen Fußball spielen. Glücklicherweise kann ich mit meinen Enkelkindern Fußball spielen. Und ich bin der Meinung, man sollte weiterhin an Dingen interessiert sein. Die U.K. SUBS haben in den frühen Tagen vieles sehr leicht genommen, gut, wir konnten halbwegs spielen, aber es war uns scheißegal, ob es gut oder schlecht ist. Jetzt sind wir hier sensibler, wenn du dich zum Beispiel jetzt mit Nicky über den Sound unterhältst. Wir waren vor zwei Tagen in England bei Marshall in der Fabrik, weil wir noch einen Verstärker für die Tournee suchten. Diese Sachen sind uns jetzt sehr wichtig, ein lebendiger Gitarrensound und eben nicht dieser mechanische Sound. Wir klingen viel besser als vor dreißig Jahren, aber manchmal hast du das Gefühl, dass sich alles zurückentwickelt. Heute gibt es keine guten neuen Verstärker, das kriegen die nicht hin, du bist weiterhin auf die von Vox, Marshall und Fender angewiesen, wenn du einen lebendigen Sound erzeugen möchtest. Rock'n'Roll hat ein Herz und eine Seele. Mit der Digitalisierung der Musik ist dieser schöne warme Sound abhanden gekommen. Die ganzen alten Gitarren klingen wie guter Wein und schmecken auch viel besser. Ich werde jetzt langsam ein alter Mann und mir gefällt dieser "good wine of sound".